BT-Drucksache 17/11194

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/10000, 17/10604, 17/11190 - Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013

Vom 24. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11194
17. Wahlperiode 24. 10. 2012

Änderungsantrag
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Agnes Alpers, Nicole Gohlke,
Dr. Rosemarie Hein, Ulla Jelpke, Dr. Lukrezia Jochimsen, Harald Koch, Jan Korte,
Petra Pau, Jens Petermann, Richard Pitterle, Raju Sharma, Petra Sitte, Frank
Tempel, Halina Wawzyniak, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/10000, 17/10604, 17/11190 –

Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013

Der Bundestag wolle beschließen:

Artikel 11 § 51 Absatz 3 wird wie folgt geändert:

a) Satz 1 wird wie folgt gefasst:

„Eine Steuervergünstigung setzt zudem voraus, dass die Körperschaft nach
ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebun-
gen verfolgt, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten.“

b) Die Sätze 2 und 3 werden aufgehoben.

Berlin, den 23. Oktober 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Mit dem Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 hat die Bundesregierung eine
Veränderung im Bereich Steuervergünstigungen vorgenommen, die dazu führen
würde, dass künftig die Einschätzung des Verfassungsschutzes anders als bisher
unmittelbar ohne Möglichkeit der Widerlegung gegenüber der Finanzbehörde

über die Gemeinnützigkeit und damit die Steuervergünstigung für Organisatio-
nen entscheidet. Vorliegend geht es aber darum, nicht nur den von der Bundes-
regierung durch die Streichung des Wortes „widerlegbar“ beabsichtigten auto-
matischen Verlust der Gemeinnützigkeit einer Organisation bei Erwähnung im
Verfassungsschutzbericht als „extremistisch“ zu korrigieren (Bundestagsdruck-
sache 17/10000, Artikel 10 Nummer 3), sondern den Bezug zum Verfassungs-
schutz gänzlich zu streichen. Denn weder kann der im Rahmen des Verfassungs-

Drucksache 17/11194 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
schutzes gebräuchliche unklare Begriff „Extremismus“ den Ausschluss von
Steuervergünstigungen begründen, noch sind die Verfassungsschutzberichte des
Bundes und der Länder die geeignete Grundlage für einen solchen Ausschluss.

Mit der vorgesehenen Streichung des Wortes „widerlegbar“ würde die Auffüh-
rung in einem Verfassungsschutzbericht nun mehr faktisch die Wirkung eines
Grundlagenbescheids für die Körperschaftsteuerveranlagung erlangen (Stel-
lungnahme des Bundesrates, Bundestagsdrucksache 17/10604, Nummer 53),
ohne dass bei den Verfassungsschutzämtern eine adäquate Verfahrensregelung
bestünde oder gar die rechtsstaatlich gebotene Anhörung der Betroffenen sicher-
gestellt wäre (schriftliche Stellungnahme des Republikanischen Anwältinnen-
und Anwältevereins e. V. zur öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss des
Deutschen Bundestages am 26. September 2012 zum Jahressteuergesetz 2013,
S. 1, 9). Die faktische Rechtsverbindlichkeit sowie überhaupt der Bezug auf den
Verfassungsschutzbericht wird dem intransparenten Berichtswesen des Verfas-
sungsschutzes nicht gerecht, denn es wird nicht erkennbar, auf welche Art und
Weise die in dem Bericht verarbeiteten Erkenntnisse gewonnen wurden und ob
sie überhaupt auf rechtmäßige Weise erlangt und verwahrt werden. Dies gilt
umso mehr, als dass eine Berichtserwähnung für die Grundrechtsausübung der
betroffenen Vereine und Nichtregierungsorganisationen ganz erheblich ist, gar
zu einer Existenzgefährdung führen kann. Zudem ist der in den Verfassungs-
schutzberichten der Länder und des Bundes verwandte Begriff „Extremismus“
zu unbestimmt und einer objektiven Beurteilung nicht zugänglich. Sein Maßstab
ist eine nicht inhaltlich definierte politische Mitte. Jede Abweichung von dieser
politischen „Mitte“, die jeweils von der Politik der Regierenden definiert wird,
wird als „Extremismus“ bezeichnet. Der Begriff ist so für eine Instrumentalisie-
rung zur Diffamierung und Überwachung von politischer Opposition besonders
anfällig. Diese Gefahr ergibt sich für die Institution des Verfassungsschutzes ins-
gesamt, da sein Betätigungsfeld, anders als das der Polizei, nicht an konkrete
Gefahrensituationen oder begangene Straftaten anknüpft, sondern weit im Vor-
feld an potenzielle Gefahrenlagen und Personen, die aus Sicht der Behördenlei-
terinnen und Behördenleiter eine Gefahr für die freiheitliche demokratische
Grundordnung darstellen. Durch das Agieren im Geheimen, mithilfe von V-Leu-
ten und verdeckten Ermittlern und dem dadurch notwendig werdenden Quellen-
schutz, ist sie zwangsläufig intransparent und entzieht sich effektiven Kontroll-
möglichkeiten. Auch angesichts des massiven Vertrauensverlustes der Verfas-
sungsschutzämter im Rahmen des Versagens der Sicherheitsbehörden bei der
Mordserie des NSU ist es nicht möglich, diese Behörden und ihre Einschätzung
zum entscheidenden Kriterium für die Gewährung von Steuervergünstigungen
zu machen. Ein Bezug auf sie sollte daher gänzlich unterbleiben.

Zu Recht bindet § 51 Absatz 3 der Abgabenordnung die Gewährung dieser Ver-
günstigungen an den Gedanken der Völkerverständigung. Rassistische, gegen
den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes gerichtete Bestrebungen sollen
nicht auch noch steuerlich gefördert werden. Für die Umsetzung dieses Gedan-
kens bedarf es aber weder der Aufsicht durch die Verfassungsschutzämter noch
eines diffusen Extremismusbegriffs.

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