BT-Drucksache 16/7112

Mahnungen des Sachverständigenrats ernst nehmen - Mehr Freiheit wagen

Vom 14. November 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7112
16. Wahlperiode 14. 11. 2007

Antrag
der Abgeordneten Rainer Brüderle, Jens Ackermann, Christian Ahrendt, Daniel
Bahr (Münster), Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van
Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth),
Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel
Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner
Hoyer, Michael Kauch, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp,
Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Link (Heilbronn), Markus Löning, Horst
Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg
Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler,
Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido
Westerwelle und der Fraktion der FDP

Mahnungen des Sachverständigenrats ernst nehmen – Mehr Freiheit wagen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Jahresgutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamt-
wirtschaftlichen Entwicklung prognostiziert für das kommende Jahr ein deut-
lich geringeres Wirtschaftswachstum. Auch die wirtschaftswissenschaftlichen
Forschungsinstitute stellen in ihrem Herbstgutachten fest: „Der Aufschwung
legt eine Pause ein.“ Mit einem lediglich dem europäischen Durchschnitt ent-
sprechenden Wirtschaftswachstum von voraussichtlich 2,6 Prozent in diesem
Jahr befindet sich Deutschland zwar gegenwärtig noch in einem positiven kon-
junkturellen Umfeld, die Verstetigung und Ausweitung dieser Entwicklung be-
darf jedoch endlich wieder mutiger Reformmaßnahmen.

Das gute Wirtschaftswachstum der vergangenen zwei Jahre hat mittlerweile zu
mehr Beschäftigung und zu einer verbesserten Haushaltslage geführt. Der private
Konsum steigt nach der Umsatzsteuerdelle infolge der deutlichen Mehrwertsteu-
ererhöhung Anfang 2007 langsam wieder. Grundlage für diese positive Entwick-
lung waren die boomende Weltwirtschaft, moderate Lohn- und Tarifabschlüsse

in den letzten Jahren, erhebliche Restrukturierungen deutscher Unternehmen zur
Steigerung der betrieblichen Effizienz und letztlich auch die Arbeitsmarktrefor-
men der vergangenen Legislaturperiode. Vor allem ältere Arbeitslose bekommen
wieder verstärkt berufliche Perspektiven. Jedoch ist der Aufschwung bislang
nicht bei allen Bevölkerungsgruppen angekommen. Steigende Steuern und So-
zialabgaben sowie eine relativ hohe Inflation von rund 2,2 Prozent haben die
wirtschaftliche Situation durchschnittlich Verdienender weiter getrübt.

Drucksache 16/7112 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Im Kontext einer sich insgesamt abschwächenden Weltwirtschaft, stetig stei-
gender Energie- und Rohstoffpreise, einer restriktiveren Geldpolitik, eines stei-
genden Außenwerts des Euro und der latenten Risiken der aktuellen Finanz-
marktturbulenzen haben sich die Wachstumsaussichten für Deutschland für die
kommenden Jahre verschlechtert. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht,
dass der Sachverständigenrat die Mahnung „das Erreichte nicht verspielen“ an
die deutsche Politik richtet. Oberstes Ziel sollte es hiernach sein, mit einer
durchdachten Reformpolitik mit klarer Konzeption die Voraussetzungen für
eine Verstetigung des Erreichten zu schaffen. Gerade im gegenwärtigen, noch
günstigen wirtschaftlichen Umfeld sollte die Politik die Weichen dafür stellen,
die Grundlagen für Wachstum und Beschäftigung zu sichern, um auch in kon-
junkturell schwachen Zeiten handlungsfähig zu bleiben.

Hierfür braucht Deutschland endlich wieder eine konsistente wirtschaftspoliti-
sche Reformagenda, die die Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft wie
Wettbewerb und Subsidiarität bejaht, mehr unternehmerische und persönliche
Freiheit unterstützt und die sozialen Sicherungssysteme zukunftsfähig macht.
Der stark in taktischen Manövern verfangene politische Zickzackkurs der Bun-
desregierung ist das Gegenteil einer solchen abgestimmten Reformpolitik. Der
Sachverständigenrat warnt deshalb nachdrücklich vor Fehleinschätzungen und
einem Flickenteppich inkonsistenter arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen, die
das volkswirtschaftliche Potential verringern. Deutschland braucht endlich wie-
der eine politische Führungsverantwortung, für die „mehr Freiheit wagen“
nicht nur ein gebrochenes Wahlversprechen ist.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,

1. die Chancen der Globalisierung und der prosperierenden Weltwirtschaft
durch die Förderung einer weiteren internationalen Wirtschaftsverflechtung
durch Handel und Investitionen aktiv aufzunehmen und hierbei insbeson-
dere, wie vom Sachverständigenrat gefordert, Protektionismus in Form einer
Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes zu unterbinden,

2. die Voraussetzungen für eine weitere Liberalisierung von (ehemaligen) Mo-
nopolmärkten zu schaffen und hierbei insbesondere auf einen wirtschaft-
lichen Monopolschutz durch Mindestlöhne und Umsatzsteuerprivilegien wie
bei der Deutschen Post AG zu verzichten,

3. den Staatsanteil und -einfluss in Wirtschaftsunternehmen wie der Deutschen
Post AG und der Deutschen Telekom AG weiter abzubauen und grundsätz-
lich keine Verstaatlichungen (wie unter Umständen bei der Bundesdruckerei
GmbH oder EADS N. V.) vorzunehmen,

4. das arbeitsmarktpolitische Instrumentarium auf die als erfolgreich evaluierten
Maßnahmen zu konzentrieren, um so die Wirksamkeit der aktiven Arbeits-
marktpolitik zu erhöhen,

5. die Einführung eines Erwerbstätigen-Zuschusses und einer Einführung eines
Kommunal-Kombis abzulehnen,

6. Beitragsmittel der BA nicht in den Bundeshaushalt zu verschieben,

7. im Interesse dauerhaft besserer Beschäftigungschancen insbesondere von
Langzeitarbeitslosen die bestehenden Regelungen des Kündigungsschutzes
zu flexibilisieren,

8. die Einführung beschäftigungs- und wettbewerbsfeindlicher gesetzlicher Min-
destlöhne abzulehnen, weil diese Lohnfindungsprozesse auf den relevanten
Märkten verkennen,

9. wie vom Sachverständigenrat gefordert, die wirksamen Arbeitsmarktrefor-

men der rot-grünen Bundesregierung, insbesondere die Verkürzung der Be-
zugszeiten für das Arbeitslosengeld I und die Flexibilisierungen im Bereich
der Arbeitnehmerüberlassung, nicht zurückzunehmen,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7112

10. der Forderung des Sachverständigenrats zur Nichteinführung des Gesund-
heitsfonds zu entsprechen und die Bedingungen für Wettbewerb im Ge-
sundheitswesen zu verbessern,

11. bei der anstehenden Pflegereform die Pflegeversicherung durch die Um-
stellung auf ein kapitalgedecktes Verfahren zukunftsfest und generationen-
gerecht umzugestalten,

12. die gesetzlichen und institutionellen Voraussetzungen für ein stabiles, wett-
bewerbsfähiges, innovatives und offenes Finanzwesen zu schaffen, welches
in- und ausländisches Kapital anzieht und zugleich ein angemessenes Maß
an Verbraucherschutz gewährleistet,

13. ein einfaches und gerechtes Steuersystem mit niedrigen Sätzen zu entwi-
ckeln, welches insbesondere keine neuen Hürden für unternehmerisches
Engagement (wie Zinsschranken) schafft,

14. den Bundeshaushalt ausgabenseitig zu konsolidieren und die Neuverschul-
dung 2008 signifikant abzubauen.

Berlin, den 14. November 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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