BT-Drucksache 16/7189

zu der dritten Beratung der Gesetzentwürfe der Fraktionen der CDU/CSU und SPD sowie der Bundesregierung -16/6774, 16/7111, 16/6774, 16/7075, 16/7149- Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch

Vom 14. November 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7189
16. Wahlperiode 14. 11. 2007

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Britta Haßelmann, Markus Kurth, Kerstin Andreae, Birgitt
Bender, Kai Gehring, Brigitte Pothmer, Elisabeth Scharfenberg, Christine Scheel,
Irmingard Schewe-Gerigk und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung der Gesetzentwürfe der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
sowie der Bundesregierung
– Drucksachen 16/6774, 16/7075, 16/7111, 16/7149 –

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch

Der Bundestag wolle beschließen:

Mit der Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zum Arbeits-
losengeld II war neben der besseren Betreuung und Förderung von Langzeit-
arbeitslosen auch das Ziel verbunden, die Kommunen von den Ausgaben des
alten Sozialhilferechts zu befreien und ihnen eine dauerhafte Entlastung in Höhe
von 2,5 Mrd. Euro jährlich zu sichern.

Sowohl der Bund als auch die Länder haben sich dazu verpflichtet, diese Entlas-
tung der Kommunen zu gewährleisten. Der Bund beteiligt sich hierfür an den
Leistungen für Unterkunft und Heizung im SGB II, die grundsätzlich die Kom-
munen zu tragen haben. Die Länder haben sich dazu verpflichtet, die ihnen als
Folge der Zusammenlegung zufallenden Einsparungen beim Wohngeld an die
Kommunen weiterzureichen. Die Kommunen sind ihrerseits aufgefordert, aus
dem Entlastungsvolumen 1,5 Mrd. Euro für den Ausbau der Tagesbetreuungs-
einrichtungen für unter 3-Jährige bereitzustellen.

2006 einigten sich Bund und Länder darauf, dass der Bund sich in vierzehn Bun-
desländern mit 31,2 Prozent an den Kosten beteiligt, im CDU-regierten Baden-
Württemberg dagegen mit 35,2 Prozent und im SPD-regierten Rheinland-Pfalz
sogar mit 41,2 Prozent. Im Gegenzug wird die Bundesbeteiligung in Zukunft auf
Grund einer Anpassungsformel angeglichen. Dieses Ergebnis ist offensicht-
licher Ausdruck eines großkoalitionären Formelkompromisses, abseits jeglicher
Fakten, zur Befriedung von Differenzen innerhalb der Regierungsparteien. Die
Leidtragenden sind die Kommunen, deren reale Kostenentwicklung dem macht-

politischen Kalkül zum Opfer gefallen ist.

Die Folgen dieses fragwürdigen Kompromisses kommen die Kommunen jetzt
teuer zu stehen. Auf Grund der Anpassungsformel in § 46 Abs. 7 des Zweiten
Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) sinkt die Bundesbeteiligung im kommenden
Jahr, da die Zahl der Bedarfsgemeinschaften abgenommen hat. Gestiegene
Heizkosten und ein Anstieg der Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft

Drucksache 16/7189 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

leben, haben jedoch zu Ausgabensteigerungen bei einigen Kommunen geführt.
Grund dafür sind auch maßgebliche Änderungen der Koalition aus CDU/CSU
und SPD im SGB II, die zwar zu einem rechnerischen Rückgang der Anzahl der
Bedarfsgemeinschaften geführt, aber für die Kommunen keinerlei Entlastung
bewirkt haben. Insbesondere die Rücknahme des Anspruchs für Jugendliche und
junge Erwachsene (U25) im SGB II, auch im Haushalt ihrer Eltern als eigene
Bedarfsgemeinschaft zu zählen, hat die Zahl der Bedarfsgemeinschaften in
einem Einmaleffekt deutlich abgesenkt, die Kosten der Unterkunft aber auf
annähernd gleichem Niveau belassen. Im Ergebnis sind weniger Bedarfs-
gemeinschaften entstanden, die aber im Durchschnitt mehr Personen als Mit-
glieder haben.

Die Länder werden mit ihrem Vorschlag, nun statt der Anzahl der Bedarfsge-
meinschaften die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zur Grund-
lage der Anpassung des Bundesanteils zu machen, ihrer eigenen Verantwortung
nicht gerecht. Die Entlastung der Länder durch die verringerten Wohngeld-
ausgaben ist laut dem Wohngeld- und Mietenbericht 2006 der Bundesregierung
mit weit über 2 Mrd. Euro deutlich höher ausgefallen als zum Zeitpunkt der
Reform prognostiziert. Diese Entlastungen müssen die Länder vollständig an die
Kommunen weitergeben. Die Länder müssen darüber hinaus mit einem sachge-
rechten Lastenausgleich innerhalb der Länder und zwischen den Ländern sicher-
stellen, dass regionale Ungleichgewichte in der Be- und Entlastung ausge-
glichen werden und alle Kommunen an der vereinbarten Entlastung teilhaben.

Die Kommunen tragen einen wesentlichen Teil der Lasten infolge der hohen
Zahl an so genannten Aufstockerinnen/Aufstockern, die auf Grund geringer
Löhne auf ergänzendes ALG II angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt zu
sichern. Regelmäßig beziehen die Aufstockerinnen/Aufstocker dabei keine oder
kaum solche Leistungen, für die der Bund zuständig ist, sondern haben aus-
schließlich Anspruch auf Übernahme der Unterkunftskosten. Dafür sind jedoch
die Kommunen zuständig. Um die Einkommen von Geringverdienerinnen/Ge-
ringverdienern zu stärken und ihnen das Verlassen des SGB II zu ermöglichen,
muss Lohndumping in Zukunft ein Riegel vorgeschoben werden, die Abgaben-
last für kleine Einkommen muss gesenkt und unbürokratische Hilfesysteme, die
dem SGB II vorgelagert sind, müssen in ihrer Wirksamkeit verbessert werden.
Dadurch würde nicht nur den Menschen mit wenig Einkommen geholfen, auch
die Kommunen wären nachhaltig von den Belastungen der Unterkunftskosten
befreit. Deshalb sind nicht nur Mindestlöhne und eine Absenkung der Sozialver-
sicherungsbeiträge für kleine Einkommen nach dem grünen Progressiv-Modell
dringend notwendig, auch das Wohngeld sollte als unkompliziertes Sicherungs-
system wieder gestärkt werden. Das Wohngeld unterstützt Haushalte mit wenig
Einkommen durch Mietzuschüsse und wird grundsätzlich hälftig von Bund und
Ländern finanziert.

Der Deutsche Bundestag bekräftigt die Verpflichtung zur finanziellen Entlas-
tung der Kommunen in Höhe von 2,5 Mrd. Euro jährlich und fordert die Bun-
desregierung auf,

● die Sonderquoten-Regelung für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zu
Gunsten der Anhebung der allgemeinen Bundesbeteiligung abzuschaffen;

● in Zukunft ein Verfahren zu bestimmen, dass die tatsächlichen finanziellen
Belastungen der Kommunen erfasst;

● die Länder an ihre Verpflichtung zur Entlastung der Kommunen zu erinnern
und auf die vollständige Weitergabe der Entlastungen aus der Wohngeld-
reform hinzuwirken; Lastenausgleiche innerhalb und zwischen den Ländern
müssen dabei in Zukunft dafür sorgen, dass alle Kommunen auch tatsächlich
an der Entlastung teilhaben;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7189

● im Rahmen der derzeit diskutierten Reform des Wohngeldrechtes das Wohn-
geld als vorgelagertes Sicherungssystem zu stärken und die Länder an den
entstehenden Kosten wieder hälftig zu beteiligen;

● durch die zügige Einführung von Mindestlöhnen und die Absenkung der
Sozialversicherungsbeiträge für kleine Einkommen dafür zu sorgen, dass
Menschen mit geringem Einkommen in Zukunft nicht mehr auf ergänzendes
ALG II angewiesen sind und die Kommunen von den erheblichen Lasten der
Unterkunftskosten der so genannten Aufstockerinnen/Aufstocker befreit
werden.

Berlin, den 14. November 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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