BT-Drucksache 17/10177

Subventionierte Urlaube für Beschäftigte des Bundes

Vom 27. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10177
17. Wahlperiode 27. 06. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Katja Kipping, Katrin Kunert, Cornelia Möhring,
Kornelia Möller, Jens Petermann, Yvonne Ploetz, Sabine Stüber und der Fraktion
DIE LINKE.

Subventionierte Urlaube für Beschäftigte des Bundes

Unter der Überschrift „Billig-Urlaub für Beamte: Sylt für 7 Euro“ berichtete die
ARD-Sendung „Panorama“ am 7. Juni 2012 über die Sozialwerke der verschie-
denen Bundesministerien, des Bundeskanzleramtes, weiterer Bundesbehörden
und nachgeordneter Einrichtungen. „Panorama“ berichtet: „Ein fetter Zuschuss
vom Steuerzahler macht es möglich, dass ca. 190 000 Mitglieder der Sozial-
werke günstige Angebote zur Erholung für sich und ihre Familien erhalten.“

Die Zeitschrift „Der Steuerzahler“ (Ausgabe 06/12, S. 156) titelte ihren Beitrag:
„Spaß zum kleinen Preis – Beamtenurlaub auf Steuerzahlerkosten“ und schrieb:
„Die Bundesministerien leisten sich sieben eigene Sozialwerke. Zu günstigen
Konditionen können aktive, aber auch ehemalige Mitarbeiter der Bundesverwal-
tung Kuren, Wanderwochen, Motorradfreizeiten oder Singlereisen genießen, ge-
sponsert mit Hilfe von Steuergeldern.“

In der Festschrift „50 Jahre Sozialwerk.Bund 1960 – 2010 – Beim Urlaub gehört
für uns die Kür zur Pflicht“ schrieb der Bundesminister des Innern, Dr. Hans-Peter
Friedrich: „Eine 50-jährige Erfolgsgeschichte – so läßt sich die Arbeit des Sozi-
alwerk.Bund umreißen. Mit seinem breiten und vielfältigen Spektrum an sozia-
len, gesundheitlichen und kulturellen Angeboten leistet es einen erheblichen und
unverzichtbaren Beitrag zum Wohl der Beschäftigten des Bundes.“ Ralf Bender,
Vorsitzender des Hauptvorstandes beim Sozialwerk der Inneren Verwaltung des
Bundes e. V., schrieb in seinem Grußwort: „Ohne die tatkräftige Unterstützung
unserer Arbeit durch das federführende Bundesministerium des Innern, sowie
der Vielzahl der Behörden in unserem Betreuungsbereich wäre das Geleistete
nicht möglich gewesen.“

Naheliegend, dass sich das Engagement der Bundesregierung für seine „Staats-
diener“ auch am Engagement für andere Bevölkerungsgruppen messen lassen
muss, zumal die Mehrzahl der „Staatsdiener“ nicht zu den unterdurchschnittlich
verdienenden Personen gehört, andererseits ein Drittel der Kinder in Deutschland
(Tendenz steigend!) aus finanziellen Gründen nicht in den Urlaub fahren kann.

Auf die Mündliche Frage 15 des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (Fraktion DIE

LINKE.): „Wie viele Urlaubsplätze stehen in den Ländern in Familienferienstät-
ten zur Verfügung, und wie hoch sind die durchschnittlichen Kosten für einen
14-tägigen Urlaub in einer Familienferienstätte für eine Alleinerziehende mit
zwei Kindern mit Hartz-IV-Bezug mit bzw. ohne zusätzliche Landesförderung?“
(Plenarprotokoll 17/64) antwortete der Parlamentarische Staatssekretär beim
Bundesminister für Wirtschaft und Technologie Peter Hintze am 6. Oktober
2010: „Die bundesweit 112 gemeinnützigen Familienferienstätten bieten sowohl

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Quartiere für Selbstversorger als auch die Verpflegungsvarianten Übernachtung
mit Frühstück, Halbpension und Vollpension an, was sich naturgemäß auch in
der Preisgestaltung niederschlägt. Unterbringungs- und Verpflegungskosten
sind ferner nach dem Alter der Kinder gestaffelt. Die Kosten für den 14-tägigen
Familienurlaub einer alleinerziehenden ALG-II-Empfängerin mit zwei Kindern
reichen von 476 Euro bei Zeltübernachtung mit Vollpension, über 588 Euro bei
Ferienhausunterbringung mit Selbstversorgung bzw. 726 Euro für das Familien-
appartement mit Frühstück, bis hin zu 1 841 Euro für die Ferienhausunterbrin-
gung bei voller Verpflegung – wobei es sich auch hier nur um Beispiele handelt,
die eine Preisspanne abbilden und über eine Stichprobe aus 30 Familienferien-
stätten ermittelt wurden.“

Auf die Mündliche Frage 16 des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert: „Wie will die
Bundesregierung ihre in ihren Tourismuspolitischen Leitlinien beschlossene
Zielstellung: ,Ziel der Bundesregierung ist die Teilhabe aller Bevölkerungs-
kreise am Tourismus. Auch Menschen mit gesundheitlichen, sozialen oder
finanziellen Einschränkungen sollen reisen können. Deshalb werden Ferien-
unterkünfte zu erschwinglichen Preisen gefördert.‘ für auf Hartz IV angewie-
sene Familien mit Kindern realisieren, wenn für ein schulpflichtiges Kind für
,Beherbergungs- und Gaststättenleistungen‘ im Jahr 42,12 Euro bzw. 57,36 Euro
vorgesehen sind?“ antwortete der Parlamentarische Staatssekretär Peter Hintze:
„Vorrangiges Ziel der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist nicht in erster
Linie die Umsetzung der tourismuspolitischen Leitlinien, sondern die schnellst-
mögliche Eingliederung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in den Arbeits-
markt. … Bei der Entscheidung, welche einzelnen Verbrauchspositionen als
regelsatzrelevant einzustufen sind, wurde in der Abteilung 11 ,Beherbergungs-
und Gaststättendienstleistungen‘ die Position ,Übernachtungen‘ nicht als regelbe-
darfsrelevant berücksichtigt. Diese Ausgaben sind dem Bereich Urlaub zuzuord-
nen, der als nicht existenzsichernd anzusehen ist und folglich für den Regelbe-
darf nicht zu berücksichtigen ist. Es muss davon ausgegangen werden, dass auch
Familien mit niedrigem Einkommen, die keine Leistungen der Grundsicherung
für Arbeitsuchende erhalten, nicht durchgängig Urlaube finanzieren können.“

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung die in der Vorbemerkung der Fragesteller
genannten Berichte der Sendung „Panorama“ und der Zeitschrift „Der Steuer-
zahler“?

2. Inwieweit sieht die Bundesregierung bei der Förderung der Sozialwerke Än-
derungs- bzw. Modernisierungsbedarf?

3. Wie viele Sozialwerke gibt es im Bereich der einzelnen Behörden des Bundes
(bitte die Namen, aktuellen Mitgliederzahlen und Zuständigkeitsbereiche
nennen)?

4. Wie viele andere Behörden und Institutionen sind diesen Sozialwerken an-
geschlossen (bitte die Namen nennen)?

5. Wer kann Mitglied dieser Sozialwerke werden?

6. Wie viele Mitglieder der Bundesregierung sind Mitglied eines Sozialwerkes
des Bundes?

7. Wie viele der derzeitigen Mitglieder der Bundesregierung haben (seit Eintritt
in die Bundesregierung) mindestens einmal ein Angebot eines Sozialwerkes
für sich und/oder ihre Familienangehörigen in Anspruch genommen?

8. Wie hoch ist der Mitgliedsbeitrag (bitte detailliert nach Sozialwerken und
gegebenenfalls einkommensabhängigen Staffelungen aufführen)?

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9. Welche Rolle spielt bei der Höhe des Mitgliedsbeitrages sowie bei der Ge-
währung von Leistungen des Sozialwerks das Einkommen des jeweiligen
Mitglieds?

10. Wie viele hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in den So-
zialwerken beschäftigt (bitte nach Sozialwerken aufschlüsseln)?

11. Wie viele Beschäftigte bei Bundesbehörden sind für die Arbeit in einem
bzw. für ein Sozialwerk ganz oder teilweise freigestellt (bitte einzeln auf-
schlüsseln)?

12. Wie hoch sind die direkten und indirekten Gesamtausgaben des Bundes für
diese Sozialwerke (bitte diese Summe detailliert für jedes Sozialwerk auf-
schlüsseln)?

13. Wie hoch war der geschätzte steuerliche Vorteil durch die Zuerkennung der
Gemeinnützigkeit für die Sozialwerke in den Jahren 2010 und 2011?

14. Wie hoch ist (2011 und 2012) der Anteil der einzelnen Sozialwerke des
Bundes für von ihnen durchgeführte internationale Jugendbegegnungen am
Haushaltsansatz im Einzelplan 23 (bitte detailliert aufführen)?

15. Wie hoch ist (2011 und 2012) der summenmäßige Anteil der einzelnen So-
zialwerke des Bundes an den Einzelplänen 05, 09, 10, 12, 15, 16, 17 und 30
(bitte detailliert aufführen)?

16. Welche weiteren Sozialwerke oder vergleichbaren Einrichtungen in
Deutschland werden vom Bund gefördert (bitte detailliert aufführen)?

17. Wie teuer ist durchschnittlich ein 14-tägiger Urlaub für eine dreiköpfige
Familie (1 Erwachsener, 2 Kinder), wenn sie im Rahmen des Sozialwerkes
des Bundes einen Urlaub im Inland oder im Ausland verbringt im Vergleich
zu einem Urlaub in einer vom Bund geförderten Familienheimstätte (siehe
auch die Antwort der Bundesregierung vom 6. Oktober 2010 auf die Münd-
liche Frage 15 des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Plenarprotokoll 17/64)?

18. Inwieweit ist es für die Bundesregierung denkbar, die Sozialwerke grund-
sätzlich für alle benachteiligten Personengruppen als Teil einer sozialen
Tourismusstrategie im Sinne ihrer tourismuspolitischen Leitlinien zu öffnen?

Berlin, den 27. Juni 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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