BT-Drucksache 17/10440

Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen

Vom 8. August 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10440
17. Wahlperiode 08. 08. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kathrin Vogler, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, Ulla Jelpke,
Jens Petermann, Yvonne Ploetz, Kathrin Senger-Schäfer, Dr. Petra Sitte,
Frank Tempel, Halina Wawzyniak, Harald Weinberg, Sabine Zimmermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen

Laut dem Bundesgerichtshof (BGH) ist die „Bestechung“ von niedergelassenen
Vertragsärztinnen und -ärzten durch die Pharmaindustrie nicht strafbar. Er ent-
schied am 29. März 2012, dass die geltenden Straftatbestände der §§ 299 und
331 ff. des Strafgesetzbuches (StGB) nicht anwendbar sind, wenn Vertrags-
ärztinnen und -ärzte von einem Pharmaunternehmen Vorteile als Gegenleistung
für die Verordnung von Arzneimitteln dieses Unternehmens entgegennehmen
(BGH, Beschluss vom 29. März 2012, Az. GSSt 2/11).

Nach dem Beschluss des BGH müssen jetzt bundesweit mehr als 3 400 Ermitt-
lungsverfahren gegen Vertragsärzte und Pharmareferenten wegen Bestechlichkeit
und Bestechung eingestellt werden (DER SPIEGEL, 26/2012, S. 74). Darunter
sind Fälle, in denen einem Vertragsarzt sogar bis zu 500 000 Euro gezahlt wurden
(dpa-Meldung vom 4. Juli 2012).

Allerdings wies der BGH die Entscheidung darüber, ob korruptives Verhalten
im Gesundheitswesen strafwürdig ist und zukünftig mittels neu zu schaffender
Straftatbestände verfolgt werden sollte, ausdrücklich zurück an den Gesetz-
geber.

Folgt man der Ansicht der Bundesregierung, gibt es bereits heute im Sozialrecht
verschiedene Regelungen, zum Beispiel § 128 des Fünften Buches Sozialgesetz-
buch (SGB V), die bei einem Fehlverhalten ein schnelles Reagieren und emp-
findliche Sanktionen ermöglichten. Dies sei „ebenso wirksam wie die Auf-
nahme eines neu definierten Straftatbestands in das Strafgesetzbuch“ (vgl. Bun-
destagsdrucksache 17/9587 vom 9. Mai 2012).

Die Regelung der unzulässigen Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringe-
rinnen und -erbringern auf der einen Seite und Vertragsärztinnen und -ärzten
auf der anderen Seite wurde im Jahr 2009 in den § 128 SGB V aufgenommen
und seitdem mehrfach geändert. Er betraf ursprünglich die Hilfsmittelversor-
gung und wurde später auch unter anderem auf die Arzneimittelversorgung
nach § 31 SGB V ausgeweitet. Der § 128 SGB V wird allerdings schon heute

wegen seiner mangelnden Wirksamkeit kritisiert, was vor allem mit fehlenden
Ermittlungs- und Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen begründet wird.

So hat der GKV-Spitzenverband in seiner Stellungnahme zum GKV-Versor-
gungsstrukturgesetz (GKV-VStG) vom 13. Oktober 2011 begründet, warum die
eigenständige sozialrechtliche Ahndung von Verstößen gemäß § 128 Absatz 3
SGB V aus der Perspektive der insoweit zuständigen Krankenkassen gegen-
wärtig weitgehend ins Leere läuft (vgl. Ausschussdrucksache 17(14)0188(59)1
vom 14. Oktober 2011, S. 139 f.).

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Aber auch die berufsrechtliche Verfolgung der insoweit korrespondierenden
Verstöße gegen die (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärz-
tinnen und Ärzte weist – entgegen den offiziellen Verlautbarungen der Bundes-
ärztekammer – offensichtlich deutliche Vollzugsdefizite auf. So schlussfolgerte
die „Berliner Zeitung“ in dem Beitrag „Bestechende Aussichten für Mediziner“
vom 17. Juli 2012 nach dem Ergebnis eigener Befragungen bei allen Landes-
ärztekammern zusammenfassend: „Die, die sanktionieren sollen, haben kaum
Ermittlungsmöglichkeiten. Und diejenigen, die für Ermittlungen mit schlag-
kräftigen Instrumentarien ausgestattet wären, dürfen diese nach der Grundsatz-
entscheidung des BGH zukünftig nicht mehr anwenden.“

Besonders der als effektive Sanktionsmöglichkeit benannte Widerruf der
Approbation (§ 5 Absatz 2 der Bundesärzteordnung) komme verwaltungsprak-
tisch fasst gar nicht vor. Nur in Bayern sei in den vergangenen fünf Jahren ei-
nem Arzt die Approbation entzogen worden. Zur Begründung wird die Gesund-
heitsbehörde im Bundesland Bremen zitiert: „Die Hürden für den Entzug einer
Approbation durch die Gesundheitsbehörde des Landes sind hoch, weil die
Maßnahme in die Berufsfreiheit eingreift. Es muss ein Strafbefehl oder ein
Strafurteil vorliegen.“ Zu den für den Approbationsentzug nötigen Strafurteilen
kommt es aber nur, wenn die Staatsanwaltschaften überhaupt ermitteln. Wo es
keine Ermittlungen der Staatsanwaltschaften mehr gibt, gibt es zukünftig also
auch keine Strafbefehle oder Strafurteile und damit auch keinen Widerruf der
Approbation.

Im Mittelpunkt einer ärztlichen Behandlung sollte das Wohl der Patientin bzw.
des Patienten stehen. Doch immer wieder zeigt sich, dass die Patientenversor-
gung nicht allein aus medizinischen Gründen erfolgt, sondern auch durch Ein-
kommensanreize bestimmt wird. So haben Behandlungen, deren medizinischer
Nutzen nicht belegt ist und die daher nicht von den gesetzlichen Krankenkassen
übernommen werden (z. B. die Individuellen Gesundheitsleistungen – IGeL), in
den letzten Jahren deutlich zugenommen und werden vorwiegend besser verdie-
nenden Patientinnen und Patienten angeboten. Kürzere Wartezeiten von privat
Versicherten wurden statistisch verifiziert und erklären sich vor allem durch die
höhere Vergütung. Ebenso gelangen Berichte über die unzulässige Vermittlung
von Spenderorganen oder die Einflussnahme der Pharmaindustrie auf Ärztinnen
und Ärzte an die Öffentlichkeit. Diese und andere Berichte lassen Zweifel auf-
kommen, ob tatsächlich in jedem Fall allein die bestmögliche Versorgung im
Mittelpunkt der Behandlung steht.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Vorfälle waren Anlass für die Formulierung des § 128 SGB V „Un-
zulässige Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern und Vertrags-
ärzten“ in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisa-
tionsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG)
vom 15. Dezember 2008?

Welche politische Intention wurde verfolgt?

2. Welche Vorfälle waren Anlass für die Änderung des § 128 SGB V in der
Fassung der 15. Arzneimittelgesetz-Novelle vom 17. Juli 2009?

Welche Vorfälle waren insbesondere Anlass für die Formulierung des Absat-
zes 6?

Welche politische Intention wurde verfolgt?

3. Welche Vorfälle waren Anlass für die Änderung des § 128 SGB V in der
Fassung des GKV-VStG vom 22. Dezember 2011?
Welche politische Intention wurde verfolgt?

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4. Welche Wirkung hat der § 128 SGB V nach Ansicht der Bundesregierung
seit 2009 entfaltet?

Wie hat sich insbesondere das Verhältnis der pharmazeutischen Unterneh-
mer zu niedergelassenen Vertragsärztinnen und -ärzten verändert (bitte mit
Zahlen belegen)?

5. Welche sozialgesetzlichen Konsequenzen sind möglich, wenn Vertragsärz-
tinnen und -ärzte von einem nichtärztlichen Leistungserbringer oder Phar-
maunternehmen Vorteile als Gegenleistung für die Verordnung von Arznei-
mitteln bzw. Leistungen entgegennehmen?

6. Wie häufig wurden den Krankenkassen Verstöße gegen die Absätze 2
und 6 des § 128 SGB V seit 2009 bekannt (bitte jeweils nach Jahren auf-
schlüsseln)?

7. Wie häufig wurden nichtärztliche Leistungserbringerinnen und -erbringer
von der Versorgung der Versicherten durch die Kassen im Sinne des § 128
Absatz 3 Satz 2 SGB V ausgeschlossen (bitte jeweils Berufsgruppe, Jahr
und Art des Verstoßes angeben)?

8. Wie oft wurden andere Sanktionen gemäß § 128 Absatz 3 SGB V verhängt
(bitte nach Art der Sanktion, Jahr und Art des Verstoßes aufschlüsseln)?

9. Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus dem genannten BGH-
Beschluss vom 29. März 2012?

Stimmt die Bundesregierung mit dem Großen Senat des BGH überein, der
„die grundsätzliche Berechtigung des Anliegens, Missständen, die – allem
Anschein nach – gravierende finanzielle Belastungen des Gesundheits-
systems zur Folge haben, mit Mitteln des Strafrechts effektiv entgegenzu-
treten“, anerkennt?

10. Sieht die Bundesregierung die Vorteilsannahme durch Vertragsärztinnen
und -ärzte als Gegenleistung für die Verordnung von bestimmten Arznei-
mitteln als strafwürdig an?

Falls ja, plant sie eine entsprechende Gesetzesinitiative?

11. Sieht die Bundesregierung die Vorteilsgewährung durch die Pharmaindus-
trie und andere Unternehmen als Gegenleistung für die Verordnung von be-
stimmten Arzneimitteln als strafwürdig an?

Falls ja, plant sie eine entsprechende Gesetzesinitiative?

12. Stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass § 128 Absatz 3 SGB V
nur zur Sanktionierung nichtärztlicher Leistungserbinger herangezogen
werden kann und Ärztinnen und Ärzte insbesondere durch die in den Ab-
sätzen 1, 2, 5, 5a, 5b und 6 genannten korruptiven Verhaltensweisen nicht
nach Absatz 3 belangt werden können?

13. Wie viele und welche Verträge nach § 128 Absatz 6 SGB V in Verbindung
mit Absatz 3 wurden abgeschlossen?

14. Welche tatsächlichen Ermittlungskompetenzen haben die bei allen Kran-
kenkassen eingerichteten Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im
Gesundheitswesen gemäß § 197a SGB V, um einen Verdacht des Verstoßes
gegen § 128 SGB V wirksam zu verfolgen?

15. Welche tatsächlichen Ermittlungskompetenzen haben die bei allen kassen-
ärztlichen Vereinigungen eingerichteten Stellen zur Bekämpfung von Fehl-
verhalten im Gesundheitswesen gemäß § 81a SGB V, um einem Verdacht
des korruptiven Verhaltens niedergelassener Vertragsärztinnen und -ärzte

nachzugehen?

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16. Welche Vorfälle waren Anlass für die Einführung des § 73 Absatz 7 SGB V
in der Fassung des GKV-VStG vom 22. Dezember 2011 angesichts der
Tatsache, dass es bereits seit vielen Jahren das Verbot der Zuweisung gegen
Entgelt in § 31 der (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen
Ärztinnen und Ärzte gibt?

Welche politische Intention wurde verfolgt?

17. Wie häufig wurde Ärztinnen und Ärzten aufgrund von Verstößen gegen
vertragsärztliche Pflichten die Zulassung gemäß § 95 Absatz 6 SGB V in
den letzten fünf Jahren entzogen (bitte jeweils nach Bundesland aufschlüs-
seln)?

18. Welche berufsrechtlichen Konsequenzen sind nach Kenntnis der Bundes-
regierung möglich, wenn Vertragsärztinnen und -ärzte von einem nicht-
ärztlichen Leistungserbringer oder Pharmaunternehmen Vorteile als Ge-
genleistung für die Verordnung von Arzneimitteln dieses Unternehmens
entgegennehmen?

19. Wie oft wurden nach Kenntnis der Bundesregierung durch die zuständigen
Landesärztekammern eigenständig berufsrechtliche Verfahren wegen des
Verstoßes gegen die §§ 31 und 34 Absatz 5 der (Muster-)Berufsordnung
eingeleitet (bitte jeweils nach Bundesland für die letzten fünf Jahre auf-
schlüsseln)?

Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus diesen Zahlen
angesichts der Tatsache, dass allein im Zusammenhang mit dem sog. Ratio-
pharm-Skandal bundesweit Ermittlungsverfahren gegen 3 000 Vertrags-
ärzte eingeleitet wurden?

20. Wie oft wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Zusammenhang
mit dem Ratiopharm-Skandal von den zuständigen Landesärztekammern
berufsrechtliche Sanktionen wegen Verstößen gegen die §§ 31 und 34 Ab-
satz 5 der (Muster-)Berufsordnung verhängt (bitte jeweils nach Bundesland
für die letzten fünf Jahre aufschlüsseln)?

21. Welche tatsächlichen Ermittlungskompetenzen haben die zuständigen Lan-
desärztekammern, um einen Verstoß gegen die §§ 31 und 34 Absatz 5 der
(Muster-)Berufsordnung wirksam zu verfolgen?

22. Sind berufsrechtliche Sanktionen bei korruptivem Verhalten von Vertrags-
ärzten nach Ansicht der Bundesregierung angemessen und sachgerecht,
wenn „ein nennenswerter Teil der Ärzte, nämlich nicht nur einige wenige
Prozente, sagen, sie kennen diese Berufsordnung auch gar nicht in dieser
Hinsicht und es interessiert sie eigentlich auch nicht, was drin steht“ (Zitat:
Prof. Dr. Kai Bussmann in „REPORT MAINZ“, 3. Juli 2012, unter Hin-
weis auf die veröffentlichten wesentlichen Ergebnisse seiner vom GKV-
Spitzenverband in Auftrag gegebenen Studie)?

23. Unter welchen Voraussetzungen kommt es nach Kenntnis der Bundesre-
gierung bei einem Verstoß gegen die §§ 31 und 34 Absatz 5 der (Mus-
ter-)Berufsordnung zu einem Widerruf der Approbation durch die zustän-
dige Landesbehörde?

24. Welche Ermittlungsmöglichkeiten haben die zuständigen Landesbehörden,
um einem möglichen Verstoß gegen die §§ 31 und 34 Absatz 5 der (Mus-
ter-)Berufsordnung nachzugehen?

25. Wie häufig ist nach Kenntnis der Bundesregierung eine Approbation in den
letzten fünf Jahren tatsächlich widerrufen worden (bitte nach Bundesland
und Jahren aufschlüsseln)?

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26. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein für einen Entzug der Kassen-
zulassung gemäß § 95 Absatz 6 SGB V durch den zuständigen Zulassungs-
ausschuss?

27. Wie häufig ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Kassenzulassung in
den letzten fünf Jahren tatsächlich entzogen worden (bitte aufschlüsseln
nach Bundesland und Jahren)?

28. Stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass nach den Berufsordnun-
gen die Ärztinnen und Ärzte verpflichtet sind, in allen vertraglichen und
sonstigen beruflichen Beziehungen zu Dritten ihre ärztliche Unabhängig-
keit für die Behandlung der Patientinnen und Patienten zu wahren (ent-
spricht § 30 der (Muster-)Berufsordnung)?

29. Stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass Pharmaunternehmen vor
allem deshalb Vorteile gewähren, weil sie dadurch eine häufigere Ver-
schreibung ihrer Präparate erreichen wollen?

30. Welche Auswirkungen auf die Qualität und die Wirtschaftlichkeit der Ver-
ordnungen sind nach Kenntnis der Bundesregierung zu erwarten, wenn
Ärztinnen und Ärzte Vorteile von der Pharmaindustrie entgegennehmen?

31. Welches Schutzgut rechtfertigt das Verbot der Vorteilsannahme bzw. Vor-
teilsgewährung bei Amtsträgern und Amtsträgerinnen?

Ist dieses Schutzgut nach Ansicht der Bundesregierung höher zu werten als
die Behandlungsqualität oder die finanzielle Stabilität der gesetzlichen
Krankenkassen?

32. Haben nach Ansicht der Bundesregierung niedergelassene Ärztinnen und
Ärzte gegenüber den Krankenkassen eine finanzielle Verantwortung?

Falls ja, worin drückt sich diese Verantwortung aus, und welche Konse-
quenzen ergeben sich daraus?

33. Wie groß ist der Anteil der ärztlichen Fortbildungen, die nach Einschät-
zung der Bundesregierung von der Pharma- oder Medizinprodukteindustrie
ganz oder teilweise bezahlt werden?

34. Hält die Bundesregierung die fachliche Unabhängigkeit von Fortbildungs-
veranstaltungen für prinzipiell gefährdet, wenn diese von der Industrie be-
zahlt werden?

35. Wie bewertet die Bundesregierung die Information von Ärztinnen und
Ärzten über Arzneimittel durch Pharmareferentinnen und -referenten der
Industrie nach ihrer Kenntnis hinsichtlich der Qualität und Vollständigkeit
(unerwünschte Wirkungen, Behandlungsalternativen)?

36. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus Untersuchun-
gen, denen zufolge die Verzerrung von medizinischen Informationen mit
der Höhe des Industriesponsorings an einer Fortbildungsveranstaltung zu-
nimmt (vgl. Archives of Internal Medicine 2011; 171:840-46)?

37. Sind der Bundesregierung die Regelungen zur Transparenz im Verhältnis
zwischen Industrie und Ärztinnen sowie Ärzten bekannt, die mit der US-
amerikanischen Gesundheitsreform 2009 eingeführt wurden?

Was beinhalten diese Regelungen, und welche Schlussfolgerung zieht die
Bundesregierung aus diesen?

Inwieweit sind die Transparenzberichte über Zuwendungen von der Indus-
trie, die in den USA demnächst veröffentlicht werden müssen, auch in
Deutschland einführbar?

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38. Welche Maßnahmen aus anderen Staaten sind der Bundesregierungen be-
kannt, die das Marketing durch Pharmareferentinnen und -referenten ein-
schränken oder verhindern sollen?

39. Sind der Bundesregierung Studien oder Befragungen bekannt, in denen
untersucht wurde, wie groß der Anteil der Industrie am vermittelten Wissen
an Ärztinnen und Ärzte über neue Arzneimittel ist?

Falls ja, was sind die Ergebnisse, und welche Schlussfolgerungen zieht die
Bundesregierung daraus?

40. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Urteil des
Verwaltungsgerichts Berlin, bei dem Transparency International Deutsch-
land e. V. die Herausgabe der bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
gesammelten Daten über die verschriebenen Medikamente, die Anzahl der
betroffenen Patienten, die Anzahl der verschreibenden Ärzte und die Höhe
der an sie gezahlten Honorare erstritten hat (VG Berlin, Urteil vom 1. Juni
2012, Az. VG 2 K 177.11)?

41. Wie viel Geld haben Ärztinnen und Ärzte nach Kenntnis der Bundesregie-
rung für die Durchführung von Anwendungsbeobachtungsstudien in den
letzten fünf Jahren erhalten?

42. Gelten die Vorschriften des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes
(AMNOG) bezüglich der Registrierung und Veröffentlichung von Studien
auch für Anwendungsbeobachtungsstudien?

Falls nein, warum wurden die entsprechenden Vorschriften nicht auch dar-
auf erstreckt, und plant die Bundesregierung eine diesbezügliche Gesetzes-
änderung?

43. Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus Vorwürfen, denen
zufolge Anwendungsbeobachtungsstudien „eine Form legalisierter Korrup-
tion“ seien und „nur Marketingzwecken dienen“ (siehe Pressenmitteilung
Transparency International vom 11. Juni 2012)?

44. Inwiefern hält es die Bundesregierung für wünschenswert, die Einfluss-
nahme z. B. der Pharmaindustrie auf das Verordnungsverhalten von Ärztin-
nen und Ärzten weitestmöglich zu begrenzen?

45. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um diese Beschränkung
der Einflussnahme zu gewährleisten?

Sind insbesondere Beschränkungen der Werbemöglichkeiten für Arznei-
mittel bei Fachkreisen, Beschränkungen bei Pharmareferentinnen und
- referenten, die weitgehende Beschränkung von Anwendungsbeobach-
tungsstudien und Vorgaben zur Transparenz bei Veranstaltungssponsoring
geplant?

46. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse über den Geldbetrag der Vorteile
und Vergünstigungen, die insgesamt in Deutschland für die Verordnung
von bestimmten Arzneimitteln gewährt und entgegengenommen werden?

Wenn ja, wie hoch beziffert sie diesen?

47. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen Ärztinnen und Ärzte
oder ihre Familienangehörigen stille Beteiligungen an Unternehmen ande-
rer Leistungserbringerinnen und -erbringer halten und so an der ärztlichen
Überweisung mitverdienen?

Falls ja, wie beurteilt die Bundesregierung dies, und hält sie die Unabhän-
gigkeit der ärztlichen Entscheidungen dadurch für gefährdet?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/10440

48. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen Ärztinnen und Ärzte
oder ihre Familienangehörigen aktive Beteiligungen an Unternehmen an-
derer Leistungserbringerinnen und -erbringer halten und so an der ärzt-
lichen Überweisung mitverdienen?

Falls ja, wie beurteilt die Bundesregierung dies, und hält sie die Unabhän-
gigkeit der ärztlichen Entscheidungen dadurch für gefährdet?

49. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen Vertragsärztinnen und
- ärzte von anderen Leistungserbringerinnen und -erbringern (zum Beispiel
von Ergo- bzw. Physiotherapeutinnen und -therapeuten, Logopädinnen und
Logopäden) materielle Zuwendungen für ausgestellte Rezepte einfordern
oder angeboten bekommen?

Von welchen Leistungserbringerinnen und -erbringern ist das bekannt, und
wie bewertet die Bundesregierung dieses Verhalten?

50. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen Vertragsärztinnen und
- ärzte von anderen Unternehmen (Labore, medizinisch-technisches Hand-
werk etc.) materielle Zuwendungen oder Vergünstigungen für Aufträge
einfordern oder angeboten bekommen?

Von welchen Unternehmen ist das der Bundesregierung bekannt, und wie
bewertet die Bundesregierung dieses Verhalten?

51. In welchen Fällen dürfen Ärztinnen und Ärzte Empfehlungen für andere
Leistungserbringerinnen und -erbringer abgeben?

Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob und in welchem
Maße diese Vorgaben eingehalten oder missachtet werden?

Berlin, den 8. August 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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