BT-Drucksache 16/9927

Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur Verbesserung des Verfahrens zur Wahl von Bundesverfassungsrichterinnen und Bundesverfassungsrichtern

Vom 3. Juli 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9927
16. Wahlperiode 03. 07. 2008

Antrag
der Abgeordneten Jerzy Montag, Irmingard Schewe-Gerigk, Hans-Christian
Ströbele, Wolfgang Wieland, Josef Philip Winkler und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur Verbesserung
des Verfahrens zur Wahl von Bundesverfassungsrichterinnen und
Bundesverfassungsrichtern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages in der Fassung der Be-
kanntmachung vom 2. Juli 1980 (BGBl. I S. 1237), zuletzt geändert durch
Bekanntmachung vom … [Datum der letzten Bekanntmachung einsetzen]
(BGBl. I S. [Seitenzahl einsetzen]), wird wie folgt geändert:

1. Nach § 112 wird folgender Abschnitt eingefügt:

„X. Wahl der Richter zum Bundesverfassungsgericht

§ 112a
Bundesverfassungsrichterwahl

(1) Die Richter des Bundesverfassungsgerichts werden auf Vorschlag
des Rechtsausschusses vom Bundestag mit verdeckten Stimmzetteln
(§ 49) und ohne Aussprache gewählt. Gewählt ist, wer eine Mehrheit von
drei Vierteln der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigt.

(2) Über den Vorschlag entscheidet der Rechtsausschuss. Auf Antrag
einer Fraktion ist ein Kandidat in den Vorschlag aufzunehmen.

(3) Die Kandidaten, die der Rechtsausschuss dem Bundestag vor-
schlägt, sollen vorher vom Ausschuss in öffentlicher Sitzung angehört
werden. Auf Antrag einer Fraktion ist eine solche Anhörung durchzufüh-
ren. Die weitere Beratung und Beschlussfassung erfolgt in nichtöffent-
licher Sitzung.

(4) § 126 ist nicht anzuwenden.

(5) Die vorstehenden Absätze gelten bei der Wahl des Präsidenten und
des Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichtes entsprechend.“

2. In der Überschrift vor § 113 wird die Angabe „X.“ durch die Angabe „XI.“

ersetzt.

3. In der Überschrift vor § 116 wird die Angabe „XI.“ durch die Angabe
„XII.“ ersetzt.

4. In der Überschrift vor § 126 wird die Angabe „XII.“ durch die Angabe
„XIII.“ ersetzt.

Drucksache 16/9927 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

II. Die vorstehenden Änderungen der Geschäftsordnung treten an dem Tage in
Kraft, an welchem das Gesetz zur Verbesserung des Verfahrens zur Wahl der
Bundesverfassungsrichterinnen und Bundesverfassungsrichter in Kraft tritt.

Berlin, den 3. Juli 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Gleichzeitig mit dem vorliegenden Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung
ist das Gesetz zur Verbesserung des Verfahrens zur Wahl von Bundesverfas-
sungsrichterinnen und Bundesverfassungsrichtern eingebracht worden. Der
vorliegende Regelungsvorschlag zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundes-
tages (GO-BT) füllt den Raum aus, den § 6 des Bundesverfassungsgerichts-
gesetzes (BVerfGG) in der Fassung des genanten Gesetzentwurfs eröffnet.

Mit dem vorliegenden Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung und dem
Gesetztentwurf werden folgende konzeptionelle Ziele verfolgt:

Das Verfahren zur Wahl der Bundesverfassungsrichter ist intransparent. Dies
haben gerade Vorgänge in jüngster Zeit gezeigt. Es besteht kein Verfahren, das
der Öffentlichkeit die Möglichkeit eröffnet, sich auf Grund eigener Anschauung
eine fundierte Auffassung zu den Kandidaten zu bilden. Zugleich steht auch den
Kandidaten kein Verfahren zur Verfügung, in dem sie etwaige Bedenken gegen
ihre Kandidatur in einer sachorientierten Befragung ausräumen können.

Zu der Intransparenz trägt dabei auch bei, dass die beiden großen politischen
Lager (CDU/CSU und SPD) die Benennung der Richter vielfach als ihre ge-
meinsame (alleinige) Domäne betrachten und sie sich nicht regelmäßig gehalten
sehen, auch mit den kleineren Parteien einen Konsens über die beste Besetzung
des Gerichtes zu erzielen.

Weiterhin ist es – jenseits der Frage, ob dies verfassungsgemäß ist – nicht mehr
hinnehmbar, dass der Deutsche Bundestag nicht, wie im Wortlaut des Grund-
gesetzes vorgesehen (Artikel 94 Abs. 1 GG), die Wahl der von ihm zu bestim-
menden Verfassungsrichter selbst vornimmt, sondern diese ihm zugewiesene
Funktion an ein Gremium delegiert hat.

Deshalb sieht der genannte Gesetzentwurf vor (§ 6 BVerfGG), dass der Deut-
sche Bundestag, nunmehr wie im GG vorgesehen, die Wahl der Verfassungsrich-
ter selbst vornimmt. Dieser Wahl vorgeschaltet werden soll dabei ein transparen-
tes Verfahren, das – ebenso wie die für die Wahl erforderliche Mehrheit – in der
Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages geregelt werden soll. Dieser Re-
gelungsstandort wurde zum einen gewählt, weil das Verfahren im Deutschen
Bundestag üblicherweise in der Geschäftsordnung geregelt ist. Zum andern sieht
Artikel 42 Abs. 2 Satz 2 GG vor, dass Regelungen über die qualifizierte Mehr-
heit bei Wahlen gerade in der Geschäftsordnung zu treffen sind. Aus diesen
Gründen lag es nahe, in der gesetzlichen Regelung nach Artikel 94 Abs. 2 Satz 1
GG nur die Grundlagen für eine Einzelregelung in der Geschäftsordnung des
Deutschen Bundestages (und entsprechend für die Geschäftsordnung des Bun-
desrates für die von ihm zu wählenden Richter) zu legen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9927

Im Einzelnen sind in dem vorliegenden Vorschlag zur Änderung der Geschäfts-
ordnung folgende Regelungskomponenten enthalten:

§ 112a Abs. 1 legt die für die Wahl erforderliche Mehrheit auf drei Viertel der
abgegebenen Stimmen der Mitglieder des Deutschen Bundestages fest (bisher
Zwei-Drittel-Mehrheit). Damit wird der Zustand wieder hergestellt, der ur-
sprünglich im BVerfGG vorgesehen war. Denn nach der ursprünglichen Rege-
lung war im entsprechenden Gremium eine Drei-Viertel-Mehrheit erforderlich
(vgl. § 6 Abs. 4 BVerfGG vom 12. März 1951; BGBl. I S. 243). Inhaltlich ist
diese Regelung sinnvoll, damit die beiden großen Parteien gehalten sind, einen
breiten Konsens über die Besetzung des Gerichtes zu bilden und dieses Thema
nicht weiterhin zum Gegenstand intransparenter Absprachen zu machen. Die
gewählte Mehrheit korrespondiert dabei mit Regelungen im GG, die gleichfalls
einer Minderheit von 25 Prozent Einflussmöglichkeiten eröffnen (vgl.
Artikel 44 Abs. 1 GG und Artikel 23 Abs. 1a sowie Artikel 93 Abs. 1 Nr. 2 in
der Fassung der jüngst verabschiedeten Änderung des Grundgesetzes; siehe
dazu: Bundestagsdrucksache 16/8488).

Wie bei anderen Wahlen im Deutschen Bundestag erfolgt die Wahl mit verdeck-
ten Stimmzetteln und ohne Aussprache.

Die Wahl wird dabei durch den Rechtsauschuss vorbereitet (vgl. § 112a
Abs. 1 bis 3 GO-BT). Dem Rechtsausschuss kommt die Aufgabe zu, sich Ver-
fassungsfragen in besonderer Weise anzunehmen. Regelmäßig soll er dabei
eine auf Verfassungsfragen konzentrierte Anhörung (§ 121a Abs. 3 GO-BT)
derjenigen Kandidaten durchführen, die er – gegebenenfalls auch aufgrund
eines Minderheitsvotums einer Fraktion (§ 121a Abs. 2 Satz 2 GO-BT) – dem
Deutschen Bundestag zur Wahl vorschlägt. Auf Antrag einer Fraktion ist der
Ausschuss verpflichtet eine Anhörung der vorgeschlagenen Kandidaten durch-
zuführen (§ 121a Abs. 3 Satz 2 GO-BT). Die weiteren Beratungen, in denen
auch für den Kandidaten sensible Fragen angesprochen werden können, sollen
jedoch vertraulich bleiben (§ 121a Abs. 3 Satz 3 GO-BT).

Die Regelung in § 112a Abs. 4 GO-BT stellt sicher, dass nicht in einem laufen-
den Verfahren von den Vorgaben der Vorschrift abgewichen werden kann.

§ 112a Abs. 5 GO-BT stellt klar, dass das neue Verfahren auch auf die Wahl von
Präsidenten und Vizepräsidenten des Gerichtes Anwendung findet.

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