BT-Drucksache 17/10288

Umsetzung des freiwilligen Wehrdienstes 2011

Vom 11. Juli 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10288
17. Wahlperiode 11. 07. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Jan van Aken, Christine Buchholz,
Inge Höger, Harald Koch, Stefan Liebich, Thomas Nord, Kathrin Vogler,
Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Umsetzung des freiwilligen Wehrdienstes 2011

Im Zuge der Aussetzung des mit der Wehrpflicht verbundenen Zwangsdienstes
zum 1. Juli 2011 hat die Bundesregierung den freiwilligen Wehrdienst (FWD)
eingeführt. Pro Jahr sollen zwischen 5 000 und 15 000 Personen einen solchen
militärischen Kurzdienst leisten. Bislang ist dabei unklar geblieben, nach wel-
chen Kriterien das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) wie viele
Dienstposten pro Jahr für FWD Leistende zur Verfügung stellt. Gleiches gilt für
die zugrundeliegenden militärischen Erwägungen, neben den Soldatinnen und
Soldaten auf Zeit und den Berufsoldatinnen und Berufssoldaten eine dritte
Dienstgruppe einzuführen. In jedem Fall sind mit der Einführung des FWD er-
hebliche Kosten verbunden, nicht nur für den Wehrsold, sondern auch für die
Ausstattung, für die Unterbringung und für die Ausbildung.

Für die Einführung des freiwilligen Wehrdienstes scheinen weder militärische
Erwägungen eine Rolle gespielt zu haben noch die Sparvorgaben für den Vertei-
digungshaushalt. Der FWD wird von der Bundeswehr als wichtiges Instrument
für die Nachwuchswerbung gesehen. Aus diesem Grund wurde z. B. trotz der
Aussetzung der Wehrpflicht die automatische Weiterleitung von Informationen
über Minderjährige ab dem 16. Lebensjahr durch die Meldestellen an die Bun-
deswehr beibehalten und sogar noch auf weibliche Jugendliche ausgeweitet.

Im deutlichen Gegensatz zum Bundesfreiwilligendienst, bei dem lediglich ein
Taschengeld von monatlich maximal 336 Euro gezahlt wird, da er den Charakter
eines weitestgehend uneigennützigen sozialen Dienstes haben soll, setzt die
Bundeswehr beim FWD vor allem auf finanzielle Anreize. In einem Flyer des
Bundesministeriums der Verteidigung und im Internetauftritt der Bundeswehr
(https://mil.bundeswehr-karriere.de/portal/a/milkarriere/ihrekarriere/fwdmp) wird
der FWD mit „finanziellen Vorteilen“ beworben. So werde ab dem ersten
Dienstmonat 777,30 Euro, ab dem vierten Dienstmonat 800,40 Euro und ab dem
siebenten Monat bereits 1 000,50 Euro an Wehrsold und Wehrdienstzuschlag
ausgezahlt. An „weiteren attraktiven Vorteilen“ werden eine monatliche Zah-
lung in Höhe von 96 Euro (Sonderzuwendung und Entlassungsgeld) sowie
unentgeltliche Leistungen wie truppenärztliche Versorgung, Truppenverpflegung
und Gemeinschaftsunterkunft in Aussicht gestellt. Allein unter dem Gesichts-

punkt dieser finanziellen Anreize ist der FWD nicht auf die gleiche Stufe mit
uneigennützigen ehrenamtlichen Freiwilligendiensten zu stellen.

Seit der Einführung des FWD ist ein Jahr vergangen. Die Bundesregierung hat
es bislang versäumt, der Öffentlichkeit eine Bilanz der bisherigen Erfahrungen
mit diesem Dienst vorzulegen und die Kriterien darzulegen, die seine Beibehal-
tung in ihren Augen erforderlich machen.

Drucksache 17/10288 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele weibliche und wie viele männliche Angehörige mit deutscher
Staatsangehörigkeit haben die einzelnen Geburtsjahrgänge 1994 bis 2000
(bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

2. Wie viele Datensätze von minderjährigen Personen sind im Jahr 2011 durch
die Meldebehörden an das Bundesamt für Wehrverwaltung übermittelt wor-
den?

3. Wie viele Datensätze sind 2011 entgegen § 58 des Wehrpflichtgesetzes von
Personen übermittelt worden, die im Jahr 2012 nicht volljährig werden?

4. Wie viele Personen sind durch die Bundeswehr aufgrund der Bestimmung
in § 58 des Wehrpflichtgesetzes im Jahr 2011 angeschrieben worden und
haben Informationsmaterial über Tätigkeiten in den Streitkräften erhalten,
und wie viele dieser Personen werden im Jahr 2012 nicht volljährig?

5. Wie viele dieser Personen haben Interesse an der Zusendung weiterer Infor-
mationen bekundet?

6. Wie viele der 2011 angeschriebenen Jugendlichen haben ein Beratungs-
gespräch vereinbart?

7. Mit welchen Kosten ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Datenerhe-
bung für die Meldebehörden verbunden?

8. Wie hoch sind die Kosten für die Verarbeitung der Daten, die Herstellung
des zu verschickenden Materials und die Verschickung selbst bei der Bun-
deswehr?

9. Inwieweit wird mit dem übersendeten Informationsmaterial die UN-Kinder-
rechtskonvention mit ihren Zusatzprotokollen beachtet, die bei der Einzie-
hung von Freiwilligen unter 18 Jahren zu den Streitkräften verlangt, dass sie
„über die mit dem Militärdienst verbundenen Pflichten umfassend aufge-
klärt“ werden?

10. Wie viele Personen welchen Alters und Geschlechts haben sich bisher für
den freiwilligen Wehrdienst beworben und sich einer Tauglichkeitsunter-
suchung unterzogen (bitte nach Jahren, nach Bundesländern und Schulab-
schluss aufschlüsseln)?

11. Wie viele Personen haben den freiwilligen Wehrdienst trotz einer Verpflich-
tungserklärung nicht angetreten (bitte nach Einstellungstermin aufschlüs-
seln)?

12. Wie viele Personen welchen Alters und Geschlechts haben im Jahr 2011 und
zum Dienstantrittstermin Januar 2012 einen freiwilligen Wehrdienst tat-
sächlich angetreten, und wie viele sind während der ersten sechs Monate
wieder ausgetreten bzw. wurden durch die Bundeswehr entlassen (bitte nach
Einstellungstermin aufschlüsseln)?

13. Wie viele Personen welchen Alters und Geschlechts haben zu den Dienst-
antrittsterminen im April 2012 und Juli 2012 einen freiwilligen Wehrdienst
tatsächlich angetreten (bitte nach Einstellungsterminen aufschlüsseln)?

14. Wie viele der bisher in das Wehrdienstverhältnis aufgenommenen Personen
haben sich für eine besondere Auslandsverwendung schriftlich verpflichtet
(bitte nach Einstellungstermin aufschlüsseln)?

15. Wie viele der bisher in das Wehrdienstverhältnis aufgenommenen Personen
haben sich jeweils für eine Dienstdauer von sieben, zwischen acht und zehn,
zwischen elf und zwölf, zwischen 13 und 15, zwischen 16 und 18 und mehr

als 19 Monaten verpflichtet (bitte nach Einstellungstermin aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10288

16. Wie viele Personen haben im Jahr 2011 und im ersten Halbjahr 2012 einen
Dienst als Soldatinnen und Soldaten auf Zeit, einschließlich Offiziersanwär-
terinnen und Offiziersanwärter, tatsächlich angetreten (bitte nach Geburts-
jahrgang, Geschlecht, Kalenderjahr und Einstellungstermin aufschlüsseln)?

17. Wie viele freiwillig Wehrdienstleistende sind in den Jahren 2011 und 2012
während ihrer Dienstzeit in das Dienstverhältnis von Soldatinnen und Sol-
daten auf Zeit gewechselt (bitte nach Geschlecht, Kalenderjahr und Einstel-
lungstermin aufschlüsseln)?

18. Wie viele Personen sind als Wiedereinsteller in das Dienstverhältnis eines
Soldaten auf Zeit im Jahr 2011 und im ersten Halbjahr 2012 aufgenommen
worden (bitte nach Geschlecht und Kalenderjahr aufschlüsseln)?

19. Wie viele Personen haben sich im Jahr 2011 und im Jahr 2012 für eine Ein-
stellung als Zeitsoldatin und Zeitsoldat beworben (bitte nach Geburtsjahr-
gang, Geschlecht und Kalenderjahr aufschlüsseln)?

20. Wie viele Personen sind als Soldatinnen und Soldaten auf Zeit mit einer Ver-
pflichtungsdauer von maximal 24 Monaten eingestellt worden (bitte nach
Geschlecht und Kalenderjahr aufschlüsseln)?

21. Wie viele Wehrdienstleistende und wie viele Soldatinnen und Soldaten auf
Zeit waren im Jahr 2011 bei ihrem Diensteintritt unter 18 Jahre alt (bitte
nach Wehrdienstleistenden und Soldaten auf Zeit getrennt angeben)?

22. Welche Unterschiede gibt es zwischen der Ausbildung sowie der Dienst-
und Verwendungsart zwischen dem freiwillig Wehrdienstleistenden und dem
Soldaten auf Zeit?

23. Wie hoch sind die Kostenansätze im Jahr 2012 für eine Wehrdienstleistende
und einen Wehrdienstleistenden einschließlich Wehrsold, besonderen Zu-
schlägen und Vergütungen, Verpflichtungsprämien, Beiträgen zu den Sozial-
versicherungen, Leistungen nach dem Arbeitsplatzschutzgesetz, Verpfle-
gungsgeld und Familienheimfahrten?

24. Wie hoch sind die entsprechenden Kostenansätze für im Jahr 2012 einge-
stellte Soldatinnen und Soldaten auf Zeit für zwei Jahre?

25. Welche Geld- oder Sachleistungen werden ausschließlich Wehrdienstleis-
tenden gewährt, und welche ausschließlich Zeitsoldaten?

26. Wie viel Geld- und Sachleistungen inklusive Verpflegungsgeld erhält ein
lediger Wehrdienstleistender mit dem Dienstgrad Hauptgefreiter im
13. Dienstmonat insgesamt?

27. Wie viel Geld- und Sachleistungen inklusive Verpflegungsgeld erhält ein le-
diger Soldat auf Zeit der Mannschaftslaufbahn mit dem Dienstgrad Haupt-
gefreiter im 13. Dienstmonat insgesamt?

28. Welche durchschnittliche Personalstärke hatte die Bundeswehr im Jahr
2011 (bitte nach Berufssoldatinnen und -soldaten, Soldatinnen und Soldaten
auf Zeit, freiwillig Wehrdienstleistenden sowie Grundwehrdienstleistenden
und freiwillig zusätzlich Wehrdienstleistenden aufschlüsseln, Zahlen nicht
aufrunden)?

29. Wie viele Strafanzeigen wurden 2011 gestellt

a) wegen Fahnenflucht (§ 16 des Wehrstrafgesetzes – WStG);

b) eigenmächtiger Abwesenheit (§ 15 WStG);

c) wegen Ungehorsams (§ 19 WStG) und wegen Gehorsamsverweigerung
(§ 20 WStG)
(bitte jeweils nach Statusgruppen aufschlüsseln)?

Drucksache 17/10288 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
30. In wie vielen Fällen wurden im Jahr 2011 gegenüber Soldatinnen und Sol-
daten Disziplinararreste verhängt (bitte nach Statusgruppen und Dauer auf-
schlüsseln)?

31. In welchen Ausbildungseinheiten sind wie viele Rekrutenstellen für den
FWD in den Jahren 2012 und 2013 eingeplant?

32. In welchen Stammeinheiten sind wie viele FWD Leistende auf welchen
Funktionsdienstposten in den Jahren 2012 und 2013 eingeplant?

33. Wie viele Wehrdienstleistende waren im Jahr 2011 in welchen Verwendun-
gen eingesetzt?

34. Wie viele Berufs- und Zeitsoldatinnen und -soldaten wurden im Jahr 2011
für die direkte Ausbildung von freiwillig Wehrdienstleistenden benötigt?

35. Wie viele Berufs- und Zeitsoldaten sowie Zivilbeschäftigte der Bundeswehr
sind für die Einstellung, Aufnahme, Verwaltung von je zehn Wehrdienstleis-
tenden erforderlich?

36. Mit welcher Dienstantrittszahl rechnet die Bundeswehr, um 5 000 Dienst-
posten für freiwillig Wehrdienstleistende zu besetzen?

37. Welche Dienstantrittszahl müsste erreicht werden, um 15 000 Dienstposten
mit freiwillig Wehrdienstleistenden zu besetzen?

38. Wann, und auf welcher Grundlage trifft die Bundeswehr die Entscheidun-
gen darüber, wie viele Dienstposten im nächsten Haushaltsjahr für freiwillig
Wehrdienstleistende bereitgestellt werden sollen?

39. Welche Berechnungsgrundlagen werden verwendet, um die Zahl der Aus-
bilderinnen und Ausbilder sowie die weiteren Mehraufwendungen in den
Bereichen Infrastruktur, Betrieb und Ausstattung für die eingeplanten
Dienstposten für freiwillig Wehrdienstleistende für den Verteidigungshaus-
halt einzuplanen?

40. Wie hoch ist der Ergänzungsbedarf an Zeitsoldatinnen und - soldaten inklu-
sive Offiziersanwärterinnen und Offiziersanwärtern im Jahr 2012 und in
den Folgejahren bis 2020 (bitte nach Kalenderjahren aufschlüsseln)?

41. Wie viele der bereits ausgeschiedenen FWD Leistenden haben sich schrift-
lich verpflichtet, für Dienstleistungen nach § 60 des Soldatengesetzes zur
Verfügung zu stehen?

42. Plant das BMVg eine Evaluation des freiwilligen Wehrdienstes, und wenn
ja, zu welchem Zeitpunkt, und nach welchen Kriterien?

Berlin, den 11. Juli 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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