BT-Drucksache 16/9813

zu der zweiten und dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/6311, 16/6648, 16/9777- Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen (MoRaKG)

Vom 25. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9813
16. Wahlperiode 25. 06. 2008

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Axel Troost, Dr. Petra Sitte, Dr. Barbara Höll, Ulla Lötzer,
Dr. Herbert Schui und der Fraktion DIE LINKE.

zu der zweiten und dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/6311, 16/6648, 16/9777 –

Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Rahmenbedingungen
für Kapitalbeteiligungen (MoRaKG)

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Gesetz ist nicht in Kraft zu setzen.

1. Das Gesetz trägt nicht dazu bei, junge mittelständische Unternehmen oder
sinnvolle Innovationen zielgenau und nachhaltig zu fördern.

– Der Kreis der Unternehmen, an dem sich Wagniskapitalgesellschaften be-
teiligen dürfen, umfasst nach dem Gesetz auch große, nichttechnologie-
orientierte Unternehmen.

– Es ist zweifelhaft, dass eine steuerliche Förderung zu mehr Wagniskapital-
finanzierungen führt – erstens ist der Rückgang der Risikokapitalinvesti-
tionen seit dem Jahr 2000 nicht auf eine Verschlechterung der gesetzlichen
Rahmenbedingungen zurückzuführen, zweitens lehnen gerade mittelstän-
dische Betriebe eine Finanzierung mit externem Beteiligungskapital oft ab.

– Ebenfalls fraglich ist, dass Private Equity Fonds geeignete Akteure sind,
um gesellschaftlich wünschenswerte Innovationen nachhaltig zu fördern:
Die Fonds stellen nur dann Kapital bereit, wenn das Finanzierungsumfeld
ohnehin gut ist, und investieren in solche Unternehmen, die kurzfristig
einen hohen Wiederverkaufswert erzielen – auch wenn dieser spekulativ
überhöht ist.

2. Das Gesetz dient ausschließlich dazu, Steuergeschenke an Vermögende zu
verteilen. Die finanziellen Auswirkungen des Gesetzes werden die öffent-
lichen Haushalte in weitaus größerem Maße belasten, als von der Bundes-

regierung behauptet. Die Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums von
unten nach oben wird damit fortgesetzt.

– Bestimmte Arten von Private Equity Fonds werden vollständig von der Ge-
werbesteuer und der Umsatzsteuer auf bestimmte Dienstleistungen befreit.

– Manager vermögensverwaltender Fonds kommen auch künftig in den
Genuss einer teilweisen Steuerbefreiung auf ihre erhöhte Gewinnbetei-

Drucksache 16/9813 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ligung (sog. carried interest). Der Absenkung der Steuerbefreiung von 50
auf 40 Prozent wird eine Zunahme der als vermögensverwaltend einge-
stuften Fonds gegenüberstehen.

– Die Einführung eines Steuerfreibetrages von 200 000 Euro zur Förderung
sog. Business Angel begünstigt ausschließlich einen Kreis sehr vermögen-
der Personen. Dadurch, dass sich dieser Freibetrag erst oberhalb eines Ver-
äußerungsgewinns von 800 000 Euro wieder abbaut, wird die Ver-
äußerung von Unternehmensanteilen im Wert von bis zu 1 Mio. Euro
steuerlich privilegiert.

3. Das MoRaKG fördert genau diejenigen Unternehmen, die in der öffentlichen
Debatte zu Recht als Heuschrecken kritisiert werden.

– Die Praxis vieler Private Equity Fonds, Zielunternehmen im Interesse
einer kurzfristigen Renditeorientierung übermäßig mit Schulden zu belas-
ten, wird nicht sanktioniert.

– Im Gegenteil wird stattdessen den Beteiligungsgesellschaften die Verwer-
tung weiterer Teile der Unternehmenslandschaft ermöglicht – durch die
im Rahmen des MoRaKG vorgesehene Novellierung des Unternehmens-
beteiligungsgesellschaftsgesetzes (UBGG).

Berlin, den 24. Juni 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Die Bundesregierung betont in der Begründung des Gesetzentwurfs die Bedeu-
tung junger und mittelständischer Unternehmen bei der Verbesserung des Inno-
vations- und Wachstumspotentials. Auch in einem Eckpunktepapier des Bun-
desministeriums der Finanzen wurde das Ansinnen formuliert, insbesondere
jungen und technologieorientierten Unternehmen mit wenig Eigenkapital die
Bedingungen zur Beschaffung von Wagniskapital zu erleichtern. Im jetzigen
Gesetzentwurf ist der Kreis derjenigen Unternehmen, an denen sich Private
Equity Fonds in der Form einer Wagniskapitalgesellschaft beteiligen dürfen
(sog. Zielunternehmen) allerdings stark ausgeweitet worden. Während eine De-
finition der „Technologieorientierung“ vollständig unterblieb, wurde die Eigen-
kapitalgrenze der Zielunternehmen nunmehr auf 20 Mio. Euro festgelegt – im
Gegensatz zur ursprünglich geplanten Grenze von 500 000 Euro. Kein einziges
der im KfW-Mittelstandspanel aufgeführten Unternehmen verfügt über ein
Eigenkapital in dieser Höhe.

Allgemein gibt es kaum Hinweise auf einen Kapitalmangel bei Unternehmen in
Deutschland. Auch dass eine unbefriedigte Nachfrage nach Beteiligungskapital
bestehe, lässt sich nicht nachweisen. Verschiedene empirische Studien zeigen im
Gegenteil, dass einer der wichtigsten Gründe für ein oft beklagtes mangelndes
Angebot an Beteiligungskapital schlichtweg eine nicht vorhandene Nachfrage
(bzw. eine Ablehnung) seitens der zu finanzierenden Unternehmen ist. In der
KfW-Studie „Beteiligungsfinanzierung nach der Marktkonsolidierung“ von 2006
etwa heißt es: „Als wichtigste Gründe dafür, dass in manchen Segmenten von
den Beteiligungsgesellschaften keine Finanzierungen angeboten werden, nen-
nen die befragten Gesellschaften ein zu hohes erwartetes Risiko und eine ab-
lehnende Haltung der potentiellen Beteiligungsnehmer gegenüber Beteiligungs-

kapital“.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9813

Dass der Umfang an Wagniskapitalfinanzierungen heute viel niedriger ist als im
Jahr 2000 (wie auch das Bundesministerium der Finanzen im oben genannten
Eckpunktepapier beklagt), liegt keinesfalls an einer etwaigen Verschlechterung
der gesetzlichen Rahmenbedingungen, die jetzt rückgängig gemacht werden
müsste. Vielmehr ist das enorme Wagniskapitalangebot im Jahr 2000 darauf
zurückzuführen, dass Private Equity Fonds prozyklisch agieren: Weil sie auf ei-
nen lukrativen Verkauf der erworbenen Unternehmensanteile hinarbeiten, stel-
len sie nur in „guten Zeiten“, bei „freundlichem“ Börsenumfeld Risikokapital
bereit und konzentrieren sich dabei auf boomende Branchen. Wenn dann erwar-
tet wird, dass sich ein Unternehmen später an der Börse gut verkaufen lässt, be-
kommt das Unternehmen Risikokapital – auch wenn die Kurse spekulativ über-
höht sind. Vor diesem Hintergrund lässt sich anzweifeln, ob die Förderung von
Private Equity der richtige Weg ist, um sinnvolle und wünschenswerte Inno-
vationen nachhaltig zu fördern.

Die geplante Steuerfreiheit auf der Ebene der vermögensverwaltenden Fonds
wird oft mit dem irreführenden Begriff der „steuerlichen Transparenz“ ver-
schleiert. Eine Besteuerung fände dann ausschließlich auf der Ebene der Anleger
statt. Da diese aber überwiegend im Ausland ansässig oder steuerbefreite Inlän-
der (z. B. Lebensversicherungen) sind, wird die Steuerfreiheit dazu führen, dass
in Deutschland erwirtschaftete Erträge weithin gar nicht mehr besteuert werden.
In der Antwort auf eine kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. sah sich die
Bundesregierung nicht dazu in der Lage zu beziffern, in welchem Umfang sich
Fondsgesellschaften neu- bzw. umbilden werden, um der Anforderung an eine
steuerfreie Wagniskapitalgesellschaft zu entsprechen. Ebenso ist die Bundes-
regierung nicht in der Lage, die voraussichtlichen Mindereinnahmen bei der
Gewerbesteuer zu beziffern. Selbst die Mindereinnahmen, die aus der bereits
geltenden Regelung zur hälftigen Einkommensteuerbefreiung der erhöhten
Gewinnbeteiligung von Fondsmanagern vermögensverwaltender Fonds resul-
tieren, kann die Bundesregierung nicht benennen (Bundestagsdrucksache 16/6206).
Dies steht in deutlichem Widerspruch zu der Darstellung der finanziellen Aus-
wirkungen im Gesetzentwurf der Bundesregierung. Es muss davon ausgegangen
werden, dass die von der Bundesregierung genannte voraussichtliche Gesamtbe-
lastung für Bund, Länder und Kommunen in Höhe von 465 Mio. Euro nicht auf
belastbarem Datenmaterial beruht. Vielmehr muss im Falle des Inkrafttretens
des MoRaKG mit Ausfällen bei der Einkommensteuer gerechnet werden, die im
Finanztableau der Bundesregierung gar nicht aufgeführt werden. Diese resultie-
ren aus der Umqualifizierung gewerblicher Einkünfte in Beteiligungseinkünfte.
Damit kann das bestehende Steuersatzgefälle zwischen dem einkommensteuer-
lichen Spitzensteuersatz und der ab 2009 geltenden Abgeltungssteuer für mas-
sive steuerliche Gestaltungen ausgenutzt werden. Auch das unternehmerische
Engagement der sog. Business Angel bedarf keiner zusätzlichen steuerlichen
Förderung, da gerade ihnen ein hohes Maß an unternehmerischem Sachverstand
und beste Kenntnisse über die Situation der von ihnen „betreuten“ Unternehmen
unterstellt werden kann. Ebenso sind sog. Business Angel nicht uneigennützig
tätig und können im Erfolgsfall außerordentlich hohe Veräußerungsgewinne
erzielen.

Dem bekannten Problem, dass Unternehmen, an denen sich Private Equity
Fonds beteiligen, nach deren Übernahme oftmals in wirtschaftlich nicht ver-
kraftbarem Umfang Schulden aufgebürdet werden, setzt dieses Gesetzesvorha-
ben wie auch das Risikobegrenzungsgesetz (Bundestagsdrucksache 16/7438),
nichts entgegen. Vielmehr wird die Verwertung weiterer Unternehmen durch
Private Equity Fonds noch attraktiver – nicht nur durch die o. g. Ausweitung der
Eigenkapitalgrenze im Wagniskapitalbeteiligungsgesetz (WKBG), sondern
auch dadurch, dass im UBGG Beschränkungen hinsichtlich der Beteiligung an

Unternehmen in der Rechtsform einer OHG, GbR und GmbH & Co. KG aufge-
hoben werden sollen.

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