BT-Drucksache 16/9629

Entwurf zur Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur Verbesserung des Verfahrens zur Wahl von Bundesverfassungsrichterinnen und Bundesverfassungsrichtern

Vom 18. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9629
16. Wahlperiode 18. 06. 2008

Antrag
der Abgeordneten Jerzy Montag, Irmingard Schewe-Gerigk,
Hans-Christian Ströbele, Wolfgang Wieland, Josef Philip Winkler
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf zur Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
zur Verbesserung des Verfahrens zur Wahl von Bundesverfassungsrichterinnen
und Bundesverfassungsrichtern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

I. Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages in der Fassung der Be-
kanntmachung vom 2. Juli 1980 (BGBl. I S. 1237), zuletzt geändert laut Be-
kanntmachung vom 26. September 2006 (BGBl. I S. 2210) wird wie folgt geän-
dert:

1. Nach § 112 wird folgender Abschnitt eingefügt:

„X. Wahl der Richter zum Bundesverfassungsgericht

§ 112a Bundesverfassungsrichterwahl

(1) Die Richter des Bundesverfassungsgerichts werden auf Vorschlag des
Rechtsausschusses vom Bundestag mit verdeckten Stimmzetteln (§ 49) und
ohne Aussprache gewählt. Gewählt ist, wer eine Mehrheit von drei Vierteln
der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigt.

(2) Über den Vorschlag entscheidet der Rechtsausschuss. Auf Antrag einer
Fraktion ist ein Kandidat in den Vorschlag aufzunehmen.

(3) Die Kandidaten, die der Rechtsausschuss dem Bundestag vorschlägt,
sollen vorher vom Ausschuss in öffentlicher Sitzung angehört werden. Auf
Antrag einer Fraktion ist eine solche Anhörung durchzuführen. Die weitere
Beratung und Beschlussfassung erfolgt in nichtöffentlicher Sitzung.

(4) § 126 ist nicht anzuwenden.

(5) Die vorstehenden Absätze gelten bei der Wahl des Präsidenten und des
Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts entsprechend.“

2. In der Überschrift vor § 113 wird die Angabe „X.“ durch die Angabe „XI.“

ersetzt.

3. In der Überschrift vor § 116 wird die Angabe „XI.“ durch die Angabe „XII.“
ersetzt.

Drucksache 16/9629 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

Die vorstehende Änderung der Geschäftsordnung tritt an dem Tage in Kraft, an
welchem das Gesetz zur Verbesserung des Verfahrens zur Wahl der Bundesver-
fassungsrichterinnen und Bundesverfassungsrichter in Kraft tritt.

Berlin, den 18. Juni 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Gleichzeitig mit dem vorliegenden Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung
ist das Gesetz zur Verbesserung des Verfahrens zur Wahl von Bundesverfas-
sungsrichterinnen und Bundesverfassungsrichtern eingebracht worden. Der vor-
liegende Regelungsvorschlag zur Geschäftsordnung füllt den Raum aus, den § 6
des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) in der Fassung des genann-
ten Gesetzentwurfs eröffnet.

Mit dem vorliegenden Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung und dem Ge-
setztentwurf werden folgende konzeptionelle Ziele verfolgt:

Das Verfahren zur Wahl der Bundesverfassungsrichter ist intransparent. Dies ha-
ben gerade Vorgänge in jüngster Zeit gezeigt. Es besteht kein Verfahren, das der
Öffentlichkeit die Möglichkeit eröffnet, sich auf Grund eigener Anschauung
eine fundierte Auffassung zu den Kandidaten zu bilden. Zugleich steht auch den
Kandidaten kein Verfahren zur Verfügung, in dem sie etwaige Bedenken gegen
ihre Kandidatur in einer sachorientierten Befragung ausräumen können.

Zu der Intransparenz trägt dabei auch bei, dass die beiden großen politischen La-
ger (CDU/CSU und SPD) die Benennung der Richter vielfach als ihre gemein-
same (alleinige) Domäne betrachten und sie sich nicht regelmäßig gehalten se-
hen, auch mit den kleineren Parteien einen Konsens über die beste Besetzung
des Gerichtes zu erzielen.

Weiterhin ist es – jenseits der Frage, ob dies verfassungsgemäß ist – nicht mehr
hinnehmbar, dass der Bundestag nicht, wie im Wortlaut des Grundgesetzes vor-
gesehen (Artikel 94 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG), die Wahl der von ihm zu
bestimmenden Verfassungsrichter selbst vornimmt, sondern diese ihm zugewie-
sene Funktion an ein Gremium delegiert hat.

Deshalb sieht der genannte Gesetzentwurf vor (§ 6 BVerfGG), dass der Bundes-
tag nunmehr wie im Grundgesetz vorgesehen die Wahl der Verfassungsrichter
selbst vornimmt. Dieser Wahl vorgeschaltet werden soll dabei ein transparentes
Verfahren, das – ebenso wie die für die Wahl erforderliche Mehrheit – in der Ge-
schäftsordnung des Deutschen Bundestages geregelt werden soll. Dieser Rege-
lungsstandort wurde zum einen gewählt, weil das Verfahren im Deutschen Bun-
destag üblicherweise in der Geschäftsordnung geregelt ist. Zum anderen sieht
Artikel 42 Abs. 2 Satz 2 GG vor, dass Regelungen über die qualifizierte Mehr-
heit bei Wahlen gerade in der Geschäftsordnung zu treffen sind. Aus diesen
Gründen lag es nahe, in der gesetzlichen Regelung nach Artikel 94 Abs. 2 Satz 1
GG nur die Grundlagen für eine Einzelregelung in der Geschäftsordnung des
Bundestages (und entsprechend für die Geschäftsordnung des Bundesrates für
die von ihm zu wählenden Richter) zu legen.

Im Einzelnen sind in dem vorliegenden Vorschlag zur Änderung der Geschäfts-

ordnung folgende Regelungskomponenten enthalten:

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9629

§ 112a Abs. 1 legt die für die Wahl erforderliche Mehrheit auf drei Viertel der
abgegebenen Stimmen der Mitglieder des Bundestages fest (bisher Zweidrittel-
mehrheit). Damit wird der Zustand wiederhergestellt, der ursprünglich im Bun-
desverfassungsgerichtsgesetz vorgesehen war. Denn nach der ursprünglichen
Regelung war im entsprechenden Gremium eine Dreiviertelmehrheit erforder-
lich (vgl. § 6 Abs. 4 BVerfGG vom 12. März 1951; BGBl. I S. 243). Inhaltlich ist
diese Regelung sinnvoll, damit die beiden großen Parteien gehalten sind, einen
breiten Konsens über die Besetzung des Gerichtes zu bilden und dieses Thema
nicht weiterhin zum Gegenstand intransparenter Absprachen zu machen. Die ge-
wählte Mehrheit korrespondiert dabei mit Regelungen im Grundgesetz, die
gleichfalls einer Minderheit von 25 Prozent Einflussmöglichkeiten eröffnen (vgl.
Artikel 44 Abs. 1 GG und Artikel 23 Abs. 1a sowie Artikel 93 Abs. 1 Nr. 2 in der
Fassung der jüngst verabschiedeten Änderung des Grundgesetzes; siehe dazu
Bundestagsdrucksache 16/8488).

Wie bei anderen Wahlen im Deutschen Bundestag erfolgt die Wahl mit verdeck-
ten Stimmzetteln und ohne Aussprache.

Die Wahl wird dabei durch den Rechtsausschuss vorbereitet (vgl. § 112a Abs. 1
bis 3). Dem Rechtsausschuss kommt die Aufgabe zu, sich Verfassungsfragen in
besonderer Weise anzunehmen. Regelmäßig soll er dabei eine auf Verfassungs-
fragen konzentrierte Anhörung (§ 121a Abs. 3) derjenigen Kandidaten durch-
führen, die er – ggf. auch aufgrund eines Minderheitsvotums einer Fraktion
(§ 121a Abs. 2 Satz 2) – dem Deutschen Bundestag zur Wahl vorschlägt. Auf
Antrag einer Fraktion ist der Ausschuss verpflichtet, eine Anhörung der vorge-
schlagenen Kandidaten durchzuführen(§ 121a Abs. 3 Satz 2). Die weiteren Be-
ratungen, in denen auch für den Kandidaten sensible Fragen angesprochen wer-
den können, sollen jedoch vertraulich bleiben (§ 121a Abs. 3 Satz 3).

Die Regelung in § 112a Abs. 4 stellt sicher, dass nicht in einem laufenden Ver-
fahren von den Vorgaben der Vorschrift abgewichen werden kann.

§ 112a Abs. 5 stellt klar, dass das neue Verfahren auch auf die Wahl von Präsi-
denten und Vizepräsidenten des Gerichtes Anwendung findet.

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