BT-Drucksache 16/7578

Bekämpfung des Feinstaubaufkommens - Partikelfilterskandal

Vom 12. Dezember 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7578
16. Wahlperiode 12. 12. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Patrick Döring, Michael Kauch, Horst Meierhofer, Horst
Friedrich (Bayreuth), Joachim Günther (Plauen), Jan Mücke, Dr. Karl Addicks,
Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Dr. Edmund Peter Geisen,
Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff,
Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp,
Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina
Lenke, Michael Link (Heilbronn), Patrick Meinhardt, Burkhardt Müller-Sönksen,
Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela
Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms,
Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz,
Dr. Volker Wissing, Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Bekämpfung des Feinstaubaufkommens – Partikelfilterskandal

Im Anschluss an die Kleine Anfrage „Bekämpfung des Feinstaubaufkommens –
Planungen und Ergebnisse“ (Bundestagsdrucksache 16/6675) hat die Diskus-
sion um unwirksame Partikelfilter die mediale Öffentlichkeit erreicht. Mindes-
tens 40 000 Kraftfahrzeuge sind mit Partikelfiltern nachgerüstet worden, die
keine oder nur eine minimale Verminderung des Partikelausstoßes bewirken.

Am 28. November 2007 hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit Sigmar Gabriel verkündet, die Partikelfilter sollten im
Rahmen einer Kulanzlösung kostenlos ausgetauscht werden können.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Verbindlichkeit hat nach Ansicht der Bundesregierung die Gemein-
same Erklärung des Gesamtverbandes Autoteile-Handel e. V. (GVA e. V.)
und des Zentralverbandes Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK e. V.) für
die Hersteller der unwirksamen Partikelfilter und die Werkstätten, die die Fil-
ter verbaut haben?

2. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass die Formulierung in der Gemein-
samen Erklärung von GVA e. V. und ZDK e. V. „2. GVA und ZDK wirken
gegenüber ihren Mitgliedern darauf hin, denjenigen Kunden, deren Fahrzeug

mit einem derart spezifizierten Rußpartikelfilter nachgerüstet wurde, ein
ordnungsgemäß funktionierendes Ersatzfiltersystem – einschließlich not-
wendiger weiterer Bauteile – zur Verfügung zu stellen bzw. einzubauen […]“
lediglich um eine Absichtserklärung handelt und sich daraus keine Rechte
der geschädigten Verbraucher ergeben?

Drucksache 16/7578 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang Presseberichte,
nach welchen die Hersteller der unwirksamen Filter angekündigt haben,
diese Filter nur gegen eigene Filter auszutauschen?

4. Für welche Filter, für die die Allgemeine Betriebserlaubnis zurückgegeben
oder zurückgenommen wurde, sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt wirk-
same Filter derselben Hersteller lieferbar, und wurden entsprechende allge-
meine Betriebserlaubnisse erteilt, für welche nicht (bitte detaillierte Aufstel-
lung mit Anzahl der verbauten Filtersysteme)?

5. Wann rechnet die Bundesregierung damit, dass wirksame Ersatzfilter für die
jeweiligen unwirksamen Filter der Hersteller GAT, Bosal, Tenneco/Walker
und Ernst-Apparatebau mit einer erteilten Allgemeinen Betriebserlaubnis
lieferbar sind (bitte detaillierte Aufstellung)?

6. Teilt die Bundesregierung die Sorge, dass sich die Hersteller der unwirksa-
men Filter den Austausch hinauszögern könnten, um sich der Beweislast-
umkehr des § 476 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu entziehen und
sich auf Verjährungsvorschriften zu berufen?

7. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die Käufer unwirksamer Partikel-
filter sich gegenüber den Werkstätten als Vertragspartner auf die Gewähr-
leistungsvorschriften des BGB berufen können und im Fall der Verweige-
rung oder Unmöglichkeit der Nachbesserung Schadensersatz verlangen und
vom Vertrag zurücktreten können?

8. Wenn ja, ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die von Sigmar Gabriel
verkündete „Kulanzlösung“ damit faktisch weniger weit reicht als die
gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften, weil sich die Unternehmen auf
diese „Kulanzvereinbarung“ beziehen, die sie derzeit nicht erfüllen können
und weil die Werkstätten als Vertragspartner erst einmal auf die Hersteller-
reaktionen warten und ihre vertragliche Haftung gegenüber dem Verbrau-
cher von einer Haftung der Hersteller abhängig machen?

9. Sind die Werkstätten über das Ergebnis der Lösung informiert worden, und
wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang Agentur-
berichte, nach welchen die Werkstattkette Pit-Stop am 30. November von
der Firma GAT eine „verbindliche Erklärung zur Abwicklung etwaiger
Ansprüche von Kunden“ verlangt habe und nicht in der Lage sei Kunden
eine Auskunft über die Vorgehensweise beim Filteraustausch geben zu
können?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung eine Umfrage der Deutschen Umwelt-
hilfe, nach welcher 90 Prozent der befragten Werkstättenbetriebe von einem
Austausch abgeraten hätten?

11. Ist es richtig, dass das Kraftfahrt-Bundesamt die allgemeinen Betriebs-
erlaubnisse allein nach den von den Herstellern vorgelegten Unterlagen er-
teilt und vor der Erteilung keine eigenen Untersuchungen vornimmt?

12. Wenn ja, beabsichtigt die Bundesregierung an diesem Verfahren festzuhalten?

13. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Allgemeinen Betriebserlaubnisse für
die betroffenen Filter jetzt oder zu einem späteren Zeitpunkt auch für die
Zeit vor der Rückgabe zurückzunehmen?

Wie begründet sie die Entscheidung?

14. Falls nein, erfolgt ein Austausch für die Verbraucher daher allein auf frei-
williger Basis, und welche Anreize sieht die Bundesregierung unter diesen
Umständen für einen Austausch eines unwirksamen Filters?

15. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass bei einer Rücknahme der All-
gemeinen Betriebserlaubnisse die steuerliche Förderung nach § 3c des
Kraftfahrzeugsteuergesetzes in Höhe von 330 Euro nach § 12 Abs. 2

Ziffer 2 des Kraftfahrtsteuergesetzes hinfällig wäre und die Steuer neu fest-
gesetzt werden müsste?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7578

16. Werden die Fahrzeuge, die über einen unwirksamen Partikelfilter verfügen,
der vor dem Zeitpunkt der Rückgabe der jeweiligen Allgemeinen Betriebs-
erlaubnis eingebaut wurde, in Zukunft unbefristet die Umweltzonen befah-
ren dürfen?

17. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die Hersteller der unwirksamen
Filter ein großes Interesse daran haben, dass die allgemeinen Betriebs-
erlaubnisse für den Zeitraum vor ihrer Rückgabe bestehen bleiben, weil we-
niger Verbraucher einen Austausch verlangen werden, wenn die steuerliche
Förderung erhalten bleibt und Umweltzonen weiter befahren werden dürfen?

18. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die Formulierung der Gemeinsa-
men Erklärung, „Beide Verbände begrüßen, dass die zuständigen staatlichen
Stellen, vor dem Hintergrund dieser Erklärung und in Erwartung einer ent-
sprechenden Umsetzung in der Praxis die Allgemeinen Betriebserlaubnisse
für die bereits verbauten System nicht mit Wirkung für die Vergangenheit
aufheben wollen.“, so zu verstehen ist, dass die Bundesregierung zugesagt
hat, dass die Allgemeinen Betriebserlaubnisse als Gegenleistung für die
Umsetzung der „Gemeinsamen Erklärung“ von GVA und ZDK nicht aufge-
hoben werden?

19. Sind Medienberichte richtig, nach welchen die Bundesregierung bereits im
Jahr 2006 Kenntnis von Partikelfiltertests des Schweizer Ingenieurbüros
TTM hatte, nach welchen Partikelfilter nicht die geforderte Partikelminde-
rungsquote von 30 Prozent erfüllen?

20. Ist es richtig, dass am 1. Dezember 2006 sogar eine interne Anhörung zu die-
sen Testergebnissen mit mehreren Herstellern von Partikelfiltern stattfand?

21. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass ihre Antwort auf die
Frage 32d der Kleinen Anfrage „Bekämpfung des Feinstaubaufkommens –
Planungen und Ergebnisse (auf Bundestagsdrucksache 16/7096) geeignet
war, den Anschein zu erwecken, als habe die Bundesregierung vor August
2007 keine Testergebnisse über minderwirksame Partikelfilter gekannt?

22. Wie erklärt die Bundesregierung, dass das Gutachten des Schweizer Inge-
nieurbüros TTM nicht in der Beantwortung der Fragen 31 und 32 auf die
Kleine Anfrage der Fraktion der FDP „Bekämpfung des Feinstaub-Aufkom-
mens – Planungen und Ergebnisse“ (Bundestagsdrucksache 16/6675) er-
wähnt wurde?

23. Wann wurde über die Ergebnisse der Untersuchung des Schweizer Inge-
nieurbüros TTM oder vergleichbarer Untersuchungen informiert

a) Bundesminister Sigmar Gabriel,

b) Staatssekretär Matthias Machnig

c) Parlamentarischer Staatssekretär Michael Müller,

d) Parlamentarische Staatssekretärin Astrid Klug,

e) der zuständige Abteilungsleiter im BMU Ministerialdirektor Dr. Uwe
Lahl,

f) Präsident des Umweltbundesamtes Prof. Dr. Andreas Troge?

24. Wie begründet die Bundesregierung im Einzelnen, dass das Schweizer
„Gutachten nicht entlang der entsprechenden technischen Anforderungen
entwickelt wurde“ (Bundesminister Sigmar Gabriel bei Frontal 21 am
27. November 2007) und daher die Geheimhaltung der Ergebnisse der
durch das Kraftfahrt-Bundesamt in Auftrag gegebenen Untersuchung ge-
rechtfertigt gewesen sei, insbesondere:

a) Worin lag die Abweichung?
b) Welche Auswirkungen konnte sie auf das Ergebnis haben?

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25. Hat die Bundesregierung diese Einschätzung auch dem durchführenden
Ingenieurbetrieb zur Kenntnis gebracht?

Wenn nein, warum nicht?

26. Ist es richtig, dass das Ingenieurbüro TTM dem Umweltbundesamt im März
2007 eine überarbeitete Version des Berichts vorgelegt hat?

27. Wenn ja, waren bei diesem die Prüfvorschriften eingehalten worden, oder
gab es Abweichungen zum ursprünglichen Bericht aus dem November
2006?

28. Sofern die Prüfvorschriften eingehalten wurden, warum wurde das Ergebnis
nicht bekannt gemacht, sofern eine Abweichung vorlag, worin lag diese,
und welche Auswirkungen konnte sie auf das Ergebnis haben?

29. Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage eines Sprechers des VW-
Konzerns, der Wolfsburger Autokonzern teste nach ähnlichen Standards
wie die TTM?

30. Warum hat die Bundesregierung nach bekannt werden der Testergebnisse
aus dem Jahr 2006 nicht unverzüglich weitere Tests veranlasst, die den Prüf-
vorschriften entsprachen?

31. Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussagen des damals beteiligten
Schweizer Ingenieurs Andreas Mayer, die deutschen Prüfvorschriften seien
„unbrauchbar und grottenfalsch“ (Frontal 21 am 27. November 2007)?

32. Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Deutschen Umwelthilfe, dass bei
zeitiger Reaktion der Bundesregierung auf die ihr bekannten Informationen
der Einbau von 40 000 bis 60 000 minderwirksamen Filtern von Anfang an
hätte verhindert werden können?

33. Warum hat die Bundesregierung der deutschen Umwelthilfe die Testergeb-
nisse aus dem Jahr 2006 erst zugänglich gemacht, nachdem sie dazu am
23. November 2007 vom Verwaltungsgericht Dessau verurteilt worden
war?

34. Warum ist gerade der zuständige Abteilungsleiter im Umweltbundesamt,
A. F., in nahem zeitlichen Zusammenhang zum Partikelfilterskandal gegen
seinen Willen versetzt worden, obwohl er dafür bekannt ist, sich um Aufklä-
rung bemüht zu haben?

35. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Wirksamkeit des Partikelfilters im
Rahmen der Hauptuntersuchung oder der Abgasuntersuchung regelmäßig
überprüfen zu lassen und wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung?

36. Durch welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung, die Partikel-
zahl der kleineren Partikel als PM10 zu senken, wenn ab 2015 die euro-
päische Feinstaub-Richtlinie auch diese Partikel erfasst und ein Gesund-
heitsschutz im Hinblick auf diese sehr feinen Partikel durch (funktionie-
rende) Partikelfilter offenbar derzeit nicht gewährleistet wird (so Dr. Ulrich
Franck, Umweltforschungszentrum Leipzig bei Frontal 21 vom 27. Novem-
ber 2007)?

Berlin, den 11. Dezember 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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