BT-Drucksache 17/10046

Werbung der Bundeswehr unter 11-jährigen Kindern am Girls` Day

Vom 18. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10046
17. Wahlperiode 18. 06. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan van Aken, Christine Buchholz, Heidrun
Dittrich, Annette Groth, Dr. Rosemarie Hein, Harald Koch, Niema Movassat,
Petra Pau, Jens Petermann, Paul Schäfer (Köln), Kathrin Senger-Schäfer,
Katrin Werner, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Werbung der Bundeswehr unter 11-jährigen Kindern am Girls’ Day

Erneut hat die Gebirgsjägerbrigade 23 der Bundeswehr in Bad Reichenhall unter
Minderjährigen geworben.

Bereits voriges Jahr wurde die Kaserne dadurch bekannt, dass Kinder im Rah-
men eines Tages der offenen Tür Schusswaffen in die Hand nehmen konnten. In
der Öffentlichkeit viel beachtet und viel kritisiert war auch das Betreiben eines
als „Klein Mitrovica“ bezeichneten Modelldorfes, das Kinder durch ein bereit-
gestelltes militärisches Ausbildungsgerät („Griffstück mit Optik“, vgl. Bundes-
tagsdrucksache 17/6410) ins Visier nehmen konnten. Die Bundesregierung ge-
stand einen Verstoß gegen bundeswehrinterne Richtlinien ein.

Auch in diesem Jahr haben die Gebirgsjäger ihre Selbstdarstellung auf Minder-
jährige ausgeweitet. Wie aus einer Presseerklärung der Gebirgsjägerbrigade 23
hervorgeht, haben sie am sogenannten Girls’ Day 21 Mädchen und einen Jungen
„im Alter zwischen elf und 17 Jahren“ teilnehmen lassen.

Nach Informationen der Fragesteller hat das Bundesministerium der Vertei-
digung (BMVg) den Veranstaltern des Girls’ Day zugesichert, an Veranstaltun-
gen der Bundeswehr nur Mädchen mit einem Mindestalter von 14 Jahren teil-
nehmen zu lassen. Dies soll auch innerhalb der Bundeswehr kommuniziert
worden sein. Dies vorausgesetzt, hat die Gebirgsjägerbrigade im Bestreben,
Kinder militärischer Werbung auszusetzen, in diesem Jahr erneut gegen interne
Richtlinien bzw. Anweisungen verstoßen.

Eine Recherche der Fragesteller auf der Homepage des Deutschen Heeres hat
ergeben, dass die Gebirgsjägerbrigade 23 bereits im Jahr 2006 zum Girls’ Day
elf- bis 15-jährige Mädchen eingeladen hatte, um sie für eine Laufbahn in der
Bundeswehr zu interessieren.

Die Fragesteller sehen daher ihren bereits anlässlich des Skandals vom Vorjahr
geäußerten Verdacht bestätigt, dass Verstöße gegen eigene Richtlinien in Bad
Reichenhall keineswegs eine Ausnahme darstellen. Dies wirft die Frage auf,

welchen Ernst die Bundeswehrführung ihren eigenen Anweisungen beimisst,
und was sie dagegen unternimmt, dass die Gebirgsjäger dem Willen der Bundes-
wehrführung bzw. des Bundesministeriums der Verteidigung zuwiderhandelt.

Denn auch angesichts der Rekrutierungsnot der Bundeswehr zeugt es nicht nur
von Geschmacklosigkeit, unter elfjährigen Kindern für einen Dienst beim Mili-
tär zu werben, sondern muss auch kinderrechtspolitisch zurückgewiesen wer-
den. Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung sich verbal gegen die Rekru-

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tierung von Kindersoldaten im Ausland wendet und im eigenen Land beide
Augen zudrückt, wenn eine Gebirgsjägerbrigade solche frühzeitigen Anwerbe-
bzw. Manipulationsversuche betreibt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Vereinbarungen wurden zwischen Bundeswehr und Organisatoren
des Girls’ Day hinsichtlich des Mindestalters der Teilnehmerinnen an Ver-
anstaltungen der Bundeswehr getroffen?

2. In welcher Form und mit welchem Grad an Verbindlichkeit wurden diese
Vereinbarungen innerhalb der Bundeswehr kommuniziert?

3. Aufgrund welcher Kriterien bzw. Überlegungen hat das BMVg die Fest-
legung auf das Mindestalter von 14 Jahren für die Teilnahme an Veranstal-
tungen der Bundeswehr im Rahmen des „Girls’ Day“ vorgenommen?

4. Wann hat die Bundesregierung davon Kenntnis bekommen, dass – wie auf
der Homepage des Deutschen Heeres zu lesen – die Gebirgsjägerbrigade 23
bereits beim „Girls’ Day“ des Jahres 2006 elf- bis 15-jährigen Mädchen
„Karrieremöglichkeiten bei der Bundeswehr aufgezeigt“ worden sind?

5. Wie hat die Bundesregierung damals darauf reagiert, und wie hat der Kom-
mandant der Gebirgsjägerbrigade sein Verhalten begründet?

Wurde seitens der Gebirgsjägerbrigade damals zugesichert, in Zukunft
keine Kinder unter 14 Jahre zum „Girls’ Day“ einzuladen?

6. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass zum „Girls’ Day“ der Jahre
2007 bis 2011 bei der Gebirgsjägerbrigade ebenfalls Kinder unter 14 Jahren
eingeladen wurden?

7. Hat es anlässlich des „Girls’ Day“ der Jahre 2007 bis 2011 weitere Kommu-
nikationen zwischen Bundeswehrführung bzw. BMVg und der Gebirgs-
jägerbrigade gegeben, und wenn ja, welchen Inhalts?

8. Wann hat die Bundesregierung davon Kenntnis erhalten, dass die Gebirgs-
jägerbrigade in diesem Jahr erneut gegen die genannte Vereinbarung ver-
stoßen hat, und Kinder unter 14 Jahre am „Girls’ Day“ teilnehmen konnten?

9. Wie bewertet die Bundesregierung die wiederholte Missachtung der Ab-
machung mit dem „Girls’ Day“, und welche Erklärung hat sie dafür, dass
ausgerechnet die Gebirgsjägerbrigade wiederholt gegen interne Regeln be-
züglich der Werbung unter Kindern verstößt?

10. Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung daraufhin gegenüber den
Verantwortlichen der Gebirgsjägerbrigade bereits eingeleitet, und welche
weiteren Schritte werden noch geprüft?

Inwiefern sind darunter disziplinarische Maßnahmen?

11. Welche anderen Niederlassungen der Bundeswehr haben in der Vergangen-
heit Kinder unter 14 Jahren anlässlich des „Girls’ Day“ eingeladen (bitte
nach Jahren und Niederlassungen aufgliedern)?

Falls die Bundesregierung hierüber keine Kenntnis hat, ist sie bereit, eine
Abfrage unter den jeweiligen Kasernen durchzuführen, um diese Zahlen zu
ermitteln, und so das Ausmaß Kinder-Werbung auszuloten, und wenn nein,
warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10046

12. Wie will die Bundeswehr sicherstellen, dass sich sämtliche Kasernen, auch
jene der Gebirgsjäger, künftig daran halten, keine Kinder unter 14 Jahren
zum „Girls’ Day“ einzuladen?

a) Ist sie bereit, zu diesem Zweck, auch disziplinarische Maßnahmen an-
zudrohen, und wenn nein, warum nicht?

b) Ist sie bereit, in Gespräche mit den Organisatoren des „Girls’ Day“ zu
treten, um Möglichkeiten für eine bessere Kontrolle des Verhaltens der
Bundeswehreinheiten zu besprechen?

13. Bei welchen anderen Gelegenheiten werden Kinder unter 14 Jahren zu
Zwecken der Reklame (im weitesten Sinne) in Bundeswehrliegenschaften
eingeladen?

a) Wie viele Kinder waren dies im Jahr 2011 (bitte nach Alter und Liegen-
schaft aufgliedern)?

b) Was genau war Anlass der Einladung in die Liegenschaften?

c) Wurde zuvor in jedem Fall das ausdrückliche Einverständnis der Er-
ziehungsberechtigten eingeholt, und wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 18. Juni 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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