BT-Drucksache 16/8570

Überwachung der Telekommunikation im Internet im Lichte des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu Onlinedurchsuchungen

Vom 12. März 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8570
16. Wahlperiode 12. 03. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Gisela Piltz, Jörg van Essen, Dr. Max Stadler, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Christian Ahrendt, Hartfrid Wolff (Rems-Murr),
Ernst Burgbacher, Dr. Karl Addicks, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika
Brunkhorst, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Ulrike Flach, Paul K. Friedhoff,
Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann,
Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner
Hoyer, Michael Kauch, Hellmut Königshaus, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin,
Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt
Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Cornelia Pieper, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina
Schuster, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der
Fraktion der FDP

Überwachung der Telekommunikation im Internet im Lichte des Urteils des
Bundesverfassungsgerichts zu Onlinedurchsuchungen

In seiner Entscheidung zur Zulässigkeit von Onlinedurchsuchungen vom
27. Februar 2008 hat das Bundesverfassungsgericht zur Überwachung der Tele-
kommunikation im Internet ausgeführt:

„Wird ein komplexes informationstechnisches System zum Zweck der Tele-
kommunikationsüberwachung technisch infiltriert („Quellen-Telekommunika-
tionsüberwachung“), so ist mit der Infiltration die entscheidende Hürde genom-
men, um das System insgesamt auszuspähen. Die dadurch bedingte Gefähr-
dung geht weit über die hinaus, die mit einer bloßen Überwachung der laufen-
den Telekommunikation verbunden ist. Insbesondere können auch die auf dem
Personalcomputer abgelegten Daten zur Kenntnis genommen werden, die kei-
nen Bezug zu einer telekommunikativen Nutzung des Systems aufweisen. Er-
fasst werden können beispielsweise das Verhalten bei der Bedienung eines Per-
sonalcomputers für eigene Zwecke, die Abrufhäufigkeit bestimmter Dienste,
insbesondere auch der Inhalt angelegter Dateien oder – soweit das infiltrierte
informationstechnische System auch Geräte im Haushalt steuert – das Verhal-
ten in der eigenen Wohnung.

Nach Auskunft der in der mündlichen Verhandlung angehörten sachkundigen

Auskunftspersonen kann es im Übrigen dazu kommen, dass im Anschluss an
die Infiltration Daten ohne Bezug zur laufenden Telekommunikation erhoben
werden, auch wenn dies nicht beabsichtigt ist. In der Folge besteht für den Be-
troffenen – anders als in der Regel bei der herkömmlichen netzbasierten Tele-
kommunikationsüberwachung – stets das Risiko, dass über die Inhalte und Um-
stände der Telekommunikation hinaus weitere persönlichkeitsrelevante Infor-
mationen erhoben werden. Den dadurch bewirkten spezifischen Gefährdungen

Drucksache 16/8570 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

der Persönlichkeit kann durch Artikel 10 Abs. 1 GG nicht oder nicht hinrei-
chend begegnet werden.

Artikel 10 Abs. 1 GG ist hingegen der alleinige grundrechtliche Maßstab für die
Beurteilung einer Ermächtigung zu einer „Quellen-Telekommunikationsüber-
wachung“, wenn sich die Überwachung ausschließlich auf Daten aus einem lau-
fenden Telekommunikationsvorgang beschränkt. Dies muss durch technische
Vorkehrungen und rechtliche Vorgaben sichergestellt sein.“

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Plant die Bundesregierung, wie von der Bundesministerin der Justiz, Brigitte
Zypries, mit Pressemitteilung vom 27. Februar 2008 angekündigt, die Ver-
ankerung einer Rechtsgrundlage für die Quellen-Telekommunikationsüber-
wachung in der Strafprozessordnung?

2. Plant die Bundesregierung darüber hinaus die Schaffung einer Rechtsgrund-
lage für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung in weiteren Geset-
zen, wenn ja, in welchen?

3. Aus welchen Gründen hält die Bundesregierung für jeweils welche Sicher-
heitsbehörden die Befugnis, Quellen-Telekommunikationsüberwachungen
durchzuführen, für erforderlich?

4. Wie will die Bundesregierung einerseits rechtlich und andererseits technisch
sicherstellen, dass sich die Quellen-Telekommunikationsüberwachung aus-
schließlich auf Daten eines laufenden Telekommunikationsvorgangs be-
schränkt?

5. Will die Bundesregierung für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung
weiterhin die bereits heute für diese Maßnahme z. B. vom Zollfahndungs-
dienst verwendete Software verwenden, die nach Auskunft der Bundesregie-
rung in ihrem Bericht an den Innenausschuss des Deutschen Bundestags vom
25. Oktober 2007 dieselbe Software ist, die auch zur Onlinedurchsuchung
verwendet wird und zum Zwecke der Quellen-Telekommunikationsüber-
wachung nur um einen Telekommunikationsfilter o. Ä. erweitert wird?

6. Aus welchen Gründen hält die Bundesregierung es für möglich, die Anfor-
derungen des Bundesverfassungsgerichts könnten mit der für Quellen-Tele-
kommunikationsüberwachungen verwendeten Software erfüllt werden?

7. Will die Bundesregierung im Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) das Instru-
ment der Quellen-Telekommunikationsüberwachung verankern und warum
hält sie dies für mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für verein-
bar, nachdem sie in ihrem Bericht an den Innenausschuss des Deutschen
Bundestags vom 25. Oktober 2007 erklärte, dass die vom BKA entwickelte
Remote-Forensic-Software ausschließlich zur Onlinedurchsuchung geeignet
sei?

8. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das Urteil des Bundesverfas-
sungsgerichts im Hinblick auf die Quellen-Telekommunikationsüberwa-
chung so zu verstehen ist, dass eine eindeutige und dezidierte Rechts-
grundlage für dieses Instrument erforderlich ist und zugleich die tech-
nischen Voraussetzung gegeben sein müssen, damit sichergestellt ist, dass
die Maßnahme ausschließlich auf laufende Telekommunikationsvorgänge
zugreift?

Falls nein, warum nicht?

9. Quellen-Telekommunikationsüberwachungen welcher Behörden finden der-
zeit noch statt?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8570

10. Wurden die laufenden Quellen-Telekommunikationsüberwachungen, die
im Bereich des Zollfahndungsdienstes durchgeführt wurden oder werden,
wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die schriftliche Frage der
Abgeordneten Gisela Piltz vom 27. September 2007 (Frage 14, Bundes-
tagsdrucksache 16/6572) dargestellt hat, nach dem Urteil des Bundesver-
fassungsgerichts eingestellt?

Falls nein, warum nicht?

Berlin, den 12. März 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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