BT-Drucksache 17/10913

Entbürokratisierung des BAföG

Vom 1. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10913
17. Wahlperiode 01. 10. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kai Gehring, Kerstin Andreae, Beate Walter-Rosenheimer,
Dr. Konstantin von Notz, Ekin Deligöz, Katja Dörner, Britta Haßelmann, Agnes
Krumwiede, Monika Lazar, Tabea Rößner, Krista Sager, Ulrich Schneider und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entbürokratisierung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes

Im März 2010 hat der Nationale Normenkontrollrat (NKR) Empfehlungen vor-
gelegt, wie das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) entbürokratisiert
werden kann. Abgesehen von der pauschalen Berechnung des Mietkostenzu-
schusses und dem Verzicht auf den Sprachnachweis beim Auslands-BAföG
wurden die zahlreichen Vorschläge bisher nicht aufgegriffen. Weiterhin müssen
sich Studierende, die eine Ausbildungsförderung beantragen wollen, zusammen
mit ihren Familien durch eine Vielzahl schwer verständlicher Formulare und
umfassender Nachweispflichten kämpfen.

In seiner Zwischenbilanz „Zwei Jahre nach dem Bericht ‚Einfacher zum Studie-
renden-BAföG‘ Der Nationale Normenkontrollrat zieht eine Zwischenbilanz“
von Juli 2012 signalisiert der NKR dringenden Handlungsbedarf auf gesetz-
licher Ebene und bei den Verwaltungsvorschriften. Bei den Studierenden und in
den BAföG-Ämtern übten die bislang ergriffenen Maßnahmen eine noch zu we-
nig entlastende Wirkung aus. „Der Normenkontrollrat erwartet, dass noch bis
zum Ende dieser Legislaturperiode eine weitere Novellierung des BAföG er-
folgt und die begrüßenswerten Arbeiten von Bund und Ländern an der überfäl-
ligen Neufassung der BAföG-Verwaltungsvorschriften abgeschlossen werden.
Erforderlich sind darüber hinaus weitere Schritte auf dem Weg zu einer bundes-
weiten Einführung eines elektronisch gestützten BAföG-Antragsverfahrens in
allen Bundesländern“, so das klare Fazit des NKR.

Die BAföG-Bürokratie führt nicht nur dazu, dass BAföG-Ämter laut NKR bis
zu einem halben Jahr brauchen, um die Anträge zu bearbeiten, sie verursacht
auch hohe Kosten. Eine Anfrage der baden-württembergischen Landtagsfrak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat ergeben, dass sich der bürokratische Auf-
wand für das BAföG in Baden-Württemberg 2002 auf 11,2 Mio. Euro belief.

Der NKR hat in seiner Zwischenbilanz vom Juli 2012 die zuständigen Stellen
der Bundes- und Länderverwaltungen aufgefordert, alle notwendigen Maßnah-
men zu einer weiteren Entbürokratisierung der gesetzlichen Grundlagen sowie
des BAföG-Vollzugs schnellstmöglich umzusetzen. Daher ist es notwendig, In-

halt und Zeitplan der Bundesregierung zur Entbürokratisierung des BAföG zu
erfahren.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hoch sind die durchschnittlichen Bürokratiekosten bei der Bearbeitung
eines BAföG-Antrags (bitte nach Ländern aufschlüsseln)?

Drucksache 17/10913 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Wie haben sich die Bürokratiekosten für das BAföG zwischen den Jahren 2000
und 2012 entwickelt (bitte nach Jahren und Bundesländern aufschlüsseln)?

3. In welchem Maß wurden die Bürokratiekosten für das BAföG durch die im
Rahmen der 23. BAföG-Novelle vorgenommenen Vereinfachungen (pau-
schale Berechnung des Mietkostenzuschusses, Verzicht auf Sprachnach-
weis beim Auslands-BAföG) gesenkt?

4. Um welchen Betrag sollen die durchschnittlichen Bürokratiekosten pro
BAföG-Antrag mittelfristig sinken?

Weitere Entbürokratisierung des BAföG

5. Wie steht die Bundesregierung zum Vorschlag des NKR, Krankenkassen-
beiträge pauschal anzurechnen, damit Erbringung und Prüfung des Kran-
kenversicherungsnachweises entfallen?

6. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Forderung
nach Wegfall der Vorlage des Leistungsnachweises nach dem vierten Se-
mester, die laut NKR aufgrund der Regelstudienzeit von sechs Semestern in
Bachelor-Studiengängen fraglich geworden ist?

7. Befürwortet die Bundesregierung den kompletten Wegfall der Vorlage des
Leistungsnachweises in einem sechssemestrigen Bachelor-Studium oder
sieht sie andere bürokratiearme Alternativen?

8. Wie wird die Bundesregierung dafür sorgen, dass es in der Phase des Über-
gangs zwischen Bachelor und Master zu keinem „Bruch im Antragsverfah-
ren“ kommt (Quelle: NKR-Zwischenbilanz, „Zwei Jahre nach dem Bericht
,Einfacher zum Studierenden-BAföG‘“, S. 2)?

9. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Vorschlag
von studentischer Seite, dass bei der BAföG-Beantragung für ein direkt
nach dem Bachelor folgendes Master-Studium das Bachelor-Zeugnis nach-
gereicht werden kann und somit die Bearbeitung direkt mit Eingang des An-
trags beginnen kann?

10. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Hinweis des
NKR, der alternative Leistungsnachweis durch ECTS-Leistungspunkte
(ECTS = European Credit Transfer System) werde „bislang nicht einheitlich
und damit eher zurückhaltend praktiziert“?

Inwiefern macht sich die Bundesregierung die Forderung des NKR zu
eigen, dass es einer gesetzlichen Nachbesserung beim alternativen Leis-
tungsnachweis durch ECTS-Leistungspunkte bedürfe?

11. Wie steht die Bundesregierung zum Vorschlag des NKR, statt einer einzel-
fallbezogenen Berechnung der nach § 82 des Einkommensteuergesetzes
geförderten Altersvorsorgebeiträge (z. B. für Riester-Renten) eine Pauscha-
lierung vorzunehmen, da die Berechnungen laut NKR einen unangemesse-
nen Aufwand für die BAföG-Ämter bedeuten und nur einen geringen Ein-
fluss auf die Förderhöhe haben?

12. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Vorschlag
des NKR nach Wiedereinführung der im Jahr 1981 abgeschafften drei-
monatigen Rückwirkung des Förderantrags, was aus Sicht des NKR das
Einreichen vieler unvollständiger Anträge vermeiden sowie Antragsspitzen
abmildern könnte?

13. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des NKR, dass die in den Fra-
gen 5 bis 12 genannten Maßnahmen zur Entbürokratisierung des BAföG
„keinen spürbaren Einfluss auf die Kosten des BAföG haben“, aber für die

BAföG-Empfängerinnen und -empfänger eine spürbare Verbesserung brin-
gen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10913

Aktualisierung der Verwaltungsvorschriften

14. Wie lautet der genaue Auftrag der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die eine
Aktualisierung der rund 650 Teilziffern der Verwaltungsvorschriften zum
BAföG erarbeiten soll?

15. Welche Vorgaben bezogen auf die Ziele Straffung, Widerspruchsfreiheit
und Eindeutigkeit der Vorschriften wurden der Arbeitsgruppe gemacht?

16. Wem und bis zu welchem Datum soll die Bund-Länder-Arbeitsgrupe das
Ergebnis ihrer Aktualisierung der BAföG-Verwaltungsvorschriften vorle-
gen?

Welcher weitere Prozess ist dann zur Umsetzung geplant?

Einheitliches System zur Bekanntgabe von Erlassen

17. Warum gibt es keine bundesweite zentrale Datenbank zu den BAföG-Erlas-
sen, von denen das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
nach Angaben des NKR jährlich zwischen 40 bis 50 erstellt?

18. Wie wird das BMBF als oberste Bundesbehörde für Ausbildungsförderung
künftig sicherstellen, dass alle Erlasse allen BAföG-Ämtern bekannt ge-
macht werden?

19. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem vom NKR skiz-
zierten Problem, dass es bei mittlerweile über 1 000 BAföG-Erlassen immer
wieder zu Widersprüchen zwischen neueren und älteren Erlassen kommt?

20. Wann und in welcher Form wird die Bundesregierung der Forderung des
NKR nach einer Aufarbeitung und Bereinigung des Erlassbestandes sowie
der Bereitstellung einer für alle betroffenen Stellen zugänglichen systema-
tisch aufgearbeiteten Erlasssammlung auf Bundesebene nachkommen?

21. Wie ist der Kenntnisstand der Bundesregierung bezüglich einer bundeslän-
dereinheitlichen Anwendung von § 8 BAföG, wonach diejenigen BAföG
berechtigt sind, die langfristig aufenthaltsberechtigt sind oder lange in
Deutschland leben und eine dauerhafte Bleibeperspektive haben?

22. Inwiefern hat die Bundesregierung eine bundesländereinheitliche Anwen-
dung von § 8 BAföG unterstützt bzw. plant dieses für die Zukunft, z. B. in
Form von Erlassen, Auslegungsschreiben oder Informationen an die
BAföG-Ämter?

BAföG-Software und Kompatibilität in allen Bundesländern

23. Wie bewertet die Bundesregierung das Vorhandensein von drei unterschied-
lichen Softwaresystemen zur Bearbeitung des BAföG in den Ländern, und
wie bewertet sie den Stand der Kompatibilität der von den unterschiedlichen
Softwaresystemen erzeugten Daten?

24. Hat eine etwaige Inkompatibilität unterschiedlicher Softwaresysteme nach
Kenntnis der Bundesregierung bisher negative Folgen für Studienortwechs-
ler verursacht?

25. Inwiefern wird die Bundesregierung gegenüber den Bundesländern der For-
derung des NKR Nachdruck verleihen, die Kompatibilität der von den un-
terschiedlichen BAföG-Softwaresystemen erzeugten Daten sicherzustellen,
damit über Bundesländergrenzen hinweg die Weiterförderung bei Hoch-
schulortwechsel oder Auslandsstudium ohne Probleme möglich wird?

Drucksache 17/10913 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Einführung des Onlineantragsverfahrens

26. Welche Länder planen nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit die Ein-
führung eines kompletten Onlineantrags beim BAföG?

27. Wann wird die flächendeckende Einführung des kompletten Onlineantrags
beim BAföG in allen Bundesländern abgeschlossen sein?

28. Inwiefern sorgen Bund und Länder dafür, dass bei der Einführung des elek-
tronisch gestützten BAföG-Antragsverfahrens den Anforderungen des Da-
tenschutzes genügt wird?

29. Welche Datenschutzbeauftragten sind in die Einführung des elektronisch
gestützten BAföG-Antragsverfahrens einbezogen, und wie lauten die Stel-
lungnahmen bzw. Empfehlungen, die einzelne Datenschutzbeauftragte ab-
gegeben haben?

30. Wie ist der Stand der Entwicklung des E-Government-Gesetzes, mit dem
unter anderem die elektronische Unterschrift eingeführt werden soll, und
welcher Standard bei der elektronischen Unterschrift soll gelten, damit Da-
ten- und Fälschungssicherheit gewährleistet sind?

31. Wird es bei der Lösung im E-Government-Gesetz um eine ausschließliche
Zugangsmöglichkeit per DE-Mail gehen, und weshalb hält die Bundesregie-
rung eine solche eingleisige und voraussichtlich mit großen Akzeptanzpro-
blemen bei den Studierenden einhergehende Lösung für ausreichend?

32. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Kritik von
Studierenden, die die erneute Abfrage von persönlichen Daten bei jedem
BAföG-Weiterförderungsantrag für eine unnötige Bürde halten, und plant
die Bundesregierung an dieser Stelle Entlastungen zugunsten der BAföG-
Antragsteller?

Verständlichkeit von Formularen und Bescheiden

33. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Kritik von Studie-
rendenvertretern, dass trotz Überarbeitung, Formulare und Bescheide wei-
terhin nicht spürbar einfacher und verständlicher geworden sind?

34. Wann wird die Bundesregierung eine erneute Überarbeitung der bundesweit
einheitlichen BAföG-Antragsformulare starten und abschließen, um die
Zahl unvollständiger Anträge und aufwendiger Rückfragen zurückzudrän-
gen und die Dauer der Antragsbearbeitung zu verkürzen?

35. In welchem Umfang werden bei einer neuerlichen Überarbeitung der
BAföG-Antragsformulare die Erläuterungsfelder mit praktischen Beispie-
len versehen?

Inhalte und Zeitplan der 25. BAföG-Novelle

36. Warum hat die Bundesregierung die Vorschläge des NKR zur Entbürokrati-
sierung des BAföG, die im März 2010 veröffentlicht wurden, abgesehen
von der pauschalen Berechnung des Mietkostenzuschusses und dem Ver-
zicht auf Sprachnachweise beim Auslands-BAföG nicht aufgegriffen?

37. Macht sich die Bundesregierung die Forderung des NKR nach einer
25. BAföG-Novelle noch in dieser Wahlperiode zu eigen, und welche der in
den Fragen 5 bis 12 genannten Maßnahmen zur Entbürokratisierung des
BAföG wird diese Novelle beinhalten?

38. Welche weiteren gesetzlichen Änderungen und Verbesserungen beim BAföG
plant die Bundesregierung in dieser Wahlperiode in das parlamentarische

Verfahren einzubringen, und wie lautet der Zeitplan (Referentenentwurf,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/10913

Kabinettsbeschluss, Beratung im Plenum, Sachverständigenanhörung im
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des
Deutschen Bundestages, Befassung im Bundesrat etc.)?

Berlin, den 1. Oktober 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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