BT-Drucksache 16/817

Neue Chancen und Perspektiven für Kinder und Jugendliche in Deutschland

Vom 7. März 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/817
16. Wahlperiode 07. 03. 2006

Antrag
der Abgeordneten Ekin Deligöz, Kai Boris Gehring, Grietje Bettin, Katrin
Göring-Eckardt, Volker Beck (Köln), Britta Haßelmann, Priska Hinz (Herborn),
Krista Sager, Irmingard Schewe-Gerigk, Renate Künast, Fritz Kuhn und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Neue Chancen und Perspektiven für Kinder und Jugendliche in Deutschland

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Kinder in den Mittelpunkt

Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft. Politik und Gesellschaft setzen
den Rahmen für das Auf- und Heranwachsen der jungen Generation. Künftige
Generationen müssen daher im Zentrum einer modernen Politik und einer soli-
darischen Modernisierung unserer Gesellschaft stehen. Kinder-, Jugend- und
Familienpolitik sind deswegen Querschnittsaufgaben: Die Belange und Bedürf-
nisse von Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern müssen in allen Politikfeldern
stärker in den Vordergrund rücken. Kinder jeglicher Herkunft sollen befähigt
werden, unversehrt und selbst bestimmt aufzuwachsen und ihre Potenziale zu
entfalten. Eltern und Familien stehen in der Verantwortung, ihnen das dazu not-
wendige Rüstzeug zu vermitteln. Zusätzlich besteht eine öffentliche Verantwor-
tung, dieses Aufwachsen zu begleiten, zu fördern und zu unterstützen. Kein
Kind darf zurück gelassen werden – dies muss Maßstab einer Anti-Exklusions-
politik werden, die auf Integration und Teilhabe der jungen Generationen setzt.
Politik und Gesellschaft müssen vom Kind aus denken, das heißt, alles Handeln
und Entscheiden, Ressourcen und Strukturen konsequent an den Rechten, Mög-
lichkeiten, Ansprüchen und Interessen von Kindern und Jugendlichen orientiert
werden. Dies wird besonders deutlich in der Bildungs-, Finanz-, Sozial- und
Umweltpolitik, aber auch in der Gesundheits-, Arbeitsmarkt- und Verkehrspoli-
tik, in der Innen- und Rechtspolitik, der Medienpolitik sowie im Verbraucher-
schutz. Leitlinie muss dabei die Förderung von Zugangs-, Teilhabe- und Gene-
rationengerechtigkeit sein.

2. Aufwachsen mit Hindernissen

Wir brauchen eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Kinder und Ju-
gendliche, um allen die Chance auf ein eigenverantwortliches Leben als selb-

ständiges und geschätztes Mitglied der Gesellschaft zu eröffnen. Verschiedene
Berichte und Studien belegen, dass vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial
benachteiligten Familien und bildungsfernen Schichten ihre Potenziale nicht
voll entfalten können. Viele haben schlechte Bildungschancen, werden nicht
ausreichend gefördert und wachsen ungesund auf. Andere scheitern am Einstieg
in das Berufsleben. Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sehen
sich noch immer großen Hindernissen ausgesetzt. In kaum einem anderen ver-

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gleichbaren Land entscheidet die soziale Herkunft so stark über die Bildungs-
und Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichen wie in Deutschland. Zen-
trales Ziel muss es daher sein, gleichberechtigte Teilhabe aller Kinder und Ju-
gendlichen an Bildungsprozessen zu eröffnen und ihnen das Heranwachsen zu
einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu er-
möglichen.

Es ist vorrangige Aufgabe aller politischen Akteure, Armutsrisiken zu verrin-
gern, die insbesondere für Kinder von Alleinerziehenden, Kinder aus Mehr-Kin-
der-Familien und mit Migrationshintergrund bestehen. Es muss deshalb darum
gehen, Beratungs- und Unterstützungssysteme für Familien so weiter zu entwi-
ckeln, dass vor allen Kinder mit so genanntem Risikohintergrund guten und frü-
hen Zugang zu öffentlichen Angeboten bekommen.

Für Jugendliche ist es essentiell, durch individuelle Förderung, Beratungs- und
Unterstützungsangebote die Zugänge zu Ausbildung und Beruf zu verbessern
und Jugendarbeitslosigkeit insgesamt durch gezielte Maßnahmen und Pro-
gramme wirksam zu bekämpfen. Es ist unsere Aufgabe, perspektivlosen Ju-
gendlichen – insbesondere aus so genannten Risikogruppen – Chancen zu eröff-
nen.

3. Kinderrechte

Kinder und Jugendliche sind Träger eigener Rechte und nicht Objekte des Han-
delns Erwachsener. Dieser Ansatz muss einer modernen, ganzheitlichen Politik
für Kinder und Jugendliche zugrunde liegen. Er entspricht der UN-Konvention
über die Rechte des Kindes sowie den Forderungen im Nationalen Aktionsplan
für Kinder. Die Kinderrechtskonvention verpflichtet den Gesetzgeber, das Wohl
des Kindes vorrangig zu berücksichtigen – und zwar bei allen Maßnahmen, die
Kinder betreffen. Verbunden mit der Pflicht, zur Gewährleistung aller Rechte
der Konvention gesetzgeberisch tätig zu werden, begründet die Konvention eine
rechtliche Verpflichtung dazu, Kinder in den Mittelpunkt zu rücken. Dieses In-
strument muss besser genutzt werden, um Kinder und ihre Belange über die Fa-
milienpolitik hinaus in jegliches politisches Handeln ein zu beziehen und ihre
Mitwirkungsmöglichkeiten aus zu bauen.

4. Frühkindliche Förderung und Bildung

Um Kinder und Jugendliche aktiv zu stärken, damit sie die Herausforderungen
des Lebens in einer Wissensgesellschaft mit Kraft, Mut und Neugierde meistern
können, müssen aber auch in originär kinder-, jugend- und familienpolitischen
Handlungsfeldern große Hürden genommen werden. Eine verlässliche und
hochwertige Infrastruktur zur Erziehung, Bildung und Betreuung für Kinder und
eine entsprechende Unterstützungsinfrastruktur für ihre Eltern ist unabdingbar,
um Kindern individuell zu fördern und Eltern bei der Wahrnehmung ihrer fami-
liären Erziehungs- und Versorgungspflichten zu stärken. Durch qualifizierte
Formen der Kindertagesbetreuung soll elterliche Erziehungsverantwortung
nicht ersetzt, sondern unterstützt und ergänzt werden. Beratungs- und Unterstüt-
zungsangebote für Eltern müssen deshalb integraler Bestandteil der Ganztagsan-
gebote für Kinder vor der Schule und im Schulalter sein.

Deutschland als rohstoffarmes Land muss in besonderer Weise in die Bildung
junger Menschen investieren. Dies beginnt aber nicht erst in der Schule. Insbe-
sondere der Förderung in den ersten Lebensjahren kommt ein besonderes Ge-
wicht zu. Gerade in den ersten Lebensjahren verfügen Kinder über ein großes
Lernpotential, das für ihre emotionale, soziale und kognitive Entwicklung stär-
ker unterstützt werden muss. In Deutschland wurde die frühkindliche Förderung
allerdings lange unterschätzt. Inzwischen hat sich gezeigt, dass Kinder, die in ei-

nem für sie günstigen Umfeld aufwachsen, von einer qualitativen Betreuung und
frühen Förderung in Kindertageseinrichtungen zusätzlich profitieren. Bei Kin-

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dern, die in einem weniger günstigen Umfeld aufwachsen, können eine gute Be-
treuung und Förderung helfen, Defizite rechtzeitig zu kompensieren.

5. Infrastruktur für Kinder und Jugendliche und ihre Familien

Trotz der wirkungsvollen Anstrengungen für einen qualitativen und quantitati-
ven Ausbau der Kindertagesbetreuung und Ganztagsschulen in den vergangenen
Jahren besteht im öffentlichen Förderangebot weiterhin großer Nachholbedarf.
Mit dem Inkrafttreten des „Tagesbetreuungsausbaugesetzes“ (TAG) wurde ein
großer Schritt in die richtige Richtung gemacht. Er allein reicht aber noch nicht
aus. Insbesondere in Westdeutschland gibt es weiterhin einen eklatanten Rück-
stand bei der Kinderbetreuung für die unter Dreijährigen. Weitere Anstrengun-
gen sind erforderlich, um zeitnah und verbindlich ein bedarfsgerechtes, hoch-
wertiges Förderangebot zu etablieren, wie es in zahlreichen vergleichbaren Staa-
ten lange schon selbstverständlich ist.

Die Förderung in der Familie muss durch vielfältige Angebote der Kindertages-
betreuung ergänzt werden. Für die frühen Entwicklungs- und Bildungsprozesse
von Kindern haben diese Förderangebote einen eigenständigen Wert. Qualifi-
zierte Tagesbetreuung ist darüber hinaus eine zentrale Bedingung für die bessere
Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit die Voraussetzung dafür, dass
Frauen und Männer gleichberechtigt einer Erwerbstätigkeit nachgehen können.
Heute gibt es vielfältige Lebensformen und unstetige Erwerbsarbeitsverhält-
nisse, die auf umfassende Betreuungsangebote angewiesen sind, um Familie
und Beruf miteinander vereinbaren zu können. Die Betreuungsinfrastruktur
muss so ausgebaut werden, dass Eltern sich frei entscheiden können, ob und wie
sie ihr Kind betreuen lassen wollen. Bislang ist allerdings die Infrastruktur in
vielen Regionen Deutschlands quantitativ und teilweise auch qualitativ so unter-
entwickelt, dass diese Wahlfreiheit deutlich beschränkt wird. Familienförderung
in Deutschland hat über Jahrzehnte zu einer Transferlastigkeit und gleichzeitiger
Infrastrukturschwäche geführt. Vor allem in den westdeutschen Bundesländern
zeigt sich dies in einer gravierenden Schwäche bei den Betreuungsangeboten für
die unter Dreijährigen. Offensichtlich wurden zu lange Frauenerwerbstätigkeit
und Kindeswohl als Gegensätze angesehen und Sozial- und Familienpolitik ein-
seitig am Leitbild der Alleinverdienerehe orientiert. Auch deshalb fehlt nun in
großem Maße die Infrastruktur für die Förderung in der frühkindlichen Phase.

Um hier Abhilfe zu schaffen, müssen finanzielle Ressourcen in diesem Land an-
ders verteilt werden: Mehr Investitionen müssen in den frühkindlichen Bereich
und in Bildungseinrichtungen fließen. Das bedeutet in Zeiten angespannter
Haushaltslage eine klare Prioritätensetzung auf die Weiterentwicklung der Infra-
struktur gegenüber zusätzlichen allgemeinen Transfererhöhungen.

Bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen für Erziehung, Bildung und Betreu-
ung von Kindern und Jugendlichen aller Altersstufen besteht weiterhin ein er-
heblicher Modernisierungsbedarf. Der 12. Kinder- und Jugendbericht regt eine
bessere Verzahnung der verschiedenen Akteure und Institutionen in den Berei-
chen Erziehung, Bildung und Betreuung und eine Verknüpfung ihrer Aufgaben-
gebiete an. Kinderbetreuungseinrichtungen müssen als Bildungsorte verstanden
werden und ihre Arbeit deshalb besser mit den Aktivitäten in den Schulen ver-
knüpft werden. Es muss gelingen, die verschiedenen Bildungs-, Betreuungs-
und Erziehungsangebote im vorschulischen, schulischen und außerschulischen
Bereich zu einem aufeinander abgestimmten Angebot auszubauen. Nur hier-
durch kann das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen innerhalb und au-
ßerhalb von Familie und Schule so gestaltet werden, dass ihnen gute und faire
Zukunftsperspektiven eröffnet werden und sie zu eigenständigen und verant-
wortungsbewussten Menschen heranwachsen.
Ganztagsschulangebote – richtig gestaltet – helfen, Kinder und Jugendliche op-
timal zu fördern und dienen dem Ziel der Chancengleichheit. Der 12. Kinder-

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und Jugendbericht würdigt die Bedeutung von Ganztagsschulen. Ganztagsange-
bote bieten die Chance, den dramatischen Zusammenhang zwischen sozialer
Herkunft und Bildungserfolg zu durchbrechen. Sie stellen den geeigneten Rah-
men für eine neue Lern- und Lehrkultur. Sie unterstützen Familien und erleich-
tern die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und einem Leben mit Kindern. Die
strukturelle Reform im Schulbereich schöpft allerdings ihre Möglichkeiten erst
dann voll aus, wenn sie mit einer inhaltlichen Bildungsreform einhergeht, die
auf individuelle Förderung statt früher Selektion setzt und soziales Lernen för-
dert. Schule muss für die Kinder da sein. Schulen müssen sich auf jedes einzelne
Kind einlassen können, nur dann bekommt jedes Kind die Chance, sein indivi-
duelles Potenzial auszuschöpfen. Ganztagsschulen sind außerdem ein optimaler
Rahmen für die Öffnung von Schulen für Kooperationsformen mit Partnern aus
dem sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Umfeld.

6. Qualität

Der quantitative Ausbau von Angeboten für Familien muss mit qualitativen Ver-
besserungen einhergehen. Nur wenn Eltern von der hohen Qualität der Betreu-
ungsangebote überzeugt sind, können sie ihre Kinder mit gutem Gefühl außer-
halb der Familie betreuen und fördern lassen. Die Empfehlung aus dem 12. Kin-
der- und Jugendbericht für den Aufbau eines Qualitätssicherungssystems mit
bundeseinheitlichen Grundstandards ist zu begrüßen. Dafür ist eine Verständi-
gung auf gemeinsame und einheitliche Ziele unter Einbeziehung der Kompeten-
zen der Träger von Betreuungseinrichtungen und der Akteure in den Kommunen
nötig. Die Aus- und Weiterbildung der pädagogischen Fachkräfte ist darüber hi-
naus ein zentraler Schlüssel für die Qualitätsentwicklung. Die Anhebung der
Ausbildung auf Hochschulniveau ist deshalb ein notwendiger Schritt. Langfris-
tig sollte in den vorschulischen Einrichtungen ein Personal-Mix erreicht werden.
Personen mit unterschiedlicher Ausbildung können dann für Betreuung, Bil-
dung und Erziehung sorgen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● einen Rechtsanspruch auf einen qualifizierten Ganztagsbetreuungsplatz für
Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr zeitnah zu verankern;

● mit den Ländern darauf hinzuarbeiten, dass das Angebot an ganztägigen Kin-
derbetreuungsplätzen im Kindergartenbereich deutlich ausgeweitet wird;

● für den quantitativen und qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung ge-
meinsam mit Ländern und Kommunen ein Finanzierungskonzept zu erarbei-
ten, das eine Beteiligung des Bundes an der Finanzierung sichert, das außer-
dem gewährleistet, dass die Mittel tatsächlich der fehlenden Infrastruktur zu
Gute kommen und die Nachfrageposition der Eltern stärkt;

● die bestehenden Regelungen zum Ehegattensplitting in eine Individualbe-
steuerung mit übertragbarem Höchstbetrag umzuwandeln und die dadurch
entstehenden Mehreinnahmen der öffentlichen Haushalte in die Förderinfra-
struktur für Kinder umzuleiten;

● gemeinsam mit den Ländern auf die qualitative Anhebung der Ausbildung
der Erzieherinnen und Erzieher auf Hochschulniveau hinzuwirken, um in den
vorschulischen Einrichtungen perspektivisch einen Personal-Mix zu etablie-
ren;

● gemeinsam mit den Ländern bundesweit eine Grund- und Weiterqualifizie-
rung von Kindertagespflegekräften zu verankern;

● die Fortführung der Arbeit der Nationalen Qualitätsinitiative (NQI) mit dem

Ziel zu veranlassen, dass ein Abgleich der Erziehungs- und Bildungspläne für

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den Elementarbereich in den Ländern erfolgt und die Verbindlichkeit der Im-
plementierung und Umsetzung überprüft wird;

● entsprechend ihren Möglichkeiten dafür Sorge zu tragen, eine verbindliche
Implementierung und Umsetzung von Erziehungs- und Bildungsplänen für
den Elementarbereich zu gewährleisten;

● zu prüfen, inwieweit Qualitätsmanagementsysteme, wie Gütesiegel- oder
Zertifizierungsverfahren, für die Kindertagesbetreuung in Einrichtungen und
in der Kindertagespflege verbindlich und flächendeckend eingeführt werden
können;

● gemeinsam mit den Ländern darauf hinzuwirken, dass bestehende Modelle
zur Erweiterung von Kindertageseinrichtungen zu Eltern-Kind-Zentren in
der Breite als Regelangebote realisiert werden können. So können Eltern-
kompetenz und Familienbildung durch abgestimmte und niedrigschwellige
Angebote vorangebracht werden;

● gemeinsam mit den Ländern und Kommunen darauf hinzuwirken, dass in
Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen eine gesunde, ausgewogene
und kindgerechte Verpflegung angeboten wird;

● sich für eine bessere Kooperation von Pädagoginnen und Pädagogen bei
frühkindlicher und schulischer Förderung einzusetzen. Dazu sind auch ge-
meinsame Weiterbildungsmaßnahmen zu entwickeln;

● zusammen mit den Ländern auf mehr Chancengerechtigkeit im Bildungssys-
tem hinzuwirken durch mehr individuelle Förderung statt früher Selektion.
Schulen müssen sich auf jedes einzelne Kind einlassen können, nur dann be-
kommt jedes Kind die Chance, seine individuellen Potenziale auszuschöpfen;

● in der anstehenden Reform der föderalen Ordnung darauf hinzuwirken, dass
der Bund sich auch in Zukunft sowohl an der strategischen Weiterentwick-
lung des Bildungs- und Wissenschaftssystems als auch an finanziellen Unter-
stützungsmaßnahmen für Schule und Hochschule weiterhin beteiligen kann;

● den Ausbau von Ganztagsschulen nach dem Auslaufen des Ganztagsschul-
programms in 2009 weiterhin zu fördern;

● über das laufende Ganztagsschulprogramm hinaus mit den Ländern gemein-
sam Programme zu entwickeln und durchzuführen, die der Weiterentwick-
lung der Schulen zu autonomen Orten ganzheitlichen Lernens dienen. Die
Schulen müssen darin unterstützt werden, sich als zentrale Lernorte mit den
anderen Lernorten zu vernetzen und durch die Arbeit multiprofessioneller
Teams den Kindern ein umfassendes Angebot von Bildung und Erziehung
bieten;

● in Zusammenarbeit mit den Ländern die engere und gleichberechtigte Ko-
operation von Kinder- und Jugendhilfe und Schule zu fördern und jeweils die
strukturellen und personellen Voraussetzungen dafür zu schaffen;

● die schulbezogene Jugendsozialarbeit bedarfsgerecht zu stärken und weiter-
zuentwickeln, weil sie durch explizite Bildungsangebote und kompensatori-
sche Leistungen Chancengleichheit, soziale Inklusion und Integration ver-
bessert;

● im Rahmen ihrer Zuständigkeiten dafür zu sorgen, dass das im 12. Kinder-
und Jugendbericht geforderte Zusammenspiel unterschiedlicher Lernwelten
sowie schulischer und außerschulischer Bildungsorte gestärkt wird;

● zu gewährleisten, dass die Vielfalt inhaltlicher Schwerpunkte der Jugendar-
beit und ihrer Handlungsfelder insbesondere in der verbandlichen und offe-

nen Jugendarbeit, der Kinder- und Jugendkulturarbeit und in der sportlichen
Jugendbildung erhalten und weiterentwickelt wird;

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● im Zuge der Reform der bundesstaatlichen Ordnung starke Strukturen in der
Kinder- und Jugendhilfe zu gewährleisten. Die Forderung des 12. Kinder-
und Jugendberichts nach stärkerer Zusammenarbeit vor allen auf kommuna-
ler Ebene sind dabei zu berücksichtigen;

● die im 12. Kinder- und Jugendbericht geäußerte Anerkennung der Bildungs-
leistungen der Kinder- und Jugendhilfe zu berücksichtigen. Die Ausweitung
nichtschulischer multiprofessioneller Bildung im Bereich der Jugendarbeit
verbreitert soziale, kulturelle, musisch-ästhetische, politische, sportliche und
technisch-handwerkliche Lern- und Erfahrungsperspektiven. Es muss daher
gewährleistet werden, dass die im Koalitionsvertrag angekündigte Überprü-
fung des Kinder- und Jugendplans keine Mittelkürzung zur Folge hat;

● die Forderung des 12. Kinder- und Jugendberichts nach verstärkter Beteili-
gung von Kindern und Jugendlichen bei der Entwicklung neuer Angebote
und Kooperationen in der Kinder- und Jugendhilfe zu berücksichtigen, um
die Partizipation, Selbstwirksamkeit und demokratische Teilhabe von Ju-
gendlichen zu verbessern und zielgruppengerechtere Angebotsstrukturen zu
gestalten;

● darauf hinzuwirken, dass die Bildungsangebote der Jugendarbeit die so ge-
nannten Risikogruppen des formalen Bildungssystems besser erreichen und
unterstützen. Notwendig sind dazu zielgruppenspezifische und sozialräum-
lich orientierte Angebote in der Jugendarbeit die soziale und kulturelle Zu-
gangshürden für Kinder, Jugendliche und Heranwachsende aus sozial prekä-
ren Lebenslagen, bildungsfernen Schichten und mit Migrationshintergrund
abbauen und deren Entwicklungsperspektiven verbessern. Dazu brauchen
wir eine lebensweltorientierte Öffnung der Angebotsstrukturen in Schule und
Jugendhilfe und eine intensivierte Kooperation der beiden Bereiche;

● im Bereich der außerschulischen Bildung darauf hinzuwirken, geschlechter-
bezogene Benachteiligungen von Mädchen und Jungen sowie gleichge-
schlechtlich orientierter Jugendlicher abzubauen, sowie deren Potenziale und
ein Klima gegenseitiger Anerkennung und Wertschätzung zu fördern.

Berlin, den 7. März 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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