BT-Drucksache 17/11166

Die Anwendung der Administrativhaft und willkürliche Festnahmen durch israelische und palästinensische Sicherheitskräfte verurteilen

Vom 24. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11166
17. Wahlperiode 24. 10. 2012

Antrag
der Abgeordneten Tom Koenigs, Kerstin Müller (Köln), Volker Beck (Köln),
Marieluise Beck (Bremen), Agnes Brugger, Viola von Cramon-Taubadel,
Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Ute Koczy, Omid Nouripour, Lisa Paus,
Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Anwendung der Administrativhaft und willkürliche Festnahmen
durch israelische und palästinensische Sicherheitskräfte verurteilen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Deutsche Bundestag hat sich wiederholt und deutlich gegen die Administ-
rativhaft in verschiedenen Ländern, z. B. China, ausgesprochen. Im Sinne einer
konsistenten Menschenrechtspolitik kritisiert er die Anwendung der Administ-
rativhaft gegenüber allen Regierungen, unter denen sie durchgeführt wird – auch
gegenüber der gegenwärtigen Regierung Israels sowie der Palästinensischen
Autonomiebehörde (PA) und der Hamas.

In Israel sitzen derzeit über 300 palästinensische Gefangene in Administrativ-
haft. Personen werden im Rahmen der Administrativhaft aus nicht näher erklär-
ten Sicherheitsgründen für bis zu sechs Monate ohne Anklage inhaftiert. Weder
die Inhaftierten noch ihre Anwälte erfahren in der Regel den Grund der Haft.
Ihnen werden keine Beweise für den Tatvorwurf vorgelegt. Die Administrativ-
haft kann durch erneute Anordnung verlängert werden. Dutzende der Adminis-
trativhäftlinge in Israel sind bereits zwischen zwei und fünf Jahren in Haft. Der
härteste Haftumstand, die sogenannte Einzelhaft, ist gegenwärtig ausgesetzt,
aber nicht abgeschafft. Gegenwärtig befinden sich über 200 minderjährige
Palästinenser in israelischer Haft. Israel hält die Kinderrechtskonvention der
Vereinten Nationen in den besetzten Gebieten für nicht anwendbar und wendet
hier Militärrecht an. Während im israelischen Zivilrechtssystem für Kinder
unter 14 Jahren keine Haftstrafen verhängt werden können, können nach dem
Militärrecht Kinder zwischen zwölf und 14 Jahren zu bis zu sechs Monaten Haft
verurteilt werden.

Nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International
kommt es zu willkürlichen Festnahmen von Hamas-Anhängern durch die von

der Fatah dominierten Palästinensischen Autonomiebehörde. Die Festgenom-
menen haben keine Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit ihrer Haft gerichtlich an-
zufechten. Sicherheitskräfte der Hamas wiederum inhaftierten im Gazastreifen
willkürlich Hunderte von Personen mit mutmaßlichen Verbindungen zur Fatah.
Die von der PA eingesetzte Unabhängige Kommission für Menschenrechte
erhielt allein 2011 mehr als 1 000 Beschwerden wegen willkürlicher Festnah-
men im Westjordanland und mehr als 700 wegen willkürlicher Festnahmen im

Drucksache 17/11166 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Gazastreifen. Auch die Haftbedingungen und Zustände in Haftanstalten im
Westjordanland und in Gaza sind zum Teil dramatisch: So berichtet die Unab-
hängige Kommission für Menschenrechte über mehr als 50 Beschwerden wegen
Folter und andere Misshandlungen im Westjordanland, im Gazastreifen liegen
mehr als 100 Beschwerden vor.

Die Administrativhaft schränkt die Verfahrensgarantien von Betroffenen erheb-
lich ein und ist unter rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Gesichtspunk-
ten inakzeptabel. Sie verletzt unter anderem Artikel 9 des Internationalen Pakts
über bürgerliche und politische Rechte, den Israel 1991 ratifiziert hat. Israe-
lische und palästinensische Menschenrechtsorganisationen wie B’Tselem und
Adameer kritisieren die Administrativhaft als Maßnahme zur Umgehung der
Strafprozessvorschriften.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich weltweit für ein Ende der Administrativhaft einzusetzen;

2. gegenüber der israelischen Regierung, der Palästinensischen Autonomie-
behörde und der Hamas die Aufhebung der Administrativhaft sowie willkür-
licher Verhaftungen zu fordern;

3. sich für rechtsstaatliche Strafverfahren für alle Gefangenen, für ein Ende von
Folter, Misshandlungen, für die Abschaffung der sogenannten Einzelhaft und
für eine Verbesserung der Haftbedingungen vor allem hinsichtlich der Ge-
sundheitsversorgung gegenüber der Regierung Israels, der Palästinensischen
Autonomiebehörde und der Hamas einzusetzen;

4. die israelische Regierung, die Palästinensische Autonomiebehörde sowie die
Hamas aufzufordern, unbeschränkten Zugang des Internationalen Komitees
des Roten Kreuzes zu allen Gefängnissen in Israel, der Westbank und im
Gazastreifen sowie den Zugang von Anwälten und Familienangehörigen aus
der Westbank und aus Gaza zu den Gefangenen zu gewährleisten;

5. die israelische Regierung, die Palästinensische Autonomiebehörde sowie die
Hamas aufzufordern, palästinensische jugendliche Inhaftierte entsprechend
dem Schutz zu behandeln, der Jugendlichen und Minderjährigen nach der
Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen zusteht.

Berlin, den 24. Oktober 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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