BT-Drucksache 17/10072

Versorgungsengpässe bei Arzneimitteln

Vom 22. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10072
17. Wahlperiode 22. 06. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kathrin Vogler, Dr. Martina Bunge, Klaus Ernst, Katja Kipping,
Jutta Krellmann, Yvonne Ploetz, Kathrin Senger-Schäfer, Harald Weinberg,
Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Versorgungsengpässe bei Arzneimitteln

Die „Frankfurter Rundschau“ berichtete am 11. Juni 2012 von Versorgungseng-
pässen bei wichtigen Arzneimitteln in deutschen Kliniken. Diese müssten sich
häufig mit kontingentierten Lieferungen zufriedengeben oder auf Mittel der
zweiten Wahl zurückgreifen. Nicht selten würden Zwischenhändler und Impor-
teure mit überhöhten Preisen die Situation ausnutzen.

Die Arzneimittelpreisverordnung gilt in Krankenhäusern nicht. Stattdessen wer-
den die Preise mit den Herstellern oder Händlern frei ausgehandelt. Der Arznei-
mittelgroßhandel hat ebenso wie die Apotheken in Deutschland einen gesetzli-
chen Versorgungsauftrag. Laut einem weiteren Bericht der „Frankfurter
Rundschau“ vom 12. Juni 2012 ist nach Auffassung des Bundesministeriums für
Gesundheit auch die Pharmaindustrie gesetzlich verpflichtet, die in Deutschland
vertriebenen Arzneimittel kontinuierlich bereitzustellen.

Nach Meldung der „Frankfurter Rundschau“ ist bereits 2011 im Kreise der G8-
Beratungen über die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung beraten worden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Sind der Bundesregierung die beschriebenen Versorgungsengpässe bekannt?

Falls ja, welche Arzneimittel sind von Engpässen betroffen, wie häufig treten
sie auf, und wie lange dauern sie an?

2. Sind der Bundesregierung ähnliche Probleme aus dem ambulanten Sektor be-
kannt, bei denen nicht substituierbare Arzneimittel nicht lieferbar sind?

3. Sind der Bundesregierung aus der Vergangenheit vergleichbare Berichte für
Deutschland bekannt?

Hat sie den Eindruck, dass es sich um ein relativ neues oder um ein bekann-
tes, aber zunehmendes Problem handelt?

4. Welche Ursachen sieht die Bundesregierung für die Versorgungsengpässe?
Kann sie unterschiedliche Ursachen bei betroffenen Arzneimitteln wie etwa
dem im Bericht angesprochenen Aspirin zur parenteralen Applikation oder
bei neuen Krebsarzneimitteln erkennen?

5. Sind der Bundesregierung vergleichbare Probleme aus anderen europäischen
Staaten bekannt (falls ja, bitte nach Art und Umfang auflisten sowie die
jeweiligen Gegenmaßnahmen aufführen)?

Drucksache 17/10072 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

6. Treten die Lieferengpässe zu den einzelnen Arzneimitteln regelmäßig inter-
national gleichzeitig auf?

7. Inwiefern können die entsprechenden Arzneimittel bei Lieferengpässen von
den Kliniken importiert werden?

8. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bezüglich des beschriebenen
Problems in den USA und den dort gewonnenen Erkenntnissen der zustän-
digen Behörde und staatlichen Handlungsoptionen?

9. Hält die Bundesregierung die in dem Artikel der „Frankfurter Rundschau“
vom 11. Juni 2012 beschriebenen Priorisierungs- und Rationierungsvor-
gänge in deutschen Kliniken aufgrund von Lieferengpässen für politisch
wünschenswert oder akzeptabel (bitte begründen)?

10. Hat die Pharmaindustrie nach Ansicht der Bundesregierung aufgrund der
Bedeutung von Arzneimitteln in der Medizin eine besondere Verantwor-
tung in der Gesellschaft?

Falls ja, wird sie dieser Verantwortung gerecht, wenn einfach herzustel-
lende, haltbare und wichtige Arzneimittel wie Aspirin zur parenteralen Not-
fallmedikation nicht kontinuierlich verfügbar sind?

11. Lässt sich nach Einschätzung der Bundesregierung in diesem Fall von
Marktversagen sprechen?

Welche grundrechtliche Verpflichtung hat der Staat, für eine sichere Arznei-
mittelversorgung regulierend einzugreifen?

12. Welche gesetzlichen Regelungen hat die Bundesregierung in ihrer Aussage
gegenüber der „Frankfurter Rundschau“ vor Augen, die die Pharmaindus-
trie zu einer kontinuierlichen Bereitstellung der in Deutschland in den Ver-
kehr gebrachten Arzneimittel verpflichten?

Ist die Pharmaindustrie aufgrund dieser Regelung verpflichtet, bedarfs-
orientiert zu produzieren bzw. Arzneimittel verfügbar zu halten, wie es die
Aussage des Bundesministeriums suggeriert?

13. Hält die Bundesregierung eine gesetzliche Verpflichtung der Pharmaindus-
trie, die Behörden frühzeitig über Engpässe zu informieren, rechtlich für
möglich?

Wie beurteilt sie den möglichen Nutzen einer solchen gesetzlichen Ver-
pflichtung der Industrie zur frühzeitigen Information der Behörden über
Engpässe, wie sie von US-amerikanischen Parlamentarierinnen und Par-
lamentariern geplant ist (vgl. Tages-Anzeiger Zürich, 25. Mai 2012)?

14. Welche weiteren politischen Handlungsoptionen sieht die Bundesregie-
rung, um den beschriebenen Versorgungsengpässen entgegenzuwirken?

15. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um den beschriebenen
Versorgungsengpässen entgegenzuwirken?

16. Welche Gründe sprechen nach Ansicht der Bundesregierung für und welche
Gründe sprechen gegen einen gesetzlichen Versorgungsauftrag der Pharma-
industrie?

Wäre es dafür notwendig, die Industrie sozialrechtlich als Leistungserbrin-
ger zu definieren, und welche Konsequenzen hätte dies?

17. Ist es richtig, dass der Pharmaindustrie in Österreich ein Sicherstellungsauf-
trag gegeben wurde?

Falls ja, welche Auswirkungen hat dieser Gesetzesauftrag?
Aus welchen Staaten sind der Bundesregierung ähnliche Regelungen be-
kannt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10072

18. Könnte die beschriebene Preispolitik von Händlern und Importeuren bei
Lieferengpässen des Herstellers verhindert werden, wenn die Arzneimittel-
preisverordnung auch im stationären Sektor Anwendung fände?

Plant die Bundesregierung eine entsprechende Gesetzesinitiative?

19. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der im Bericht
zitierten Aussage des Bundesverbandes der pharmazeutischen Industrie e. V.,
dass unwirtschaftliche Erstattungspreise in Deutschland mit ursächlich für
die Versorgungsengpässe sind?

Kann die Bundesregierung aufbauend auf die Antwort zu Frage 4 einen Zu-
sammenhang zwischen Erstattungspreisen und Versorgungsengpässen aus-
machen?

20. Welche Probleme in der Arzneimittelversorgung sind bei den G8-Beratun-
gen besprochen und welche Lösungsansätze diskutiert worden?

Wie hat sich Deutschland hier positioniert?

Berlin, den 20. Juni 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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