BT-Drucksache 16/9224

Diplomatische Anerkennung des Kosovos

Vom 19. Mai 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9224
16. Wahlperiode 19. 05. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Monika Knoche, Wolfgang Gehrcke, Hüseyin-Kenan Aydin,
Dr. Lothar Bisky, Dr. Diether Dehm, Heike Hänsel, Inge Höger, Dr. Norman Paech,
Paul Schäfer (Köln) und der Fraktion DIE LINKE.

Diplomatische Anerkennung des Kosovo

Am 17. Februar 2008 proklamierte das Provinzparlament des Kosovo seine Un-
abhängigkeit gegen den Willen des souveränen Staates Serbien. Obschon es sich
bei dieser unilateralen Sezession um einen klaren und tiefgreifenden Rechts-
bruch (UN-Charta, UNO-Sicherheitsratsresolution 1244 und Helsinki Schluss-
akte) der kosovo-albanischen Behörden handelt, erklärten die im Rahmen der
UNO-Sicherheitsratsresolution 1244 verantwortlichen und westlich dominierten
internationalen Institutionen vor Ort (UNMIK und K-FOR) diesen rechts-
brechenden Akt bis dato nicht für null und nichtig. Vielmehr wird seitdem die
rechtswidrige Unabhängigkeit des Kosovo seitens der UNMIK administrativ be-
gleitet und befördert sowie durch die K-FOR militärisch abgesichert.

Bereits am 4. Februar 2008 hat der Rat eine Gemeinsame Aktion über die
Rechtsstaatlichkeitsmission der Europäischen Union im Kosovo (EULEX
KOSOVO) beschlossen und verkündet, die Kompetenzen der UNMIK zu über-
nehmen. Diese einseitige und völkerrechtlich sehr fragwürdige Entscheidung
zielt(e) darauf ab, die Verantwortung über das UNO-Protektorat Kosovo der
UNO zu nehmen und es unter die Kontrolle der EU und der NATO zu stellen,
um die Vorstellungen über die Zukunft des Kosovo in Richtung Unabhängig-
keit auch gegen den Willen Serbiens und des UNO-Sicherheitsrats durchzu-
setzen. Da weder Serbien noch die Provinz Kosovo Mitglieder in der EU oder
der NATO sind, und der UNO-Sicherheitsrat die Ersetzung der UNMIK durch
die EULEX bislang nicht genehmigt hat, maßen sich zwei regionale internatio-
nale Organisationen massive ordnungspolitische Gestaltungs- und Entschei-
dungskompetenzen jenseits ihres Rechtsraums an.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Staaten haben bis zum 1. Mai 2008 das Kosovo diplomatisch an-
erkannt (bitte aufschlüsseln nach EU-Staaten und weltweit)?

2. Wie bewertet die Bundesregierung die völkerrechtliche Konformität (UNO-
Charta, UNO-Sicherheitsratsresolution 1244 und Helsinki-Schlußakte) ihrer

diplomatischen Anerkennung Kosovos?

3. Auf welcher rechtlichen Grundlage wird von einer Doppelstaatsangehörig-
keit der serbischen Bevölkerung in der Region Kosovo gesprochen, die im
Einklang mit der UNO-Sicherheitsratsresolution 1244, der UNO-Charta und
der Helsinki-Schlußakte stehen muss?

Drucksache 16/9224 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
4. Vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass die UNMIK bzw. die
UNO in der Statusfrage des Kosovo Neutralität wahrt?

a) Wenn ja, wie ist der Anspruch der Neutralitätswahrung mit dem Rück-
griff auf den sogenannten Ahtisaari-Plan bzw. dessen wesentlichen Inhal-
ten sowie dessen Umsetzung in Einklang zu bringen, der bekannterweise
nicht durch die UNO legitimiert worden ist?

b) Wenn nein, auf welcher Rechtsgrundlage begründet sich die Positionie-
rung zu Gunsten der kosovo-albanischen Seite?

5. Hat der UNO-Generalsekretär, Ban Ki-moon, die Entscheidung getroffen,
die EU-Rechtsstaatsmission (EULEX) als zivile Präsenz in das Kosovo ein-
zuladen?

a) Wenn ja, in welcher Form, und mit welchem Wortlaut?

b) Welche Kompetenzen hat der UNO-Generalsekretär der EULEX zuge-
standen?

c) Verbleibt die endgültige Entscheidung über die Präsenz und die Kompe-
tenzen der UNMIK nach Einschätzung der Bundesregierung tatsächlich
dem UNO-Sicherheitsrat?

d) Bedarf es bei der Übertragung der UNMIK-Infrastruktur (beispielsweise
Büros, Kommunikationsmittel, Fahrzeuge etc.) auf die EULEX-Mission
einer Entscheidung des UN-Sicherheitsrates oder anderer UNO-Gremien?

6. Plant die UNO bzw. die UNMIK Kompetenzen an die Behörden des Kosovo
abzugeben, um auf diese Weise die UNMIK zu ersetzen?

Wenn ja, sind derartige Transfermaßnahmen von UNMIK-Kompetenzen an
die Behörden durch den UNO-Sicherheitsrat zu genehmigen?

7. Wird der serbisch-mazedonische Vertrag aus dem Jahr 2001, der die Grenze
zwischen Kosovo und FYROM festlegt, wodurch 13 000 Hektar serbisches
Territorium seinerzeit an FYROM überging, als ein bilaterales Abkommen
zwischen den beiden Staaten Serbien und FYROM seitens der UNO gänzlich
respektiert?

a) Ist es zutreffend, dass die UNMIK ihrerseits im Gegensatz zur UNO-Zen-
trale in New York den Gebietsaustausch bzw. Gebietsabtritt zwischen
Serbien und FYROM nicht akzeptiert bzw. zunächst nicht akzeptierte?

b) Wenn ja, warum wurde der serbisch-mazedonische Vertrag seitens der
UNMIK nicht akzeptiert, und wurde die UNMIK zur Anerkennung des
serbisch-mazedonischen Vertrages letztlich verpflichtet?

c) Ist der Bundesregierung oder nachgeordneten Behörden bekannt, ob es zum
(versuchten) Waffenschmuggel aus dem Kosovo nach FYROM gekom-
men ist, um den Gebietsabtritt unter Umständen auch mit Waffengewalt
rückgängig zu machen?

Berlin, den 13. Mai 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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