BT-Drucksache 16/8702

Zur geplanten Reform des Kinderzuschlags (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes)

Vom 2. April 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8702
16. Wahlperiode 02. 04. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Diana Golze, Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky, Dr. Martina Bunge,
Dr. Dagmar Enkelmann, Katja Kipping, Monika Knoche, Katrin Kunert, Elke Reinke,
Volker Schneider (Saarbrücken), Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Zur geplanten Reform des Kinderzuschlags
(Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes)

Die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) hat am 28. November 2007 vor dem
Deutschen Bundestag zur Reform des Kinderzuschlags erklärt: „Wir wollen, dass
niemand wegen der Kinder in die Bedürftigkeit fällt; deshalb muss der Kinder-
zuschlag weiterentwickelt werden. (…) Deshalb werden wir den Kinderzuschlag
erhöhen und vereinfachen,“ (Plenarprotokoll 16/129, S. 13526). In seiner Antwort
auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. zur „Überwindung der Hartz-IV-
Abhängigkeit von Kindern und Eltern durch den Kinderzuschlag“ (Bundestags-
drucksache 16/7194 vom 12. November 2007) vom 14. Dezember 2007 schreibt das
Familienministerium jedoch: „Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, den Kinder-
zuschlag zu erhöhen,“ (Bundestagsdrucksache 16/7586, S. 8). In der Fragestunde
des Bundestages am 23. Januar 2008 haben die Abgeordneten der Fraktion DIE
LINKE., Dr. Dagmar Enkelmann, Kornelia Möller und Cornelia Hirsch den zustän-
digen Staatssekretär Franz Thönnes zu der Widersprüchlichkeit zwischen der Äuße-
rung der Bundeskanzlerin und derjenigen des Bundesministeriums für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) befragt und erhielten einen Zwischenruf
von den Bänken der Fraktion der CDU/CSU, den das Plenarprotokoll 16/138 auf
Seite 14544 folgendermaßen wiedergibt: „Zuruf von der CDU/CSU: Die Kanzlerin
hat immer recht!“ Kurz darauf erklärte aber der Parlamentarische Staatsekretär beim
Bundesminister für Arbeit und Soziales, Franz Thönnes, auf der gleichen Seite des
Plenarprotokolls dem Plenum: „Von einer Erhöhung ist nicht die Rede gewesen.“

„Wir wollen mit dem Kinderzuschlag etwa eine halbe Million Kinder erreichen“, er-
klärte die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ursula von
der Leyen (CDU), laut Plenarprotokoll 16/112 vom 13. September 2007, S. 11622
vor dem Plenum des Deutschen Bundestages. Seit Beginn des Jahres 2008 hofft die
Bundesministerin, mit dem Kinderzuschlag statt der bislang 100 000 Kinder, in
Zukunft 250 000 Kinder zu erreichen (FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND vom
7. Februar 2008). Nach Informationen des Präsidenten des deutschen Kinderschutz-
bundes, Heinz Hilgers, gibt es allein „bis zu 700 000 Kinder, deren Eltern trotz
Arbeit auf ergänzende Hartz-IV-Leistungen angewiesen“ sind (Kinderschutzbund

kritisiert Pläne zu Kinderzuschlag, Pressemitteilung vom 9. Februar 2008)

Wie „DER TAGESSPIEGEL“ vom 5. März 2008 berichtet, liegt inzwischen der
Gesetzentwurf zur Reform des Kinderzuschlags vor (vgl. „Von der Leyen will mehr
Kinder aus Hartz IV holen“, in: DER TAGESSPIEGEL vom 5. März 2008). Bei der
Reform des Kinderzuschlags stellt sich insbesondere die Frage, ob seine maximale
Höhe angehoben wird und ob Kinderarmut wirksam bekämpft werden kann. Es lässt
sich also fragen, wie viele der über 2,1 Millionen Kinder, die in Familien leben, die

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Arbeitslosengeld II beziehen, nach der Reform nicht mehr Hartz-IV-bedürftig sind.
Dabei interessieren vor allem die Reformwirkungen des Kinderzuschlags bei Kin-
dern von Alleinerziehenden in so genannten Hartz-IV-Haushalten. Bei der jetzt vor-
gesehenen Absenkung der Mindesteinkommensgrenze des Kinderzuschlags für
Alleinerziehende auf 600 Euro wird eine Überwindung der Hartz-IV-Bedürftigkeit
nur schwer erzielbar sein, da der Unterhaltsvorschuss angerechnet, aber die Maxi-
malhöhe von 140 Euro nicht angehoben wird. Außerdem ist es wichtig zu erfahren,
ob die bisher hohen Verwaltungskosten deutlich gesenkt werden können, um die
beabsichtigte Vereinfachung des Kinderzuschlags transparent zu machen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Mit welcher Antragszahl rechnet die Bundesregierung bei ihrem Gesetzentwurf
zur Reform des Kinderzuschlags, und wie erklärt sie sich diese Entwicklung?

2. Plant die Bundesregierung eine Senkung der hohen Verwaltungsgebühren, falls
sie mit einer etwa gleich bleibenden Zahl der zu bearbeitenden Anträge rechnet
(bitte begründen)?

3. Welche Erklärung hat die Bundesregierung dafür, dass der reformierte
Kinderzuschlag nicht mehr über 500 000 Kinder erreichen soll, wie von der
Bundesministerin Ursula von der Leyen laut Plenarprotokoll 16/112 vom
13. September 2007, Seite 11622 vor dem Plenum des Deutschen Bundestages
versprochen, sondern jetzt nur noch 250 000 Kinder, obwohl es nach Infor-
mationen des Präsidenten des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers,
allein „bis zu 700 000 Kinder (gibt), deren Eltern trotz Arbeit auf ergänzende
Hartz-IV-Leistungen angewiesen“ sind (Kinderschutzbund kritisiert Pläne zu
Kinderzuschlag, Pressemitteilung vom 9. Februar 2008)?

4. Welche konkrete Ausgestaltung des Kinderzuschlags setzt die Bundesregierung
wann, und wie in Verbindung mit welcher Reform des Wohngeldes um?

5. Wie viele Kinder leben in sogenannten Hartz-IV-Alleinerziehenden-Familien
und wie hoch ist ihr Anteil an allen Kindern in Hartz-IV-Familien?

6. Von welchen Auswirkungen des reformierten Kinderzuschlags auf alleinerzie-
hende Familien geht die Bundesregierung aus, und wie viele Kinder aus Allein-
erziehenden-Familien sind danach nicht mehr Hartz-IV-bedürftig?

7. Welche Regelung erwägt die Bundesregierung bezüglich der Anrechnung des
Unterhaltsvorschusses bei Alleinerziehenden, und wie kann der heutige Mehr-
bedarfszuschlag für Alleinerziehende im Falle der Kinderzuschlags-Berech-
tigung als Erhöhungsbetrag zum Kinderzuschlag gewährt werden?

8. Wie viele Alleinerziehende mit Kindern im Alter unter 12 Jahren in Ost- und in
Westdeutschland erhalten gegenwärtig einen Kinderzuschlag, und wie viele wer-
den künftig nach Einschätzung der Bundesregierung einen Kinderzuschlag er-
halten?

9. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung zur Flexibilisierung der Höchst-
einkommensgrenze beim Kinderzuschlag getroffen?

10. Was hält die Bundesregierung von einer Anhebung und Differenzierung der
Maximalhöhe nach dem Lebensalter der Kinder, um damit der Gefahr zu ent-
gehen, dass die durch den Kinderzuschlag zunächst vermiedene Hilfebedürftig-
keit mit Vollendung des 14. Lebensjahres des Kindes wieder eintritt?

Berlin, den 17. März 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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