BT-Drucksache 16/7473

EU-AKP-Abkommen: Faire Handelspolitik statt Freihandelsdiktat

Vom 12. Dezember 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7473
16. Wahlperiode 12. 12. 2007

Antrag
der Abgeordneten Heike Hänsel, Hüseyin-Kenan Aydin, Monika Knoche,
Dr. Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke, Inge Höger, Dr. Hakki Keskin, Michael
Leutert, Ulla Lötzer, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Norman Paech, Paul Schäfer (Köln),
Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

EU-AKP-Abkommen: Faire Handelspolitik statt Freihandelsdiktat

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das ursprüngliche Ziel der EU-Kommission, bis Ende 2007 mit allen sechs
Regionalgruppen der AKP (Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifik) voll-
umfängliche Wirtschaftspartnerschaftsabkommen abzuschließen, die nicht nur
die weitgehende Liberalisierung des Güterhandels umfassen, sondern durch
Liberalisierung der öffentlichen Beschaffungsmärkte sowie Regelungen zum
Wettbewerbsrecht, Investitions- und Patentschutz stark in die ordnungspoliti-
schen Handlungsspielräume der Partner eingreifen sollten, ist am Widerstand
der AKP-Staaten gescheitert.

Die neue Verhandlungsstrategie der Kommission sieht vor, mit jenen Staaten
oder Regionen, die nicht bis Ende 2007 in ein Wirtschaftspartnerschaftsabkom-
men einwilligen, vorläufige Abkommen zur Sicherung der WTO-Kompatibili-
tät abzuschließen und anschließend weiter über die Wirtschaftspartnerschafts-
abkommen zu verhandeln.

Viele soziale Organisationen in den AKP-Staaten sehen in den angestrebten In-
terimsabkommen, die insbesondere auf die weitgehende Abschaffung von
Schutzzöllen abzielen, eine Gefahr für die wirtschaftliche und soziale Entwick-
lung ihrer Länder. Überdies steht weiterhin die Drohung im Raum, dass diejeni-
gen AKP-Staaten, die bis Ende 2007 weder ein Wirtschaftspartnerschafts-,
noch ein WTO-kompatibles Interimsabkommen abschließen wollen oder kön-
nen und die keine Least Developed Countries (LDC) sind, ab 2008 mit der An-
hebung von Zöllen für ihre Waren bei der Einfuhr in die EU rechnen müssen.
Dieser von der Kommission auf die AKP-Staaten ausgeübte Druck wurde u. a.
von der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung von AKP und EU in ihrer
Abschlusserklärung von Kigali vom 22. November 2007 kritisiert.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen,

1. dass kein AKP-Staat ab 2008 in seinen Handelsbeziehungen zu den Staaten
der Europäischen Union schlechter als bisher gestellt wird und AKP-Staaten
oder Regionen, die bis Ende 2007 kein Wirtschaftspartnerschafts- oder Inte-
rimsabkommen abschließen, auch dann nicht mit der Anhebung von Zöllen
für ihre Waren bei der Einfuhr in die EU rechnen müssen, wenn sie keine
LDC sind;

Drucksache 16/7473 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
2. dass die Abkommen ohne Zeitdruck, ergebnisoffen und unter Einbeziehung
der Parlamente sowie von Gewerkschaften und Zivilgesellschaft verhandelt
werden und dass in den Interimsabkommen keine Klauseln verankert wer-
den, die in irgendeiner Weise weitere Verhandlungen vorschreiben oder gar
deren Inhalt vorbestimmen;

3. dass die handelsbezogenen Themen Investitions- und Patentschutz, Wettbe-
werbsrecht und öffentliche Beschaffungsmärkte von der Verhandlungs-
agenda genommen werden;

4. dass sich die weiteren Verhandlungen an den Entwicklungsbelangen und den
sozialen und ökonomischen Gegebenheiten der AKP-Staaten orientieren
und entsprechend auf den Abschluss entwicklungsförderlicher und nicht
reziproker Abkommen ausgerichtet werden;

5. dass der Abschluss oder die konkrete Ausgestaltung von Wirtschaftspartner-
schafts- oder Interimsabkommen in keinem Fall Voraussetzung für die Aus-
zahlung von Mitteln aus dem Europäischen Entwicklungsfonds wird.

Berlin, den 11. Dezember 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

In den AKP-Staaten leben über 700 Millionen Menschen. Die Wirtschaftspart-
nerschaftsabkommen und die WTO-kompatiblen Interimsabkommen werden
weitreichende Auswirkungen auf ihre Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen
und die soziale Entwicklung ihrer Gesellschaften haben. Deshalb fordern die
AKP-Staaten mehr Zeit, um mögliche Abkommen auf ihre gesellschaftlichen
Folgen hin prüfen zu können.

Die EU begründet ihre Eile mit dem Auslaufen der Sondergenehmigung der
Welthandelsorganisation (WTO) für das bisher geltende Präferenzsystem zwi-
schen EU und AKP. AKP-Staaten, die bis Ende 2007 keine neuen Abkommen
unterzeichnen, so argumentiert die Kommission, würden in ihren Handelsbe-
ziehungen mit der EU automatisch auf das Allgemeine Präferenzsystem (GSP)
zurückgeworfen und damit schlechter als bisher gestellt werden, sofern sie
keine Least Developed Countries sind, die unter Sonderbedingungen fallen.

Allerdings hatte sich die EU bis zuletzt beharrlich geweigert, Alternativen aus-
zuloten, und damit den Druck auf die Verhandlungspartner noch erhöht. Weder
wurde bei der WTO die Verlängerung der Sondergenehmigung für das bishe-
rige Präferenzsystem beantragt, was angesichts der sozialen und ökonomischen
Bedingungen in vielen AKP-Staaten durchaus eine ernsthafte Option gewesen
wäre, noch wurden andere Möglichkeiten wie ein reformiertes GSP oder die
Ausdehnung der GSP-plus-Regelung auf die AKP-Staaten ernsthaft geprüft.

Die von der EU-Kommission vorgebrachten Zwänge sind nicht unabänderlich
und können zugunsten entwicklungsförderlicher Abkommen aufgelöst werden.

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