BT-Drucksache 17/10438

Möglichkeiten und Grenzen des Ankaufs von Steuer-CDs durch deutsche Finanzbehörden

Vom 8. August 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10438
17. Wahlperiode 08. 08. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann,
Lisa Paus, Dr. Harald Terpe und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Möglichkeiten und Grenzen des Ankaufs von Steuer-CDs durch deutsche
Finanzbehörden

Deutsche Finanzbehörden haben in der Vergangenheit mehrfach vornehmlich
aus der Schweiz stammende Daten-CDs mit Informationen über Vermögens-
werte deutscher Staatsbürger erworben. Ziel des Erwerbs derartiger CDs war
die Aufdeckung von begangenen Steuerstraftaten. Der CD-Ankauf wurde in
Presse und Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Hierbei traten auch ver-
fassungsrechtliche Bedenken gegen einen CD-Ankauf in den Vordergrund. Mit
der Unterzeichnung des Steuerabkommens mit der Schweiz soll nach Ansicht
der Bundesregierung zukünftig der Erwerb von Daten-CDs überflüssig werden,
da das Abkommen eine umfassende Besteuerung sicherstellen soll. Gleichwohl
haben bereits die Finanzminister mehrerer Bundesländer angekündigt, dem
Umsetzungsgesetz zum Steuerabkommen mit der Schweiz im Bundesrat nicht
zustimmen zu wollen. Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob und wann
überhaupt das Steuerabkommen mit der Schweiz in Kraft treten wird. Jüngst
wurden durch das Bundesland Nordrhein-Westfalen weitere Daten-CDs mit
steuerrelevanten Informationen angekauft. Dies hat erneut eine heftige Diskus-
sion über die Rechtmäßigkeit derartiger CD-Ankäufe auch vor dem Hinter-
grund des unterzeichneten Steuerabkommens mit der Schweiz ausgelöst.

Wir fragen daher die Bundesregierung:

1. Von wie vielen CD-Ankäufen mit Daten über steuerrelevante Sachverhalte
(im Folgenden Daten-CDs) hat die Bundesregierung Kenntnis (bitte mit
Nennung des Ankaufsdatums, Nennung der federführenden Behörde des
Ankaufs, Nennung des Ankaufspreises ggf. unter Berücksichtigung der
Kostenverteilung auf jeweilige Bundesländer und Bund)?

2. Inwiefern hatte die Bundesregierung konkret vor Ankauf von Daten-CDs
durch das Land Nordrhein-Westfalen (vgl. FAZ vom 18. Juli 2012, Nord-
rhein-Westfalen kauft noch eine Steuer-CD) Kenntnis von diesem Ankauf?

3. Bei wie vielen CD-Ankäufen gemäß Frage 1 hat die Bundesregierung aktiv
mitgewirkt (bitte mit Darstellung der konkreten Mitwirkung und der Höhe

der Kosten für den Bund)?

4. Aus welchen konkreten Erwägungen heraus hat die Bundesregierung bei den
in den Fragen 1 bis 3 genannten Ankäufen von Daten-CDs eine aktive Teil-
nahme bzw. eine anteilige Kostenübernahme vollzogen?

Drucksache 17/10438 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Wie bewertet die Bundesregierung den Ankauf von CDs mit Daten über
steuerrelevante Sachverhalte verfassungsrechtlich und strafrechtlich, auch
vor dem Hintergrund einer möglicherweise illegalen Beschaffung im Her-
kunftsland der Daten und einer Verwertung entsprechender Informationen?

6. Wie bewertet die Bundesregierung den Ankauf von CDs mit Daten über
steuerrelevante Sachverhalte verfassungsrechtlich und strafrechtlich für die
erwerbenden Personen, auch vor dem Hintergrund einer möglicherweise
illegalen Beschaffung im Herkunftsland der Daten?

7. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung getroffen bzw.
wird sie treffen, um Mitarbeiter deutscher Steuerbehörden vor ausländi-
scher Strafverfolgung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Daten-CDs
zu schützen (bitte mit Begründung)?

8. Nach welcher Maßgabe und auf welcher Rechtsgrundlage werden die
Kosten eines Daten-CD-Ankaufs auf Bund und Länder verteilt?

9. Wird sich die Bundesregierung auch zukünftig an den Kosten für den Erwerb
von Daten-CDs beteiligen, bzw. von welchen konkreten Erwägungen wird
die Bundesregierung ihre Entscheidung abhängig machen?

10. Nach welcher Maßgabe wird das steuerliche Mehrergebnis, das sich durch
die Auswertung von Daten-CDs infolge der Nacherhebung von Steuern bei
bisher unversteuerten Vermögenswerten ergibt, auf Bund und Länder aufge-
teilt (bitte nach Steuerart und steuerlichen Nebenleistungen differenzieren)?

11. Wie ist die Zahlung für den Ankauf von Daten-CDs hinsichtlich der darauf
anfallenden Steuern bei dem Verkäufer im Zuge einer beschränkten oder
unbeschränkten Steuerpflicht in der Bundesrepublik Deutschland zu be-
handeln (bitte nach Steuerarten differenzieren)?

12. Wurden auf Bund-Länder-Ebene vor oder nach Unterzeichnung des Steuer-
abkommens mit der Schweiz Regelungen getroffen, die bis zum Inkraft-
treten des Abkommens mit der Schweiz festlegen, ob bzw. wie zukünftig
Daten-CDs angekauft werden, und wenn ja, in welcher Form?

13. Welche Position vertritt die Bundesregierung zu zukünftigen Ankäufen von
Daten-CDs hinsichtlich einer Notwendigkeit zur Aufdeckung von Steuer-
hinterziehung?

14. Welche Möglichkeiten bestehen für die Bundesregierung, einzelnen Bundes-
ländern Vorgaben hinsichtlich des Ankaufs von Daten-CDs zu machen bzw.
derartige Ankäufe zu untersagen/zu verhindern?

15. Welche rechtliche Bedeutung und Verbindlichkeit kommt der Erklärung der
Bundesrepublik Deutschland betreffend den Erwerb entwendeter Daten
schweizerischer Bankkunden im Steuerabkommen mit der Schweiz zu
(bitte mit Begründung)?

16. Welche Rechtsfolgen bzw. Sanktionsmöglichkeiten ergeben sich, wenn die
Bundesregierung oder einzelne Landesregierungen gegen die in Frage 15
genannte Regelung verstoßen?

17. Stellt die Erklärung der Bundesrepublik Deutschland betreffend den Erwerb
entwendeter Daten schweizerischer Bankkunden im Steuerabkommen mit
der Schweiz einen bilateralen Vertrag (bzw. Teil eines Vertrags) dar, der
nach Artikel 59 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) zustimmungsbedürftig
durch den Deutschen Bundestag und den Bundesrat ist, und inwiefern kann
die Erklärung auch ohne Zustimmung durch den Deutschen Bundestag und
den Bundesrat von der Bundesregierung rechtsverbindlich gegenüber der
Schweiz abgegeben werden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10438

18. Wurde die Erklärung der Bundesrepublik Deutschland betreffend den
Erwerb entwendeter Daten schweizerischer Bankkunden im Steuerabkom-
men mit der Schweiz vor Paraphierung mit den einzelnen Bundesländern
abgestimmt bzw. mit den Bundesländern ein Einvernehmen hergestellt
(bitte mit Darstellung des Abstimmungsprozesses)?

19. Welche rechtliche Bindungswirkung ergibt sich aus der Erklärung der Bun-
desrepublik Deutschland betreffend den Erwerb entwendeter Daten schwei-
zerischer Bankkunden im Steuerabkommen mit der Schweiz vor dem Hin-
tergrund, dass einige Landesregierungen die dort geregelte Vereinbarung
nicht teilen und daher einem derartigen Vertrag nicht folgen wollen (vgl.
z. B. FAZ vom 17. Juli 2012, Nordrhein-Westfalen will weiter Steuerdaten
kaufen)?

20. Welche rechtlichen Bindungswirkungen für die Bundesrepublik Deutsch-
land und die Schweiz ergeben sich allgemein aus dem Steuerabkommen mit
der Schweiz für den Zeitraum nach der Paraphierung, aber vor Inkrafttreten
des Abkommens?

21. Welche rechtliche Bindungswirkung ergibt sich aus der Erklärung der
Bundesrepublik Deutschland betreffend den Erwerb entwendeter Daten
schweizerischer Bankkunden im Steuerabkommen mit der Schweiz für den
Zeitraum nach der Paraphierung, aber vor Inkrafttreten des Abkommens?

22. Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Schweizer Regierung (FAZ vom
18. Juli 2012, Nordrhein-Westfalen kauft noch eine Steuer-CD), dass der
kürzlich erfolgte Ankauf einer Daten-CD (nach aktuellem Verhandlungs-
und Ratifikationsstand) einen Verstoß gegen das Steuerabkommen zwischen
der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutsch-
land darstellt (bitte mit Begründung)?

23. Aus welchen Gründen bezieht sich die Erklärung der Bundesrepublik
Deutschland betreffend den Erwerb entwendeter Daten schweizerischer
Bankkunden im Steuerabkommen mit der Schweiz lediglich auf aktive und
nicht auf sämtliche Erwerbe?

24. Welche konkreten Handlungen müssen vorliegen, damit ein Ankauf einer
Daten-CD als aktiv nach der Erklärung der Bundesrepublik Deutschland
betreffend den Erwerb entwendeter Daten schweizerischer Bankkunden im
Steuerabkommen mit der Schweiz zu qualifizieren ist?

25. Stimmt die Bundesregierung damit überein, dass das Angebot von Daten-
CDs an deutsche Steuerbehörden ohne deren explizite Aufforderung nach
derartigen Daten-CDs nicht als aktiver Erwerb gewertet werden kann, so
dass die getroffene Erklärung im Steuerabkommen mit der Schweiz in dem
Fall, auf den in Frage 22 verwiesen wurde, nicht einschlägig wäre (bitte mit
Begründung)?

26. Welche konkreten Institutionen fallen unter den Begriff der deutschen
Steuerbehörden gemäß der Erklärung der Bundesrepublik Deutschland
betreffend den Erwerb entwendeter Daten schweizerischer Bankkunden im
Steuerabkommen mit der Schweiz (bitte differenzieren nach Bundes- und
Landesbehörden)?

27. Wie sind aus Sicht der Bundesregierung vor dem Hintergrund der Erklä-
rung der Bundesrepublik Deutschland betreffend den Erwerb entwendeter
Daten schweizerischer Bankkunden im Steuerabkommen mit der Schweiz
CD-Ankäufe zu werten, die nicht von deutschen Finanzbehörden, sondern
von anderen Behörden durchgeführt werden?

Drucksache 17/10438 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
28. Strebt die Bundesregierung die Regelungen hinsichtlich des Erwerbs von
Daten-CDs gemäß der Erklärung der Bundesrepublik Deutschland betref-
fend den Erwerb entwendeter Daten schweizerischer Bankkunden im
Steuerabkommen mit der Schweiz zukünftig auch im Verhältnis zu anderen
Staaten außer der Schweiz an (bitte mit Begründung)?

29. Hat die Bundesregierung anderen Staaten außer der Schweiz bereits in der
Vergangenheit ähnliche Regelungen, wie sie in der Erklärung der Bundes-
republik Deutschland betreffend den Erwerb entwendeter Daten schweize-
rischer Bankkunden im Steuerabkommen mit der Schweiz enthalten sind,
mündlich oder schriftlich zugesichert (bitte mit Aufführung der Staaten und
Art der getroffenen Absprache)?

30. Hat die Bundesregierung in den Verhandlungen mit der Schweizer Regie-
rung über das Steuerabkommen eine Regelung angestrebt, die vergleichbar
ist mit derjenigen im neu verhandelten Steuerabkommen zwischen der
Schweiz und den USA (U. S. Treasury Department, 21. Juni 2012), in der
explizit die Nichtanwendung des Artikels 271 des Schweizerischen Straf-
gesetzbuches zur Ermöglichung eines automatischen Informationsaus-
tausches vereinbart wurde (bitte mit Begründung)?

31. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem Beschluss des Steuerausschusses der Organisation für wirtschaft-
liche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vom 17. Juli 2012, in dem
explizit Gruppenanfragen als Standard für Tax Information Exchange
Agreements (TIEA) beschlossen wurden?

Berlin, den 8. August 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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