BT-Drucksache 17/10433

Entwicklung eines umfassenden Ansatzes in der EU-Menschenrechtspolitik

Vom 8. August 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10433
17. Wahlperiode 08. 08. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Tom Koenigs, Viola von Cramon-Taubadel,
Marieluise Beck (Bremen), Agnes Brugger, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul,
Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth
(Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwicklung eines umfassenden Ansatzes in der EU-Menschenrechtspolitik

Die Europäische Kommission hat Ende 2011, zusammen mit der Hohen Ver-
treterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, eine Mitteilung zur
Zukunft der Menschenrechtspolitik der Europäischen Union (EU) vorgelegt
(Ratsdok. Nr. 18635/11), die auf die Entwicklung eines umfassenden und ein-
heitlichen EU-Ansatzes in diesem Bereich abzielt und die Wichtigkeit einer
Berücksichtigung der Menschenrechte sowohl im Rahmen der externen als auch
der internen Politik der EU und der Mitgliedstaaten unterstreicht. Am 25. Juni
2012 hat der Rat für Auswärtige Angelegenheiten das „EU Strategic Framework
for Human Rights and Democracy“ sowie einen „EU Action Plan for Human
Rights and Democracy“ verabschiedet. Damit soll die EU-Menschenrechtspoli-
tik kohärenter, konsistenter und systematischer werden. Ziel ist ein Menschen-
rechtsmainstreaming in allen Bereichen der EU-Außenpolitik, insbesondere
Handel, Investitionen, Energie, Technologie, Telekommunikation, Umwelt,
Entwicklungszusammenarbeit, Terrorismusbekämpfung, Sicherheit und Vertei-
digung. Der EU Action Plan legt die Ziele, die Maßnahmen, die Zeitvorgaben
und die Adressaten für die einzelnen Schritte fest. Er soll bis zum Ende 2014
umgesetzt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung die bisherige EU-Menschenrechtspolitik
im Hinblick auf ihre Kohärenz, ihre Instrumente und ihre Wirkung?

Wo sieht sie die größten Handlungsbedarfe?

2. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zu dem neu geschaffenen Amt
eines/einer EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte?

a) Welche Kompetenzen soll der/die Sonderbeauftragte konkret bekommen?

b) Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass dem/der Sonderbeauftragten
ein relevantes politisches Gewicht bei der Gestaltung der EU-Außenbezie-

hungen zukommt?

c) Welche Form der Zusammenarbeit ist nach Kenntnis der Bundesregierung
zwischen dem/der EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte und den
EU-Sonderbeauftragten für einzelne Länder und Regionen vorgesehen?

d) In welchem Weisungsverhältnis steht die Position des/der Sonderbeauf-
tragten zu anderen EU-Institutionen, insbesondere denen des Menschen-
und Grundrechtsschutzes?

Drucksache 17/10433 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Wie wird der/die EU-Sonderbeauftragte für Menschenrechte mit dem Men-
schenrechtsbeauftragten von Frontex und dem dazugehörigen Konsultativ-
forum zusammenarbeiten (siehe Artikel 26a der veränderten Frontex-Verord-
nung), um Menschenrechtsverletzungen bei Frontex-Missionen zukünftig zu
überwachen?

Hält die Bundesregierung die dafür existierenden Instrumente für ausrei-
chend, und wenn ja, mit welcher Begründung?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung die Menschenrechtsdialoge der EU?

a) Sieht sie Verbesserungsbedarf bei der Ausgestaltung und Durchführung
dieser Dialoge, und wenn ja, welchen?

b) Ist nach Kenntnis der Bundesregierung geplant, die Dialoge im Zuge der
neuen Maßnahmenpakete zu reformieren, und wenn ja, in welchen Be-
reichen?

c) Wie ist der Zeitplan und welche inhaltlichen Schwerpunkte verfolgen die
Menschenrechtsdialoge mit den einzelnen Ländern (bitte im Einzelnen
ausführen)?

d) Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass die Termine und Orte der
jeweiligen Menschenrechtsdialoge im Voraus öffentlich zugänglich sind
und dem Deutschen Bundestag zugeleitet werden?

5. Wie beabsichtigt die Bundesregierung, Kohärenz zwischen den nationalen
Außenpolitiken und der EU-Ebene zu gewährleisten sowie der Möglichkeit
entgegenzuwirken, dass die Mitgliedstaaten die Stärkung der EU-Menschen-
rechtspolitik dazu nutzen könnten, ihrerseits seltener menschenrechtliche
Anliegen gegenüber anderen Staaten bilateral anzumahnen?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die bisherige Wirksamkeit von Men-
schenrechtsklauseln in den EU-Verträgen und Abkommen, insbesondere im
Bereich der handels-, energie-, sicherheitspolitischen und technischen Zu-
sammenarbeit, und welche neuen konkreten Maßnahmen sollen deren Moni-
toring und Konsequenzen in Fällen einer Nichteinhaltung in Zukunft garan-
tieren?

7. Hat die Bundesregierung Initiativen unternommen, um die Formulierung der
Menschenrechtsklausel des Cotonou-Abkommens auch in andere Verträge
der EU mit Drittstaaten zu übernehmen?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, inwieweit bemüht sich die Bundesregierung um so eine Über-
nahme, wo sie doch die Formulierung nach dem Cotonou-Abkommen als
„grundsätzlich erstrebenswert“ einschätzt (siehe die Antwort der Bundes-
regierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
„Menschenrechtsklauseln in Verträgen der Europäischen Union und der
Bundesrepublik Deutschland“ auf Bundestagsdrucksache 17/7301)?

8. Mit welchen Ansätzen und Maßnahmen reagiert die Bundesregierung auf die
eigene Problemanalyse, dass Drittstaaten die menschenrechtlichen Elemente
in Abkommen „überwiegend […] als Bevormundung und sogar als Diszipli-
nierungsinstrument der EU“ (siehe die Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Menschen-
rechtsklauseln in Verträgen der Europäischen Union und der Bundesrepublik
Deutschland“ auf Bundestagsdrucksache 17/7301) begreifen und infolge-
dessen nicht kooperativ agieren, und welche Maßnahmen sind in diesem Zu-
sammenhang auf der EU-Ebene geplant bzw. ergriffen worden?

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9. Hält die Bundesregierung die EU-Partnerschaftsabkommen mit Turkmenistan
und mit Kolumbien, die im Herbst dieses Jahres im Europäischen Parlament
abgestimmt werden sollen, vor dem Hintergrund der schweren menschen-
rechtlichen Probleme in beiden Ländern mit den neuen Menschenrechts-
paketen der EU für vereinbar?

10. In welcher Form und durch welche Mittel soll die geplante Verstärkung der
Arbeitsgruppe Menschenrechte des Rates (COHOM) erreicht werden, und
welche konkreten Schritte sind hier schon unternommen worden?

11. Inwieweit bringt sich die Bundesregierung dabei ein, ein System der Lasten-
teilung zu entwickeln, damit die Fähigkeiten der Mitgliedstaaten am besten
für die EU-Menschenrechtspolitik genutzt werden können (EU Action Plan,
Punkt 7b), was genau versteht die Bundesregierung unter so einem System
der Lastenverteilung, und welche Fähigkeiten wird die Bundesregierung in
diesem Arrangement bereitstellen?

12. Folgt die Bundesregierung der Auffassung, dass die in Punkt 11f des EU-
Aktionsplans geforderten „solid human rights criteria“ eine Verschärfung
des Gemeinsamen Standpunkts zu Waffenexporten (2008/944/CFSP) imp-
lizieren?

13. In welcher Form wird sich die Bundesregierung an der Entwicklung eines
Schutzprogramms für bedrohte Menschenrechtsverteidigerinnen und Men-
schenrechtsverteidiger beteiligen (wie in Punkt 18a des EU-Aktionsplans
gefordert), und inwieweit plant die Bundesregierung, an der Umsetzung
dieses Programms mitzuwirken?

14. Inwieweit ist die Bundesregierung weiterhin der Auffassung, dass die Hand-
lungsempfehlungen des Montreux-Abkommens, deren Einhaltung im Punkt
21d des EU-Aktionsplans eingefordert wird, nicht auf Deutschland zutref-
fen – und das, obwohl ein Kabinettbeschluss zum Einsatz privater
Sicherheitskräfte auf Schiffen unter deutscher Flagge bereits angekündigt ist?

15. In welcher Form und mit welcher Zielsetzung beteiligt sich die Bundes-
regierung an der Ausarbeitung von Kriterien für die Anwendung der EU-
Menschenrechtsklausel in Verträgen mit Drittstaaten (wie in Punkt 33b des
EU-Aktionsplans gefordert), und inwieweit wird sich die Bundesregierung
in diesem Prozess dafür einsetzen, dass die EU grundsätzlich anstrebt,
Unterausschüsse in den jeweiligen Vertragsausschüssen einzurichten, die
sich vor allem mit menschenrechtsrelevanten Themen beschäftigen, ins-
besondere angesichts dessen, dass die Bundesregierung die Einrichtung
solcher Unterausschüsse „ausdrücklich befürwortet“ (siehe die Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN „Menschenrechtsklauseln in Verträgen der Europäischen
Union und der Bundesrepublik Deutschland“ auf Bundestagsdrucksache
17/7301)?

16. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den geplanten Aufbau
einer Kapazität bei den Ständigen Vertretungen und eines Netzes von An-
laufstellen für Menschenrechte und Demokratie in den EU-Delegationen
durch den Europäischen Auswärtigen Dienst und die Europäische Kommis-
sion, und welche konkreten Schritte sind hier schon unternommen worden?

17. Welche konkrete Ausgestaltung soll der geplante Europäische Fonds für
Demokratie (European Endowment for Democracy) erhalten, wie sieht der
Zeitplan für seine Einrichtung aus, und wie beurteilt die Bundesregierung
dieses neue Instrument?

18. Wie beurteilt die Bundesregierung Pläne, dass die EU-Menschenrechts-

politik künftig alle fünf Jahre vom Rat und vom Europaparlament überprüft
werden soll?

Drucksache 17/10433 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
19. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Umsetzung der An-
weisung der Hohen Vertreterin der Union, dass die EU-Delegationen in
allen Drittländern spezifische Länderstrategien für Menschenrechte aus-
arbeiten sollen?

a) Wie ist der derzeitige Stand der Ausarbeitung?

b) Wie ist der weitere Zeitplan hinsichtlich dieser Strategien?

20. Welche offenen Fragen zum EU-Beitritt zur Europäischen Menschen-
rechtskonvention (EMRK) nach Artikel 6 Absatz 2 des Vertrags über die
Europäische Union bestehen noch?

a) Welche Position bezieht die Bundesregierung zu den einzelnen noch
offenen Fragen?

b) Wann ist mit einer Einigung zu rechnen, und wie ist die Bundesregie-
rung in diesen Prozess eingebunden?

21. Welche konkreten Maßnahmen muss die Bundesregierung nach dem „EU
Action Plan for Human Rights and Democracy“ umsetzen, und wie sieht
dafür der Zeitplan aus?

22. Welche Konsequenzen hält die Bundesregierung für erforderlich, damit
„die EU und ihre Mitgliedstaaten in vorbildlicher Weise für die Achtung
der Menschenrechte sorgen“ (Ratsdok. Nr. 18635/11, S. 4), in Bezug auf

a) internationale Menschenrechtsabkommen, die von der EU und ihren
Mitgliedstaaten noch nicht ratifiziert wurden;

b) Terrorismusbekämpfung (inklusive Dialogen mit Drittstaaten zu dem
Thema);

c) das Verbot der Zurückweisung von Schutzsuchenden und die Wahrung
der Genfer Flüchtlingskonvention an den EU-Außengrenzen;

d) die Bekämpfung irregulärer Migration;

e) Verstöße gegen demokratische Standards und die EU-Grundrechtecharta
in einzelnen EU-Mitgliedstaaten?

Berlin, den 8. August 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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