BT-Drucksache 17/10088

Zukunft des "Energie- und Klimafonds" und der durch ihn finanzierten Programme

Vom 26. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10088
17. Wahlperiode 26. 06. 2012

Antrag
der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Dr. Bärbel Kofler, Dirk Becker, Frank
Schwabe, Michael Groß, Ute Kumpf, Lothar Binding (Heidelberg), Klaus Brandner,
Bernhard Brinkmann (Hildesheim), Dr. Peter Danckert, Petra Ernstberger, Iris
Gleicke, Bettina Hagedorn, Klaus Hagemann, Johannes Kahrs, Petra Merkel
(Berlin), Thomas Oppermann, Joachim Poß, Carsten Schneider (Erfurt), Ewald
Schurer, Rolf Schwanitz, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Zukunft des „Energie- und Klimafonds“ und der durch ihn finanzierten
Programme

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bundesregierung gefährdet die Energiewende in Deutschland. Mit der
Einrichtung des „Energie- und Klimafonds“ (EKF) hat die Regierungskoalition
ein Sondervermögen des Bundes geschaffen, dessen Einnahmen sich nach der
gescheiterten Atomrenaissance im Wesentlichen aus den Erlösen des CO2-
Emissionszertifikatehandels speisen. Angedacht war ursprünglich, über den
EKF eine verstetigte und haushaltsunabhängige Finanzierung der Energiewende
sicherzustellen.

Doch die jüngste Entwicklung des EU-Emissionshandelssystems und der dar-
aus resultierenden Einnahmen bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Aus-
gestaltung der Klimaschutzpolitik in Deutschland. Denn aktuell steht der EU-
Emissionshandel unter starkem Druck, da ein erhebliches Überangebot an CO2-
Zertifikaten besteht; dies hat zu einem Verfall der Zertifikatepreise geführt.

Die Folgen, die dies für die Umsetzung der energie- und klimapolitischen Ziele
im Rahmen der Energiewende in Deutschland hat, sind noch nicht absehbar.
In der Vergangenheit hat die schwarz-gelbe Regierungskoalition wiederholt
Warnungen hinsichtlich der unsicheren Einnahmebasis des EKF in den Wind
geschlagen. Dies ist umso problematischer, als der Fonds durch Einzelgesetz zu
ändern ist und die Veranschlagung der Mittel des Sondervermögens jeweils in
den Wirtschaftsplänen des EKF erfolgt. Damit ist keine langfristige Planungs-
sicherheit gegeben.

Mit einem Liquiditätsdarlehen aus dem Bundeshaushalt, der Auflösung von
Rücklagen und Umschichtungen innerhalb der Programme will die Bundes-

regierung die nun entstandenen Mindereinnahmen aufgrund gesunkener CO2-
Zertifikatepreise kurzfristig ausgleichen. Schon jetzt steht aber fest, dass in den
kommenden vier Jahren deutlich weniger Geld in den Umwelt- und Klima-
schutz fließen wird als bisher vorgesehen.

Die Energiewende wird jedoch nur gelingen, wenn die verschiedenen Akteure in
Bund, Ländern und Gemeinden in die Lage versetzt werden, flexibel und mit
zielgerichteten Instrumenten auf die Herausforderungen des Klimawandels zu

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reagieren. Eine ausreichende Ausstattung der seit dem vergangenen Jahr im EKF
zusammengefassten Programme ist dafür eine entscheidende Voraussetzung.

Das gilt für das Marktanreizprogramm (MAP), das erneuerbare Energien im
Wärmebereich fördert, und die nationale Klimaschutzinitiative, mit der wich-
tige Klimaschutzprojekte der Kommunen sowie die Installation von Mini-
Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen unterstützt werden. Neben der Bedeutung für
den Klimaschutz schaffen und erhalten beide Programme auch Arbeitsplätze,
vor allem im Handwerk und in kleineren und mittleren Unternehmen.

Das gilt aber auch für das Konzept einer klimagerechten Stadtpolitik, die Ent-
wicklung eines kommunalen Energiemanagements zur Energieversorgung und
die energetische Gebäudesanierung, die darauf zielen, die wirtschaftlichen,
sozialen und demographischen Herausforderungen für die Stadtentwicklung
aktiv zu gestalten. Dies betrifft zudem die Programme zur Förderung der
Elektromobilität, die als ein wichtiger Baustein dazu beitragen sollen, in
Deutschland ein nachhaltiges Verkehrssystem für die Zukunft zu entwickeln.

Die Bundesregierung ist daher aufgefordert, umgehend auf die jüngsten Ein-
nahmeausfälle angesichts sinkender Zertifikatepreise im CO2-Emissionshandel
zu reagieren. Der wichtigste Schritt zur Stabilisierung der Zertifikatepreise ist
eine Anhebung des europäischen Klimaschutzziels auf mindestens 30 Prozent
CO2-Reduktion bis zum Jahr 2020.

Kurzfristig muss es jetzt darum gehen, die durch den EKF finanzierten Pro-
gramme zu sichern und zu verhindern, dass diese aufgrund einer massiven Fehl-
kalkulation der Regierungskoalition empfindlich gekürzt und in ihrer Substanz
gefährdet werden. Die Bundesregierung muss zudem in einem zweiten Schritt
dringend die Struktur des Sondervermögens „Energie- und Klimafonds“ über-
prüfen, damit künftig eine dauerhaft gesicherte Finanzierung der Klima- und
Umweltschutzprogramme gewährleistet ist.

Sollten die Erlöse des Emissionshandels nicht mehr in den Energie- und Klima-
fonds fließen und die eingestellten Programmtitel in den Bundeshaushalt zu-
rückgeführt werden, so ist über eine neu ins Treibhausgas-Emissionshandels-
gesetz (TEHG) einzufügende Klausel sicherzustellen, dass sämtliche Erlöse aus
dem Emissionshandel für den nationalen und internationalen Klimaschutz ver-
wendet werden müssen; das umfasst u.a. auch den Biotopschutz.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

• angesichts der aktuellen Einnahmeentwicklung aus dem Handel mit Treib-
hausgasemissionszertifikaten eine belastbare Preiskalkulation und eine
seriöse Berechnung der für die Zukunft aus dem EU-Emissionshandel zu
erwartenden Erlöse, jeweils für den Fall einer Status-quo-Entwicklung
und einer Verschärfung des Degressionspfads im Zuge einer Anhebung des
EU-Klimaschutzziels auf 30 Prozent, vorzulegen;

• sich bei der Weiterentwicklung des Emissionshandels auf europäischer
Ebene insbesondere dafür einzusetzen, dass mit der Anpassung des EU-
Klimaschutzziels auf mindestens 30 Prozent bis 2020 CO2-Emissionszertifi-
kate dem Emissionshandel kontinuierlich entnommen und der Zertifikate-
preis auf diese Weise stabilisiert wird, damit die Wirksamkeit des EU-Emis-
sionshandelssystems als zentrales Instrument der Klimapolitik nicht infrage
gestellt wird und die Unternehmen tatsächliche Anreize zur Senkung ihres
Energieverbrauches erhalten;

• von den für das Haushaltsjahr 2012 angekündigten Programmkürzungen bei
den im „Energie- und Klimafonds“ zusammengefassten Titeln Abstand zu

nehmen;

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• die Ausstattung des Marktanreizprogramms mit den notwendigen Finanz-
mitteln über mehrere Jahre verlässlich sicherzustellen, um dem „stop and
go“ der vergangenen Jahre mit willkürlichen Mittelkürzungen und Haus-
haltssperren ein Ende zu setzen;

• dafür Sorge zu tragen, dass die Programme zur energetischen Gebäude-
sanierung im Haushaltsjahr 2012 in vollem Umfang fortgeführt werden;

• für eine stabile Mittelausstattung der Förderprogramme der KfW Banken-
gruppe zur energetischen Gebäudesanierung im Bundeshaushalt in Höhe von
mindestens 2 Mrd. Euro zu sorgen und die Programme mit anderen Förder-
programmen des Bundes besser zu verzahnen;

• auf eine Veränderung der Förderkriterien für das CO2-Gebäudesanierungs-
programm der KfW Bankengruppe zu verzichten;

• das Programm „Energetische Stadtsanierung“ als eigenständigen Titel in den
bewährten Rahmen der Städtebauförderung aufzunehmen, den Quartiers-
ansatz verstärkt zu berücksichtigen und verlässlich und ausreichend zu finan-
zieren;

• dafür Sorge zu tragen, dass die Programme zur Elektromobilität im Haus-
haltsjahr 2012 in vollem Umfang fortgeführt werden und insbesondere die
Finanzierung von Leuchtturmprojekten gesichert wird;

• ihre Zusage aus dem Regierungsprogramm Elektromobilität einzuhalten, bis
zum Ende der 17. Wahlperiode eine weitere Milliarde Euro für Forschung
und Entwicklung im Bereich der Elektromobilität bereitzustellen sowie eine
verlässliche Anschlussfinanzierung für die Förderung der bisherigen Mo-
dellregionen und der nicht ausgewählten Schaufensterbewerbungen zur Er-
probung der Elektromobilität sicherzustellen;

• die Förderung der Elektromobilität in ein schlüssiges Gesamtkonzept zur
Energiewende in Deutschland aufzunehmen, um die Chancen dieses Mobili-
täts- und Technologiewandels im Hinblick auf die Umsetzung wesentlicher
umwelt-, verkehrs- und wirtschaftspolitischer Ziele zu nutzen;

• im Hinblick auf die Beratungen für den Bundeshaushalt 2013 ein solides und
nachhaltiges Konzept zur Finanzierung von Energiewende und Klimaschutz
in Deutschland vorzulegen und die gemäß den Eckwerten des Bundes-
haushalts 2013 und des Finanzplans bis 2016 geplanten Mittelkürzungen
gegenüber den Ansätzen im Wirtschafts- und Finanzplan 2012 zurückzu-
nehmen;

• künftig eine mittel- und langfristig gesicherte Finanzausstattung der Förder-
programme für erneuerbare Energien und mehr nationalen und internationa-
len Klima- und Umweltschutz sicherzustellen;

• den Wirtschaftsplan des Sondervermögens so zu gestalten, dass ab dem Jahr
2013 mindestens 30 Prozent der Einkünfte aus dem Emissionshandel für die
internationale Klimafinanzierung verwendet werden;

• sich dafür einzusetzen, dass es in der internationalen Klimafinanzierung
nach dem Ende der Kurzfristfinanzierung keine Lücke gibt. Deutschland und
die anderen Industrieländer müssen einen glaubwürdigen Plan vorlegen, wie
sie ihre Klimahilfen für die armen Länder über die nächsten Jahre steigern
werden. Die Bundesregierung muss ein Aufwuchsszenario vorlegen, wie
sich die deutsche Klimafinanzierung bis zum Jahr 2020 entwickeln soll, so
dass Deutschland seinen angemessenen Beitrag zum 100-Mrd.-Euro-Ver-
sprechen von Kopenhagen und Cancún leisten kann;

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• die vorgenommene Zusammenfassung aller Programmausgaben für die Ent-
wicklung der Elektromobilität im Sondervermögen „Energie- und Klima-
fonds“ zurückzunehmen und eine Rückübertragung der Ausgabetitel in den
Bundeshaushalt vorzunehmen;

• alle Programme und Maßnahmen im „Energie- und Klimafonds“ wieder in
die Einzelpläne des Bundeshaushalts zu überführen, insbesondere wenn eine
Verstetigung der Einnahmen des Fonds auf Basis der oben genannten belast-
baren Preiskalkulation für die CO2-Zertifikate nicht erreicht werden kann;

• sicherzustellen, dass die Entscheidung über die Dotierung der einzelnen Titel
des „Energie- und Klimafonds“ vorrangig nach fachpolitischen Erwägungen
erfolgt und die parlamentarischen Mitwirkungsrechte in dieser Frage ent-
scheidend gestärkt werden.

Berlin, den 26. Juni 2012

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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