BT-Drucksache 16/7865

Feinstaub-Fahrverbote für Reisebusse sachgerecht und unbürokratisch regeln

Vom 23. Januar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7865
16. Wahlperiode 23. 01. 2008

Antrag
der Abgeordneten Ernst Burgbacher, Jens Ackermann, Michael Kauch, Patrick
Döring, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika
Brunkhorst, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke,
Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-
Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-
Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer,
Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann,
Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn), Markus Löning, Patrick
Meinhardt, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina
Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Florian
Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Feinstaub-Fahrverbote für Reisebusse sachgerecht und unbürokratisch regeln

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Auf der Grundlage der Verordnung zur Kennzeichnung emissionsarmer Fahr-
zeuge (BGBl. 2006 I S. 2218 ff.) gelten seit Januar 2008 in einigen deutschen
Städten Verkehrsbeschränkungen, von denen neben PKW und LKW in beson-
derem Maße auch Reisebusse betroffen sind.

Zwar existieren bereits in einigen Städten Regelungen zur Erteilung von Aus-
nahmegenehmigungen. Diese werden regional jedoch nach wenig einheitlichen
und in teilweise äußerst bürokratischen Verfahren erteilt, die insbesondere für
Reisebusunternehmen kaum praktikabel und sehr belastend sind. Insbesondere
gibt es keine Regelungen und Verwaltungsverfahren, die eine zeitliche Befris-
tung von Einfahrverboten oder Möglichkeiten für Ausnahmegenehmigungen
überregional einheitlich regeln.

Obwohl Reisebusse allgemein als besonders umweltfreundliches Verkehrsmittel
gelten, werden die betreffenden Unternehmen durch exzessive Bürokratie un-
zumutbar belastet. Die drohenden Fahrverbote würden letztlich dem gesamten
lokalen Tourismusgewerbe in den Städten erheblichen Schaden zuzufügen, ohne

dass die menschliche Gesundheit oder die natürliche Umwelt davon tatsächlich
profitieren würden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. in Zusammenarbeit und im Dialog mit den Ländern zu erwirken, dass für
Reisebusunternehmen, die von Fahrverboten auf der Grundlage der Verord-
nung zur Kennzeichnung emissionsarmer Fahrzeuge betroffen sind, einfache,

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einheitliche und unbürokratische Verwaltungsverfahren zur Beantragung
bzw. Gewährung von Ausnahmegenehmigungen vorgesehen und im födera-
len Verbund vereinbart werden,

2. in diesem Zusammenhang insbesondere zu erwirken, dass

a) Ausnahmen begründende Tatbestände pauschal für bestimmte Fahrzeug-
typen nachgewiesen werden können,

b) sachfremde einschränkende Bedingungen für Ausnahmegenehmigungen
(z. B. Beschränkung auf Unternehmen mit einer bestimmten Fuhrpark-
größe oder -beschaffenheit) unterbleiben, um Diskriminierungen einzel-
ner Unternehmen von vornherein auszuschließen,

c) Ausnahmegenehmigungen für Reisebusse generell für größere regionale
Einzugsgebiete und für jeweils ein Kalenderjahr erteilt werden und dass
Ausnahmegenehmigungen auch nachträglich beantragt werden können,
wenn die Einfahrt zuvor angemeldet worden ist,

d) einheitliche Regelungen für den Vollzug – insbesondere hinsichtlich der
Feststellung und Ahndung von Verstößen – festzulegen,

3. klar zu regeln, wie mit ausländischen Reisebussen verfahren werden soll, zu-
mal Bestimmungen wie die in Deutschland geltende Kennzeichenverordnung
in anderen EU-Ländern nicht existieren,

4. in diesem Zusammenhang sicherzustellen, dass eine Gleichbehandlung inlän-
discher und ausländischer Reisebusse bzw. inländischer und ausländischer
Reisebusunternehmen gewährleistet ist,

5. im Rahmen der Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit ge-
ringem Beitrag zur Schadstoffbelastung (35. Bundes-Immissionsschutzver-
ordnung – BImSchV) zunächst eine auf fünf Jahre befristete Ausnahmerege-
lung für Reisebusse vorzusehen und

6. Reisebusse generell und bundesweit von feinstaubbedingten Fahrverboten in
Innenstädten auszunehmen, falls eine im vorstehend beschriebenen Sinne
sachgerechte, unbürokratische und praktikable Regelung zwischen den Be-
teiligten im föderalen Verbund während der Laufzeit dieser Ausnahmerege-
lung nicht gefunden bzw. vereinbart werden kann.

Begründung

Mehr als 70 Prozent aller Busse (§ 30d der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ord-
nung – StVZO) fallen unter die Schadstoffklassen 0, 1 und 2 und dürften zeitlich
abgestuft demnach in den so genannten Umweltzonen nicht mehr verkehren.
Eine Nachrüstung älterer Busse ist in vielen Fällen technisch nicht machbar, der
Ersatz durch neue und emissionsärmere Fahrzeuge kurzfristig durch die Unter-
nehmen nicht zu leisten.

Dabei handelt es sich bei Bussen um das umweltfreundlichste Verkehrsmittel.
Der Einsatz von Bussen, insbesondere auch im Fernverkehr, ist schon heute
durch die Nutzung konventioneller Treibstoffe und konventioneller Technik
sehr umweltfreundlich (Ifeu-Studie: Potenziale 2010). Nur 2,45 Prozent aller
verkehrsbedingten Emissionen sind auf Reise- und Linienbusse zurückzuführen.
Dabei verursachen Reisebusse nur einen kleinen Anteil dieser Emissionen. Im
Vergleich zu konkurrierenden Verkehrsmitteln weisen selbst Reisebusse älterer
Bauart niedrige CO2-Emissionen und einen geringen Energieverbrauch aus. Der

Verbrauch bzw. die Emissionen je Person und Kilometer liegen deutlich unter
dem der Bahn, PKW (Otto- und Dieselmotor) und des Flugzeugs. Der Reisebus

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7865

hat je Person und Kilometer zudem sehr niedrige Partikel-Emissionen (Ifeu-
Institut 2004 und Berechnungen des Verbands Deutscher Verkehrsunterneh-
men – VDV).

Daher kann der Einsatz von Bussen sowohl einen zentralen Beitrag zur Vermin-
derung von klimaschädlichen Emissionen als auch zur Reduzierung der Fein-
staubbelastung leisten. Umgekehrt führen zusätzliche Hindernisse für den Ein-
satz von Bussen zu einer Verlagerung auf andere Verkehrsträger und damit zu
einer Erhöhung der Emissionen. Der eingeschränkte Zugang für zahlreiche
Busse zu zahlreichen Innenstädten infolge der Einführung von Fahrverboten in
den so genannten Umweltzonen ist vor diesem Hintergrund ausgesprochen kon-
traproduktiv. Insbesondere der Bustourismus wird durch diese Einschränkung
nachhaltig erschwert. In der Folge ist mit einem Anstieg des Individualverkehrs
aber auch des Flugtourismus zu rechnen und mit einem entsprechend höheren
CO2- und Feinstaubaufkommen je Reisendem.

Hinzu kommen schwere ökonomische und soziale Folgen: Die Bustouristik in
Deutschland sichert in rund 6 000 Betrieben etwa 65 000 Arbeitsplätze. Die Bus-
touristik stellt mit 6,2 Millionen Urlaubsreisen, 15 Millionen Kurzreisen sowie
100 Millionen sonstige touristischen Gelegenheitsfahrten (Tagesfahrten, Aus-
flüge, Transfer etc.) und insgesamt mit über 120 Millionen Bus-Reisenden im
Jahr 2006 einen maßgeblichen Faktor in der Tourismusbranche dar. Damit liegt
die Bustouristik mit 9 Prozent Marktanteil noch vor der Bahn mit ca. 5 Prozent
Marktanteil. Allein in Berlin reisten im Jahr 2005 1,3 Millionen Übernachtungs-
gäste mit dem Bus an. Durch Fahrverbote für Reisebusse in Innenstädten wird
dieses Angebot eingeschränkt und damit die Wettbewerbsfähigkeit und der Fort-
bestand der Arbeitsplätze gefährdet.

Die Einbeziehung von Reisebussen in die 35. BImSchV ist deshalb nicht nach-
haltig. In ihren Wirkungen erzeugt diese Politik ökologische, ökonomische und
soziale Effekte, die nicht gewünscht und beabsichtigt sein können.

Berlin, den 23. Januar 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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