BT-Drucksache 17/10842

Keine Rüstungsexporte als Instrument der Außenpolitik - Exportverbot jetzt durchsetzen

Vom 26. September 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10842
17. Wahlperiode 26. 09. 2012

Antrag
der Abgeordneten Jan van Aken, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz,
Sevim Dag˘delen, Dr. Diether Dehm, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger,
Andrej Hunko, Harald Koch, Stefan Liebich, Niema Movassat, Thomas Nord,
Paul Schäfer (Köln), Alexander Ulrich, Kathrin Vogler, Katrin Werner
und der Fraktion DIE LINKE.

Keine Rüstungsexporte als Instrument der Außenpolitik – Exportverbot jetzt
durchsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Rüstungsexporte sind immer ein Beitrag zu Krieg, Zerstörung und Tod und sind
deshalb aus ethischen Gründen abzulehnen.

Seit der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland ist der Export von
Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern ein Instrument der deutschen Au-
ßen- und Sicherheitspolitik. So trugen die verschiedenen Bundesregierungen
mit ihren Exportgenehmigungen und Exportkrediten maßgeblich zum Aufbau
der Rüstungsindustrien der Türkei, Irans und Pakistans bei, um diese Staaten als
Frontstaaten im Kalten Krieg zu bewaffnen. Als Teil der „Wiedergutmachungs-
politik“ und zur Erweiterung der militärischen Schlagkraft erhielt Israel seit den
60er-Jahren unter anderem Panzer, Schnellboote und zuletzt nuklearwaffen-
fähige U-Boote. Waffentechnologie aus Deutschand wurde in der Folge in einer
Vielzahl von bewaffneten Konflikten eingesetzt, unter anderem in den indisch-
pakistanischen Kriegen 1965 und 1971, im Iran-Irak-Krieg 1980 bis 1988, im
Konflikt der türkischen Regierung mit den Kurden und den militärischen Aus-
einandersetzungen Israels.

Rüstungsexporte sind ein völlig untaugliches Mittel der Außen- und Sicherheits-
politik:

1. Regelmäßig wurden die deutschen Rüstungsexporte zum Bumerang: Der Iran
produziert bis heute G3-Sturmgewehre aus deutscher Entwicklung und lie-
ferte bzw. liefert sie in alle Welt, unter anderem nach Bosnien und in den
Sudan. Auch Pakistan exportiert das G3-Sturmgewehr weiter. Und in Afgha-
nistan steht die Bundeswehr mittlerweile Taliban und anderen Aufständischen
gegenüber, die über dunkle Kanäle mit deutschen Waffen versorgt wurden

und sie gegen die Bundeswehr einsetzen (Antwort der Bundesregierung auf
die Kleine Anfrage „Sicherstellung von Waffen und Munition in Afghanistan
durch die ISAF und afghanische Sicherheitskräfte“, Bundestagsdrucksache
17/10413). Die letztliche Verwendung der exportierten Waffen im Sinne des
Lieferstaates ist nicht zu garantieren, das Risiko ihres Einsatzes in Angriffs-
kriegen, Bürgerkriegen und zur internen Repression ist stets gegeben. Darü-
ber hinaus ist die illegale Weitergabe von Rüstungsgütern nicht zu verhindern.

Drucksache 17/10842 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Der Ankauf von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern birgt zugleich
die Gefahr der Militarisierung einer Gesellschaft und der Fehlallokation von
häufig geringen finanziellen, aber auch personellen Ressourcen zuungunsten
von wirtschaftlicher, sozialer und gesellschaftlicher Entwicklung. Die De-
stabilisierung ganzer Gesellschaften mit all ihren negativen Auswirkungen
auf das Land selbst, auf die Nachbarstaaten, aber auch auf die Staatenwelt als
Ganzes kann die Folge sein. Letztlich besteht stets auch die Gefahr eines
Machtwechsels im importierenden Land, was die weitere Nutzung der deut-
schen Rüstungsgüter vollständig unkalkulierbar werden lässt.

3. Gleichzeitig lassen sich die Folgen von Rüstungsexporten auf die Bedro-
hungswahrnehmung dritter Staaten nicht abschätzen. Die Reaktion kann von
einer nicht kooperativen Politik über eigene Aufrüstungsanstrengungen bis
hin zu militärischen Präventivaktionen reichen.

4. Unabhängig von diesen Risiken unterminiert der Rüstungsexport die Glaub-
würdigkeit der deutschen Außenpolitik. Forderungen der Bundesregierung
nach friedlicher Beilegung von Konflikten oder Bekenntnisse zu einer werte-
basierten Außenpolitik sind letztlich nicht in Einklang zu bringen mit dem
Export vom Rüstungsgütern und zeugen von einer Doppelmoral.

Insofern sind Rüstungsexporte nicht nur ethisch verwerflich, sondern auch ein
sehr kurzsichtiges Mittel der Außenpolitik, das sich schnell ins Gegenteil ver-
kehren kann.

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel legte im September des vergangenen Jahres
in ihrer Rede zum 50. Geburtstag des Bergedorfer Gesprächskreises ihre außen-
und sicherheitspolitische Grundkonzeption dar. Dabei erläuterte sie, dass es
nicht ausreiche, Länder und Organisationen, die in Konflikte eingreifen wollen,
mit Worten zu ermutigen: „Wir müssen die Staaten, die bereit sind, sich zu
engagieren, auch dazu befähigen. Ich sage ausdrücklich: Das schließt auch den
Export von Waffen mit ein“ (www.bundeskanzlerin.de/Content/DE/Rede/2011/
09/2011-09-09-rede-merkel-au%C3%9Fen-u-sicherheitspolitik.html).

Bekannt gewordene Rüstungsexportgenehmigungen der jüngsten Zeit zeigen,
dass diese Konzeption umgesetzt wird und dass mit ihr eine Ausweitung des
deutschen Waffenexports verbunden ist. So genehmigte die Bundesregierung
2011 den Export von bis zu 270 Kampfpanzern des Typs Leopard 2A7+ nach
Saudi-Arabien, und das mitten im arabischen Frühling, kurz nachdem saudische
Streitkräfte in das Nachbarland Bahrain einmarschiert waren. Saudi-Arabien,
von der Bundesregierung zum strategischen Partner erkoren und zur „regionalen
Führungsmacht“ geadelt, wird von Deutschland jedoch nicht nur mit Panzern
ausgerüstet, die in ihrer Konfiguration zur Niederschlagung von Rebellionen ge-
eignet sind. Aus Deutschland bezieht das Königreich auch Luftabwehrsysteme
und Marineausrüstung; Rüstungsgüter, die das Land in seinem Kampf mit dem
Iran um die regionale Vormachtstellung stärken.

In jüngster Zeit wurden auch Genehmigungen für Rüstungsexporte nach
Algerien bekannt, die offenbar genau so der Konzeption der Bundeskanzlerin,
Dr. Angela Merkel, folgen, Mächte gezielt aufzurüsten. So soll Algerien Fre-
gatten der MEKO-Klasse und ein Grenzsicherungssystem aus Deutschland be-
ziehen. Darüber hinaus wird die Rüstungsindustrie des Landes mit deutscher
Hilfe massiv ausgebaut. Gegenwärtig bauen deutsche Rüstungsunternehmen
Fertigungslinien für eine Reihe von Militärfahrzeugen auf, darunter für den Rad-
panzer Fuchs 2.

Die Bundesregierung geht mit solchen massiven Rüstungsexporten erhebliche
Risiken ein: Menschenrechtsverletzungen, militärische Eskalation, Militarisie-
rung, Destabilisierung, Rüstungsspiralen und eigener Glaubwürdigkeitsverlust

drohen bzw. sind unausweichlich. Tragfähige und dauerhafte Konfliktlösungen
sind hingegen durch Rüstungsexporte nicht zu erreichen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10842

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich zu Beginn der 50er-Jahre für die Wie-
derbewaffnung entschieden. Mit dem „Ja“ zur Aufstellung der Bundeswehr ging
auch unausgesprochen ein „Ja“ zum Export von Rüstungsgütern einher. Japan,
neben dem Deutschen Reich Hauptschuldiger am Zweiten Weltkrieg, hat eine
andere Lehre aus der eigenen Vergangenheit gezogen. Zwar unterhält Japan
Streitkräfte, exportiert aber, von geringen Ausnahmen abgesehen, im völligen
Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland keine Waffen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. Rüstungsexporte nicht als Mittel der Außenpolitik einzusetzen,

2. keine Genehmigungen für den Export von Rüstungsgütern mehr zu erteilen
sowie auf den Export von Rüstungsgütern aus Überschussbeständen der Bun-
deswehr zu verzichten,

3. ein Konversionsprogramm für die exportorientierte Rüstungsindustrie anzu-
stoßen und dafür die benötigten finanziellen Mittel bereitzustellen und

4. sich dafür einzusetzen, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union
ebenfalls ihre Rüstungsexporte einstellen.

Berlin, den 26. September 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.