BT-Drucksache 16/8215

Das deutsche Filmerbe sichern

Vom 20. Februar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8215
16. Wahlperiode 20. 02. 2008

Antrag
der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg), Katrin Göring-Eckardt, Grietje Bettin,
Ekin Deligöz, Kai Gehring, Britta Haßelmann, Priska Hinz (Herborn), Krista Sager,
Dr. Uschi Eid und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Das deutsche Filmerbe sichern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Filme sind ein unersetzbarer Bestandteil des Kulturerbes. Sie sind Gedächtnis-
archive und schaffen einen besonderen Zugang zu vergangenen Epochen, zum
Alltagsleben der Menschen, zu historischen und fiktiven Räumen, zu beson-
deren Sichtweisen und Interpretationen, zu Träumen, Hoffnungen und Utopien,
zu Unabgegoltenem und Verdrängtem, zu einem immer wieder neu zu erschlie-
ßenden Reichtum der historisch gewordenen Welt.

Der Beginn einer eigenständigen deutschen Filmproduktion, die Welt der Wei-
marer Republik, der Schrecken der Nazizeit und ihre perfide Propaganda, die
Geschichte der beiden deutschen Staaten, der kulturelle Umbruch der 60er und
70er Jahre, die Jahre der deutschen Wiedervereinigung, die Gegenwart, Privates
und Öffentliches, technische Umbrüche, Moden und Trends – all das findet in
Spielfilmen, Dokumentar- und Kurzfilmen, Animations-, Lehr- und Werbe-
filmen einen Spiegel und eine mannigfaltige Gestalt.

Die Unesco hat die Bedeutung des Weltfilmerbes erkannt. Bereits 1980 hat sie
Richtlinien zur Filmerhaltung aufgestellt. Im Jahr 2001 erkannte sie Fritz Langs
Ufa-Produktion „Metropolis“ als erstem Film überhaupt den Status eines erhal-
tenswerten Teils der „Memory of the World“ zu.

Leider bleiben die Anstrengungen zum Erhalt des Filmerbes in vielen Ländern
hinter der tatsächlichen kulturellen Bedeutung des Films zurück – auch in der
Bundesrepublik Deutschland:

– Große und zu einem erheblichen Teil nicht mehr zu schließende Lücken in
der Archivierung des deutschen Filmerbes sind zu beklagen.

– Nur ein Viertel der historischen Stummfilme aus deutscher Produktion ist
überliefert.

– Bei den frühen Tonspielfilmen ist es etwas mehr als die Hälfte.

– Bedenklich ist die sinkende Quote der Archivierung von Spielfilmen aus der
Bundesrepublik Deutschland von rund 90 Prozent in den 50er und 60er Jah-
ren auf unter 50 Prozent in den 90er Jahren.

Eine Initiative zu einer freiwilligen Abgabe von Filmkopien zu Archivierungs-
zwecken Mitte der 90er fand nur unzureichend Resonanz. Fortschritte gab es, als
die deutschen Filmförderinstitutionen sich 2004 auf eine Pflichtabgabe von ge-

Drucksache 16/8215 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
förderten Filmen einigten. Auch der Beitritt der Bundesrepublik Deutschland
zur Europaratskonvention für den Schutz des audiovisuellen Erbes von 2001
steht noch aus. Insgesamt ist die Lage noch weit entfernt von der Situation im
Buchwesen, für das der Bundestag 1969 eine generelle Abgabepflicht beschloss.
Es besteht dringender Handlungsbedarf.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– in enger Zusammenarbeit mit den Ländern und allen beteiligten Institutionen
eine nachhaltige Erhöhung des Schutzniveaus für das nationale Filmerbe zu
realisieren;

– sich für den umgehenden Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur Euro-
paratskonvention für den Schutz des audiovisuellen Erbes von 2001 auszu-
sprechen;

– zusammen mit allen Beteiligten dafür Sorge zu tragen, dass das in der Kon-
vention vorgesehene Schutzniveau für das Filmkulturerbe in der Bundes-
republik Deutschland auch tatsächlich erreicht wird;

– eine nationale Filmographie zu erstellen, in der die deutsche Filmproduktion
seit ihren Anfängen zuverlässig erfasst und die Lücken in der Archivierung
benannt werden, damit diese, wo noch möglich, geschlossen werden können;

– archivwürdige Filme der Gegenwartsproduktion, die ohne öffentliche Förde-
rung hergestellt werden und für die bisher keine Pflichtabgabe von Archiv-
exemplaren vorgesehen ist, ebenfalls zu archivieren. Dabei sind die Interes-
sen der Produzenten und ggf. weiterer Beteiligter zu berücksichtigen. In
begründeten Fällen ist ein finanzieller Ausgleich zu gewähren – analog zum
Verfahren bei Pflichtexemplaren von aufwändigen Kunstbänden, die in
Kleinauflagen erschienen sind;

– eine generelle Normierung für die Qualität der abzugebenden Archivexem-
plare vorzusehen. Dabei sind hohe Qualitätsstandards zu sichern;

– insbesondere auch Anstrengungen bei der Langzeitarchivierung, die u. a.
aufwändige technische Verfahren und Klimatisierungsbedingungen erfor-
dern, die nur an wenigen Archivstandorten gegeben sind, zu unternehmen.
Weitere Verluste von archivwürdigen Filmen sind auszuschließen.

Berlin, den 20. Februar 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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