BT-Drucksache 16/9499

Auswirkungen und Angemessenheit der geplanten Bußgelderhöhung

Vom 4. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9499
16. Wahlperiode 04. 06. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Patrick Döring, Horst Friedrich (Bayreuth), Joachim Günther
(Plauen), Jan Mücke, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt,
Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Mechthild
Dyckmans, Jörg van Essen, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Dr. Edmund Peter
Geisen, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer,
Michael Kauch, Hellmut Königshaus, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann, Sibylle
Laurischk, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Link
(Heilbronn), Markus Löning, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Burkhardt
Müller-Sönksen, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper,
Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Konrad Schily, Marina Schuster,
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar,
Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Auswirkungen und Angemessenheit der geplanten Bußgelderhöhung

Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf für ein Viertes Gesetz zur
Änderung des Straßenverkehrsgesetzes sieht vor, dass Ordnungswidrigkeiten im
Straßenverkehr in Zukunft mit einer Geldbuße von bis zu 2 000 Euro bzw. in
Verbindung mit Alkohol bis zu 3 000 Euro erhoben werden dürfen. Das Bundes-
ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat hierzu bereits den Ent-
wurf zur Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung vorgelegt, der entsprechend
die bisher geltenden Bußgelder für fahrlässige Verstöße um bis zu 100 Prozent
erhöht. So werden zum Beispiel die Bußen bei Verstoß gegen eine rote Ampel
(Rotphase länger als eine Sekunde) von 125 auf 200 Euro erhöht. Geschwindig-
keitsübertretungen außerhalb von Ortschaften werden mit bis zu 680 Euro ge-
ahndet und Fahren unter Alkoholeinfluss mit bis zu 1 500 Euro. Bei vorsätz-
lichen Verstößen könnten die Bußgelder nach Behördenermessen bis zu den im
Straßenverkehrsgesetz festgesetzten Grenzen angehoben werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung die Kritik des Deutschen Anwaltvereins
(Pressemitteilung vom 21. Mai 2008), dass nach der Erhöhung der Bußgelder
der notwendige Abstand zwischen der Bestrafung von Ordnungswidrigkeiten
durch Geldbußen und den Sanktionen für Straftaten nicht mehr gegeben sei
und der niedrigere Unwertgehalt einer Ordnungswidrigkeit sich damit nicht
mehr im ausreichendem Abstand zwischen Bußgeld und Strafe widerspie-
gelt?

Drucksache 16/9499 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2. Hält die Bundesregierung es für richtig, dass in Zukunft eine Ordnungs-
widrigkeit im Straßenverkehr unter Umständen mit einer höheren Geldbuße
geahndet wird als eine nach Tagessätzen bemessene Strafe für leichte
Körperverletzung oder Ladendiebstahl, und wie begründet die Bundes-
regierung ihre Auffassung?

3. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage des Bundesverbandes nie-
dergelassener Verkehrspsychologen (AP, 25. Mai 2008), dass höhere Buß-
gelder nicht dazu geeignet seien das Verhalten der Autofahrer grundlegend
zu ändern, und auf welchen Erfahrungswerten und wissenschaftlichen Un-
tersuchungen beruht die Ansicht der Bundesregierung?

4. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesverbandes niederge-
lassener Verkehrspsychologen (AP, 25. Mai 2008), dass mehr positive An-
reize besser dazu geeignet seien, um eine Verhaltensänderung bei Autofah-
rern zu bewirken, und wie begründet die Bundesregierung ihre Ansicht?

5. Was plant die Bundesregierung gegebenenfalls, um mehr positive Anreize
zur Verhaltensänderung zu setzen?

6. Inwiefern trägt nach Ansicht der Bundesregierung die Anhebung des Buß-
geldes für eine geringfügige Verletzung des Mindestabstands (weniger als
5/10 des Tachoabstands) zur Abschreckung von Dränglern und Rasern bei?

7. Welche nachweislichen direkten Auswirkungen auf die Zahl der Verkehrs-
verstöße und Unfälle hatten Bußgelderhöhungen bzw. die Schaffung neuer
Tatbestände (z. B. Handyverbot am Steuer) in der Vergangenheit?

8. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Zahl der Verkehrsverstöße und
Unfälle, die durch die geplante Anhebung der Bußgelder vermieden werden
können, und wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung?

9. Wie hoch waren die zusätzlichen Einnahmen der Länder aus früheren Buß-
gelderhöhungen, und wie wurden diese zur Verbesserung der Verkehrs-
sicherheit genutzt?

10. Wie hoch sind gegenwärtig die Einnahmen der Länder aus Bußgeldern?

11. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die zusätzlichen Einnahmen der
Länder aus der jetzt geplanten Bußgelderhöhung, und wie sollen diese zur
Verbesserung der Verkehrssicherheit eingesetzt werden?

12. Hält die Bundesregierung die geplante Bußgelderhöhung für sozial ausge-
wogen, vor dem Hintergrund, dass in Zukunft zum Beispiel bereits die erste
Fahrt mit mehr als 0,5 Promille mit einem Bußgeld von 500 Euro geahndet
werden kann und damit insbesondere Geringverdiener leicht finanziell
überfordert sein könnten, und wie begründet die Bundesregierung ihre Auf-
fassung?

13. Wie hoch schätzt die Bundesregierung derzeit die Zahl nicht festgestellter
Verkehrsverstöße in Deutschland im Einzelnen, zum Beispiel Ordnungs-
widrigkeiten nach § 24a des Straßenverkehrsgesetzes?

14. Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für notwendig, um diese
Dunkelziffer zu senken, und was tut sie, um dies gemeinsam mit den Län-
dern zu erreichen?

15. Wie hoch ist gegenwärtig in Deutschland die Zahl der Verkehrskontrollen
im Verhältnis zur Zahl der Fahrzeuge, und wie hoch ist diese Zahl in ande-
ren Mitgliedsländern der Europäischen Union (insbesondere EU-15)?

16. Wie hoch ist gegenwärtig in Deutschland die Zahl der festgestellten Ver-
kehrsverstöße im Verhältnis zur Zahl der Fahrzeuge, und wie hoch ist diese
Zahl in anderen Mitgliedsländern der Europäischen Union (insbesondere
EU-15)?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9499

17. Wie hoch ist gegenwärtig in Deutschland die Zahl der Unfälle im Verhältnis
zur Zahl der Fahrzeuge, und wie hoch ist diese Zahl in anderen Mitglieds-
ländern der Europäischen Union (insbesondere EU-15)?

18. Wie hoch war die Zahl der Bußgeldfälle, die seit dem Jahr 2000 jährlich vor
Gericht verhandelt wurden, und wie wird sich diese Zahl verändern, nach-
dem durch die Anhebung der Bußgelder die Grenze von 250 Euro als
Kriterium für eine nicht mehr geringfügige Ordnungswidrigkeit (OLG Jena,
zfs 2005, 415) in Zukunft voraussichtlich öfter überschritten wird?

19. Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkung dieser Entwicklung auf
die Belastung und Arbeitsfähigkeit der deutschen Gerichte?

20. Erwägt die Bundesregierung Möglichkeiten, um diese Belastung zu redu-
zieren, etwa durch die Integration von Richtwerten und -linien zur Minde-
rung von Bußgeldern im Rahmen der Bußgeldkatalog-Verordnung, und wie
begründet die Bundesregierung ihre Haltung?

21. Gibt es für Amtsträger (z. B. Minister, Staatssekretäre oder Beamte) bzw.
deren Fahrer oder für Behörden oder Institutionen des Bundes Ausnahme-
regelungen von den Straßenverkehrsregeln, zum Beispiel von Geschwin-
digkeitsbegrenzungen?

22. Wenn ja, um welche Ausnahmen handelt es sich, und für welche Personen
oder Institutionen gelten diese Ausnahmeregelungen?

23. Aus welchen Vorschriften leiten sich diese Ausnahmeregelungen gegebe-
nenfalls ab, und wie werden sie begründet?

24. Ist es richtig, dass nach dem EU-Rahmenbeschluss zur gegenseitigen An-
erkennung und Vollstreckung von Geldsanktionen die Bagatellgrenze für
Verkehrsverstöße in Zukunft erst ab einem Bußgeld von 70 Euro vorliegt,
und welche Auswirkungen hat dies nach bisherigem und nach neuem Buß-
geldrecht für die Bundesrepublik Deutschland?

Berlin, den 4. Juni 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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