BT-Drucksache 16/8572

Regierungsverhandlungen mit der Volksrepublik China

Vom 12. März 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8572
16. Wahlperiode 12. 03. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hellmut Königshaus, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt,
Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg
van Essen, Ulrike Flach, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund
Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan,
Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Michael
Kauch, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk,
Michael Link (Heilbronn), Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-
Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia
Pieper, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Konrad Schily, Marina Schuster,
Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle und der
Fraktion der FDP

Regierungsverhandlungen mit der Volksrepublik China

Seit 1981 leistet die Bundesrepublik Deutschland Entwicklungshilfe an die
Volksrepublik China. Dabei ist die deutsche Hilfe an die VR China in den ver-
gangenen Jahren stetig angestiegen. Im Jahr 2007 betrugen die Mittel für die
Entwicklungszusammenarbeit aus dem Einzelplan 23 des Bundesministeriums
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) 57,5 Mio. Euro.
In diesem Jahr ist der Etat für die finanzielle Zusammenarbeit nochmals um
10 Mio. erhöht worden. Mit insgesamt 67,5 Mio. Euro steht die VR China
damit an dritter Stelle der Empfänger deutscher Entwicklungszusammenarbeit
aus dem Etat des BMZ.

Das Development Assistance Committee (DAC) der Organisation für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), welches die offiziellen
Entwicklungshilfezahlungen der Länder berechnet, hat für die Jahre 2005 und
2006 die deutschen Hilfsleistungen an China, die auch sonstige, nicht über den
Haushalt des BMZ finanzierte Entwicklungsleistungen enthalten, mit insge-
samt 441 Mio. US-Dollar festgestellt. Damit ist China der größte Empfänger
deutscher Hilfszahlungen gewesen. Im weltweiten Vergleich ist Deutschland
damit der größte Zahler an öffentlicher Entwicklungshilfe an China, noch vor
Frankreich und Großbritannien.
Die entwicklungspolitische Rolle der VR China hat sich in den vergangenen
Jahren stark gewandelt. China ist inzwischen zu einer der wichtigsten Volks-
wirtschaften der Welt aufgestiegen. Mit Devisenreserven in Höhe von rund
1 Bio. (1 000 Mrd.) Euro steht China auf Platz drei der Wirtschaftsmächte und
wird Deutschland noch in diesem Jahr als Exportweltmeister ablösen. Als stän-
diges Mitglied im Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen und Mitglied der
Welthandelsorganisation (WTO) ist die Volksrepublik zu einem der einfluss-

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reichsten Akteure der Völkergemeinschaft geworden. China leistet inzwischen
selbst Entwicklungshilfe, allein an Afrika in einer Größenordnung von 7,5 Mrd.
Euro. Diese neue Gewichtung hat der Entwicklungsausschuss des Europäi-
schen Parlamentes in seinem am 27. Februar 2008 beschlossenen Bericht, der
sich mit dem wachsenden Einfluss Chinas und seiner veränderten Rolle als Ge-
ber auf dem afrikanischen Kontinent befasst, beschrieben.

Im Mai 2008 stehen neue Regierungsverhandlungen zwischen der Bundes-
republik Deutschland und der VR China an. Dies gibt Anlass, sich auch aus
deutscher Sicht mit der neuen Rolle Chinas zu befassen.

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Grundsätzliches

1. Inwiefern ist die VR China noch auf finanzielle Hilfen Deutschlands ange-
wiesen, und beabsichtigt die Bundesregierung, für künftige Entwicklungs-
projekte vom Partnerland angemessene Eigenbeiträge zu fordern?

II. Regierungsverhandlungen 2008

2. Auf welche Bereiche wird sich die Entwicklungszusammenarbeit mit der
VR China ab 2008 erstrecken?

3. Fällt der Bereich Transport, wie im Einzelplan 23 vorgesehen, aus dem För-
derbereich heraus?

Wenn ja, um welche Bereiche, und in welchen Feldern wird sich die Ent-
wicklungszusammenarbeit erweitern?

4. In welchem Maße werden die Erkenntnisse aus dem Bericht des Entwick-
lungsausschusses des Europäischen Parlaments bei den Regierungsverhand-
lungen mit der VR China Berücksichtigung finden, um eine kohärente
Politik sicherzustellen?

5. Plant die Bundesregierung die Verhandlungen zu nutzen, um die unzurei-
chende Umsetzung der „Good Governance“- Kriterien

– Achtung der Menschenrechte,

– Beteiligung der Bevölkerung an politischen Entscheidungsprozessen,

– Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit,

– marktorientierte soziale Wirtschaftsordnung und

– Entwicklungsorientierung staatlichen Handelns

durch die VR China anzusprechen?

6. Wie viele und in welchem Umfang der im Mai 2008 auf der Regierungsver-
handlung zu verhandelnden Vorhaben der Technischen Zusammenarbeit
(TZ) wurden von chinesischer Seite durch das Ministry of Commerce
(MOFCOM) vorgeschlagen und wie viele entstanden aufgrund deutscher
Initiative des BMZ bzw. der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusam-
menarbeit (GTZ) GmbH?

7. Sieht die Bundesregierung nach wie vor Beschränkungen bei der Partner-
wahl im Rahmen der staatlichen TZ mit der VR China?

8. Führen das BMZ bzw. die mit der Durchführung staatlicher TZ-Maßnahmen
betraute GTZ vor Abschluss der Regierungsvereinbarungen systematische
Organisationsanalysen der vom MOFCOM vorgeschlagenen parteistaatlichen
Kooperationspartner durch?
Wenn ja, in welcher Form?

Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8572

9. Wie stellt das BMZ sicher, dass chinesische Bürger und ihre Assoziationen
in den Prozess der deutsch-chinesischen Entwicklungszusammenarbeit ein-
gebunden werden?

10. Wie viele und in welchem Umfang der im Frühjahr 2008 zu verhandelnden
Vorhaben der finanziellen Zusammenarbeit (FZ) wurden von chinesischer
Seite durch das Ministry of Finance (MOF) vorgeschlagen und wie viele
entstanden aufgrund deutscher Initiative des BMZ bzw. der KfW Banken-
gruppe?

11. Sieht die Bundesregierung nach wie vor Beschränkungen bei der Partner-
wahl im Rahmen der staatlichen FZ mit der VR China?

12. Welche politischen, ökonomischen, ökologischen und sozialen Kernkrite-
rien des BMZ müssen erfüllt sein, damit FZ-Maßnahmen in der VR China
bewilligt werden können?

13. Werden im Rahmen von FZ-Maßnahmen zum Aufbau bzw. der Verbesse-
rung bestehender öffentlicher Infrastruktur in der VR China social impact
assessments (SIA) durchgeführt?

Wenn ja, welche Erfahrungen wurden bei der Anwendung dieses Verfah-
rens in der VR China gesammelt?

Wenn nicht, warum nicht?

III. Stärkung demokratischer Rechte durch Projektzusammenarbeit

14. Seit wann und in welchem Umfang werden welche personellen, technischen
und finanziellen Unterstützungen von deutschen staatlichen und nichtstaat-
lichen Durchführungsorganisationen geleistet, bei der die direkte Förderung
zivilgesellschaftlicher Initiativen in der VR China im Zentrum steht?

15. Welche chinesischen Sozial- und Umweltverbände werden in Planungs-
und Entscheidungsprozesse der deutsch-chinesischen Entwicklungszusam-
menarbeit eingebunden?

16. Handelt es sich dabei um halbstaatliche Verbände oder um weitgehend per-
sonell und finanziell unabhängige zivilgesellschaftliche Organisationen
und worin besteht der Entwicklungsbeitrag der jeweiligen zivilgesell-
schaftlichen Kooperationspartner?

17. Wie ermöglichen deutsche staatliche und nichtstaatliche Durchführungs-
organisationen einen partnerschaftlichen Dialog zwischen chinesischen
parteistaatlichen Kooperationspartnern und chinesischen zivilgesellschaft-
lichen Organisationen?

18. Welche Rolle spielt die deutsche Botschaft Peking als Koordinations- und
Vermittlungsinstanz der deutsch-chinesischen Entwicklungszusammenar-
beit?

19. Worin besteht die Aufgabenteilung der Politischen Abteilung und der Wirt-
schaftsabteilung der deutschen Botschaft Peking in Hinblick auf die Förde-
rung der chinesischen Zivilgesellschaft und wie wirken die verschiedenen
Abteilungen der Botschaft zusammen?

20. Wie viele Mittel der deutschen Botschaft Peking für Klein- und Kleinstpro-
jekte kommen chinesischen zivilgesellschaftlichen Organisationen zugute,
und plant die Bundesregierung, diesen Etat angesichts des wachsenden Be-
darfs in der VR China zu erhöhen?

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IV. Deutsch-Chinesischer Rechtsstaatdialog

21. Welcher prozentuale Anteil der für den deutsch-chinesischen Rechtsstaat-
dialog jährlich zur Verfügung stehenden Finanzmittel des Bundesministe-
riums der Justiz seit 2001 kommt chinesischen zivilgesellschaftlichen
Organisationen zugute?

22. Besteht die Absicht der deutschen Bundesregierung, den jährlichen Förder-
betrag des deutsch-chinesischen Rechtsstaatdialogs von bislang 160 000
Euro (2001, 2002, 2004, 2006, 2008 geplant) bzw. 210 000 (2003, 2005,
2007, 2009 geplant) in absehbarer Zeit zu erhöhen?

23. In welchem Verhältnis steht die bisherige Entwicklung der Entwicklungs-
zusammenarbeit mit der VR China zu den geplanten Steigerungen des
deutschen ODA (Official Development Assistance)-Beitrags bis 2015?

24. Seit wann und in welchem Umfang leisten deutsche staatliche und nicht-
staatliche Durchführungsorganisationen bei der direkten und indirekten
Förderung chinesischer Menschenrechtsverteidiger welche personelle, tech-
nische und finanzielle Unterstützung?

25. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass zahlreiche Partner-
schaftsabkommen zwischen deutschen staatlichen und nichtstaatlichen
Durchführungsorganisationen und Organisationen auf chinesischer Seite
noch aus den frühen achtziger Jahren stammen und eventuell nicht mehr
den aktuellen entwicklungspolitischen Gegebenheiten entsprechen?

26. Welche Empfehlungen erteilt die Bundesregierung zum Schutz der Organi-
sationsautonomie deutscher staatlicher und nichtstaatlicher Durchfüh-
rungsorganisationen in der VR China?

27. Wie schätzt die deutsche Bundesregierung den rechtlichen Status deutscher
staatlicher und nichtstaatlicher Durchführungsorganisationen in der VR
China ein?

28. Hat sich der Rechtsstatus deutscher staatlicher und nichtstaatlicher Durch-
führungsorganisationen seit dem WTO-Beitritt der VR China verbessert?

Berlin, den 11. März 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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