BT-Drucksache 16/7924

Wechselkurspolitische Absichten der Bundesregierung

Vom 25. Januar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7924
16. Wahlperiode 25. 01. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Herbert Schui, Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost und der
Fraktion DIE LINKE.

Wechselkurspolitische Absichten der Bundesregierung

Die Wechselkurse der wichtigsten Währungen schwanken in den letzten Jahren
erheblich. Gegenüber dem US-Dollar stieg der Euro von Februar 2002 bis No-
vember 2007 von 0,87 auf 1,47 US-Dollar. Der OECD zufolge liegt die Kauf-
kraftparität bei 1,14 US-Dollar. Die Schwankungen stellen für die Realwirt-
schaft eine Belastung dar. Dies gilt, obwohl der Einfluss des Wechselkurses auf
das Exportvolumen deutlich geringer ist, als zumeist angenommen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Präsidenten der Europäi-
schen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, vom 9. November 2007,
die jüngste Periode habe eine abrupte und scharfe Aufwertung des Euro ge-
genüber dem US-Dollar gezeigt (FAZ, 10. November 2007)?

2. Stimmt die Bundesregierung der Äußerung des EZB-Präsidenten vom 9. No-
vember 2007 zu, dass brutale Veränderungen der Wechselkurse nie willkom-
men sind (FAZ, 10. November 2007)?

3. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass „sich ein weiterer rascher
Anstieg des Euro spürbar nachteilig für Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum
und Beschäftigung in Deutschland auswirken“ dürfte (interner Vermerk des
Bundesministeriums der Finanzen vom 30. Oktober 2007, DER SPIEGEL,
12. November 2007)?

4. Stimmt die Bundesregierung der Ansicht zu, dass eine Politik der „wohlwol-
lenden Vernachlässigung gegenüber dem Euro-Wechselkurs“ der Eurozone
schaden dürfte, wie sie Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker, am 20. No-
vember 2007 im EU-Parlament äußerte (FINANCIAL TIMES DEUTSCH-
LAND, 21. November 2007)?

5. Teilt die Bundesregierung das Anliegen der chinesischen Zentralbank, ge-
meinsame Schritte zu unternehmen, um zu starke Wechselkursschwankun-
gen zu verhindern, das diese nach dem Gespräch mit dem Vorsitzenden der
Eurogruppe, dem EZB-Präsidenten und dem EU-Währungskommissar am

27. November 2007 zum Ausdruck brachte (Handelsblatt, 28. November
2007)?

6. Ist die Äußerung des Bundesministers der Finanzen, Peer Steinbrück, er lie-
be einen starken Euro, dahingehend zu verstehen, dass aus Sicht der Bundes-
regierung der US-Dollar gar nicht weit genug gegenüber dem Euro fallen
kann (DER SPIEGEL, 26. November 2007)?

Drucksache 16/7924 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

7. Teilt die Bundesregierung folgende Ansicht des Chefvolkswirts der Euro-
päischen Zentralbank, Jürgen Stark: „Wir haben kein Wechselkursziel. Ein
weiteres Ziel wie die Wechselkursstabilität in den Aufgabenkatalog aufzu-
nehmen könnte zu einem Zielkonflikt führen und die Gewährleistung der
Preisstabilität beeinträchtigen.“, und wie begründet sie dies (FAZ, 24. Juli
2007)?

8. Geht die Bundesregierung von einem Zusammenhang zwischen der Zins-
politik der Zentralbank und der Wechselkursentwicklung aus, und wenn ja,
wie ist dieser zu charakterisieren?

9. Sieht die Bundesregierung Ansatzpunkte für eine abgestimmte Wechsel-
kurspolitik mit den USA, angesichts der Tatsache, dass die USA kein Inte-
resse daran haben können, den Status eines, wenngleich eingeschränkten,
Leitwährungslandes zu verlieren?

10. Sind der Bundesregierung Absichten oder Aktivitäten der US-amerikani-
schen Regierung oder der US-Zentralbank Federal Reserve bekannt, mit
dem Ziel, den Außenwert des US-Dollar zu stützen oder zu vermindern?

11. Sieht die Bundesregierung Ansatzpunkte für eine abgestimmte Wechsel-
kurspolitik mit exportstarken Ländern wie China und den OPEC-Staaten,
angesichts der Tatsache, dass diese kein Interesse an einer starken Ent-
wertung ihrer US-Devisenreserven haben können, wie dies im Festhalten
Saudi-Arabiens an der Dollarbindung zum Ausdruck kam?

12. Stellt die Einschätzung der Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, „Ver-
suche, an dem Verhältnis beider Währungen etwas zu ändern, gefährden die
Preisstabilität“ (FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND, 16. Januar 2008)
eine Korrektur gegenüber der früheren Ankündigung „Wir arbeiten inter-
national daran, dass die Währungsgleichgewichte vernünftig ausbalanciert
sind“ (DER SPIEGEL, 24. November 2007) dar, und falls nicht, wie sind
beide miteinander vereinbar?

13. Welche konkreten, über Konsultationsrunden hinausgehenden Handlungs-
absichten stehen hinter der in Frage 12 zitierten Absicht die Währungs-
gleichgewichte vernünftig auszubalancieren?

14. Welche Aufgaben hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Arbeitsgrup-
pe über Wechselkursfragen, welche die Vertreter der Eurozone und Chinas
im November 2007 eingerichtet haben, und werden diese über den reinen
Informationsaustausch hinausgehen?

15. Wie bewertet die Bundesregierung im Nachhinein das so genannte Plaza-
Abkommen von 1985, in dem die führenden Industrienationen beschlossen,
dem Aufwärtstrend des US-Dollar entgegenzuwirken?

16. Wie bewertet die Bundesregierung im Nachhinein das so genannte Louvre-
Abkommen von 1987, in dem die führenden Industrienationen beschlossen,
dem weiteren Verfall des US-Dollar entgegenzuwirken, nachdem dieser ge-
genüber 1985 die Hälfte seines Wertes im Verhältnis zur D-Mark eingebüßt
hatte?

17. Hält es die Bundesregierung für möglich, in absehbarer Zeit ein vergleich-
bares internationales Abkommen zur Wechselkursstabilisierung zustande
zu bekommen, hält sie es für wünschenswert, und wie begründet sie ihre
Einschätzung?

18. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass der Rat der Europäi-
schen Union von seinem Recht Gebrauch macht, „allgemeine Orientierun-
gen für die Wechselkurspolitik“ aufzustellen oder „förmliche Vereinbarun-

gen über ein Wechselkurssystem für den Euro gegenüber den Währungen
von Drittstaaten“ zu treffen (bisher Artikel 109 EG-Vertrag, im Falle der

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7924

Ratifizierung Artikel 1880 des Vertrages über die Arbeitsweise der Euro-
päischen Union)?

19. Teilt die Bundesregierung die Ansicht des IMK-Ökonomen Gustav Horn,
dass die EZB deutlich machen muss, dass sie einen weiteren Anstieg des
Euro nicht hinnehmen und womöglich sogar intervenieren wird, und wie be-
gründet sie ihre Position (DER SPIEGEL, 26. November 2007)?

20. Stimmt die Bundesregierung mit der Feststellung überein, dass gegenwärtig
wechselkursbedingte Gefahren für die Weltwirtschaft nicht nur von der
Kursentwicklung der chinesischen Währung, sondern auch von der Ent-
wicklung des Dollarkurses und anderen erheblichen Wechselkursschwan-
kungen ausgehen?

21. Teilt die Bundesregierung angesichts ihrer Antwort auf Frage 20 die Ein-
schätzung, dass der Internationale Währungsfonds jüngst der chinesischen
Wechselkurspolitik eine große Aufmerksamkeit, der Entwicklung des Dol-
larkurses im Verhältnis dazu eine geringe Aufmerksamkeit geschenkt hat,
und wie bewertet sie dies?

Berlin, den 24. Januar 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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