BT-Drucksache 16/85

Überwachung von Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst

Vom 24. November 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 16/85
16. Wahlperiode 24. 11. 2005

Antrag
der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Volker Beck (Köln), Grietje Bettin,
Ekin Deligöz, Renate Künast, Jerzy Montag, Irmingard Schewe-Gerigk,
Silke Stokar von Neuforn, Wolfgang Wieland und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

Überwachung von Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst

Medienberichten zufolge (11. November 2005 ff.) soll der Bundesnachrichten-
dienst (BND) durch eine externe Organisationseinheit in München (QC 30) zu-
mindest ab Anfang der 90er Jahre mehrfach Journalisten heimlich überwacht
haben. So soll der BND Ende 1993 bis 1996 einen Journalisten, der oft kritische
Artikel über Sicherheitsbehörden schrieb, auch im privaten Bereich intensiv be-
schattet haben; ebenso ab Juni 1993 bis 1996 per Videoüberwachung einen Jour-
nalisten, so z. B. anlässlich einer Buchveröffentlichung über den BND.

Zudem habe der BND zumindest bis 1998 zwei ehemalige FOCUS-Journalisten
veranlasst, gegen Geld- oder andere Vorteile verdeckt Informationen über Re-
dakteure des „FOCUS“ selbst sowie des „SPIEGEL“ zu beschaffen. Einer der
beauftragten Journalisten soll früher Offizier der Stasi-Lauschabteilung III
gewesen sein, der andere soll bereits seit Anfang der 80er Jahre bis 1994 sowie
danach nochmals bis 1997 vom BND als Quelle geführt worden sein. Bei dem
ehemaligen Leiter der BND-Abteilung 5 „Sicherheit und Abwehr“ sollen an-
lässlich einer Durchsuchung 1998 Dossiers über mindestens vier Journalisten
von „DER SPIEGEL“, „FOCUS“, „TANGO“ sowie einem freien Autor gefun-
den worden sein. Der inzwischen verstorbene Leiter jener BND-Überwachungs-
einheit QC 30 soll die gewonnenen Informationen im großem Umfang aus dem
BND herausgeschmuggelt und an einen Buchautor verkauft haben. Weiteren
Medienberichten zufolge hat der BND dem Bundeskanzleramt am 18. Novem-
ber 2005 einen Zwischenbericht über die o. g. Vorgänge vorgelegt.

Das Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestages hat sich in
seiner Sitzung am 21. November 2005 mit den Vorgängen befasst und einstim-
mig folgenden Beschluss gefasst:

„Das Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestages hat sich
heute erneut mit den in der Presse erhobenen Vorwürfen befasst, der BND habe
über Monate hinweg Journalisten rechtswidrig observiert, um so deren Infor-
manten aus dem BND zu enttarnen. Die Bundesregierung hat dem Gremium
ausführlich zu diesem Vorgang berichtet und Fragen der Mitglieder beantwortet.

Das Gremium hat dabei festgestellt, dass der BND mit seiner Vorgehensweise
teilweise seine ihm in § 2 Abs. 1 BNDG eingeräumten Befugnisse, Maßnahmen
zum Schutz seiner Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen zu tref-
fen, überschritten hat. Jedoch sieht das Gremium hier noch weiteren Aufklä-
rungsbedarf. Um eine unverzügliche und gründliche Aufklärung der Vorfälle
sicherzustellen, hat das Parlamentarische Kontrollgremium beschlossen, von
der in § 2c PKGrG vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch zu machen, einen Sach-

Drucksache 16/85 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
verständigen mit der Untersuchung zu beauftragen. Darüber hinaus hat das Kon-
trollgremium gegenüber der Bundesregierung ausdrücklich gefordert, dass so-
fort Maßnahmen ergriffen werden, die für die Zukunft eine Wiederholung sol-
cher Vorfälle vermeiden helfen. Über den Fortschritt der Schaffung und Imple-
mentation dieser Maßnahmen wird die Bundesregierung das Kontrollgremium
laufend informieren.“

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Deutsche Bundestag nimmt die Schlussfolgerungen dieses Beschlusses sei-
nes Parlamentarischen Kontrollgremiums zustimmend zur Kenntnis.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

dem Plenum des Deutschen Bundestages sowie der Öffentlichkeit unverzüglich

1. den o. g. Zwischenbericht in einer für die Veröffentlichung geeigneten Fas-
sung vorzulegen,

2. zu berichten

a) über die Beobachtung von Journalisten durch den BND,

b) über die Anwerbung, Führung und Vergütung von Journalisten in
Deutschland durch den BND,

c) welche Kenntnis von diesen Vorgängen die Spitze des BND sowie das
Bundeskanzleramt hatte,

d) wie die Bundesregierung diese Vorgänge rechtlich und politisch bewertet,

e) welche Konsequenzen die Bundesregierung aus diesen Vorgängen zieht,
um künftige Wiederholungen verlässlich auszuschließen.

Berlin, den 22. November 2005

Hans-Christian Ströbele
Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion
Antrag
Überwachung von Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst

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