BT-Drucksache 16/6994

zu der zweiten und dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/6290, 16/6739, 16/6981- Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2008 (JStG 2008)

Vom 7. November 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6994
16. Wahlperiode 07. 11. 2007

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Volker Wissing, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms,
Carl-Ludwig Thiele, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt,
Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen,
Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann,
Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein,
Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Hellmut Königshaus,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle
Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Michael Link (Heilbronn), Markus Löning, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt,
Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Marina
Schuster, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Florian Toncar, Christoph Waitz,
Dr. Claudia Winterstein, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido
Westerwelle und der Fraktion der FDP

zu der zweiten und dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/6290, 16/6739, 16/6981 –

Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2008 (JStG 2008)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2008 ändert nahezu 30 Gesetze an
vielen verschiedenen Stellen. Kurz vor Abschluss der Beratungen wurde von
den Fraktionen der CDU/CSU und SPD noch einmal eine große Zahl von
Änderungsanträgen eingebracht. Ein Steuerrecht, das auch kurzfristig an so
vielen Stellen geändert werden muss, spricht für sich: Es ist zu detailliert, zu
kompliziert und für die Bürger unverständlich.

Zwar sind viele Änderungen redaktioneller Art oder dienen der Rechtsbereini-
gung. Andererseits setzt sich der Trend der Bundesregierung fort, Entscheidun-
gen des Bundesfinanzhofs zunächst mit einem Nichtanwendungserlass zu be-
legen, um anschließend die Verwaltungsmeinung als Gesetzentwurf zu formu-
lieren. Der Deutsche Bundestag hält es für bedenklich, dass die Exekutive auf
diese Weise das Steuerrecht mehr und mehr dominiert. Er ist der Auffassung,
dass dem Grundsatz der Gewaltenteilung künftig faktisch wieder mehr Bedeu-
tung beizumessen ist.

Drucksache 16/6994 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Scharf abzulehnen ist die Änderung von § 42 der Abgabenordnung. Nachdem
sich der Staat in den vergangenen Jahren mehr und mehr Kontroll- und Über-
wachungsmöglichkeiten wie z. B. den Kontenabruf verschafft hat, soll es jetzt
einen Paradigmenwechsel im materiellen Steuerrecht geben: Der Bürger muss
künftig dem Finanzamt nachweisen, dass es für eine legale Gestaltung außer-
steuerliche Gründe gibt. Erlaubt sein soll nicht mehr, was das Gesetz zulässt,
sondern nur das, was das Finanzamt als Willen des Gesetzgebers bezeichnet.
Die der Finanzverwaltung angehörenden Autoren dieser Änderungsvorschrift
kennen ausschließlich fiskalische Erwägungen. Ihnen ist das Bewusstsein ab-
handen gekommen, dass der Staat und sein Recht für die Bürger da sind und
nicht umgekehrt die Bürger für den Staat. Der Deutsche Bundestag ist strikt da-
gegen, die Bürger zu kriminalisieren, wenn sie von ihren Rechten Gebrauch
machen, und lehnt das Ansinnen der Bundesregierung und ihrer Verwaltung
daher ab.

Datenschutzrechtliche Bedenken bestehen hinsichtlich der zentralen Speiche-
rung von Steuerdaten. Zwar unterstützt der Deutsche Bundestag alle Maß-
nahmen, die zu einer effektiveren Steuerverwaltung führen. Er lehnt es aber ab,
dass sich der Staat mehr und mehr Zugang zur Privatsphäre der Bürger ver-
schafft. Im Falle der zentralen Steuerdatei besteht der Verdacht, dass die Exe-
kutive die Informationen auch für nichtsteuerliche Zwecke nutzt und den Zu-
gang auch anderen Behörden ermöglicht. Abschrekkendes Beispiel ist der
Kontenabruf, der ursprünglich ausschließlich die Kontrolle terrorfinanzierender
Finanzströme ermöglichen sollte. Auf Drängen der Finanzverwaltung hin
wurde das Instrument immer weiter ausgedehnt. Künftig kann das Finanzamt
einen Kontenabruf vornehmen, wenn ein Bürger eine Spende steuerlich geltend
machen möchte. Auch im Bereich der Zwangsvollstreckung wird der Kon-
tenabruf regelmäßig angewandt.

Die Regelungen zur Besteuerung des noch vorhandenen EK 02 sind unbefriedi-
gend. Sinnvoll wäre ein umfassendes Wahlrecht für die Unternehmen gewesen,
nicht nur für öffentlich-rechtliche oder Wohnungsunternehmen. Verfassungs-
rechtlich bedenklich ist die Einschränkung der steuerlichen Abzugsfähigkeit
von Beiträgen zur Basisrente. Diese führt für viele Mittelständler, die in der
Gesetzesbegründung mit keinem Wort erwähnt werden, zu einer Doppelbesteu-
erung. Die ebenfalls im Rahmen der Unternehmensteuerreform beschlossene
Abgeltungsteuer wird vor ihrem Inkrafttreten bereits zum zweiten Mal ver-
schärft. Dies zeigt, dass die Koalition sich vom Ziel eines planbaren und be-
rechenbaren Steuerrechts weit entfernt hat.

Die Bundesregierung bestätigt die Fehlerhaftigkeit der Unternehmensteuer-
reform, indem sie selbst Korrekturen bei der Hinzurechnung der Finanzierungs-
anteile von Mieten und Pachten zur Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer
vorschlägt. Damit werden zwar die negativen Auswirkungen der Regelung ge-
ringfügig gemäßigt, sie bleibt aber im Grundsatz erhalten. Wirtschaftspolitisch
ist die Ausweitung der Bemessungsgrundlage bei der Gewerbesteuer durch die
Hinzurechnung sämtlicher Zinsen und der Finanzierungsanteile aus Mieten,
Pachten, Leasingraten und Lizenzgebühren völlig unverständlich. Die Maß-
nahme bedeutet für viele insbesondere mittelständische Betriebe eine massive
Steuererhöhung, die häufig aus der Substanz des Unternehmens gezahlt werden
muss. Unternehmen, die in Innenstädten hohe Mieten für Ladenlokale zahlen,
sind besonders betroffen.

Auch dringend notwendige weitere Verbesserungen der Unternehmensteuer-
reform lässt der Gesetzentwurf vermissen. Das gilt für die Korrektur der Zins-
schranke, die mit EU-Recht nicht zu vereinbarenden Regelungen zur Funk-
tionsverlagerung und die vollkommen überzogenen Neuregelungen zum
Mantelkauf, die Sanierungen und Neugründungen erschweren und so dem Wirt-
schaftsstandort schaden. Die Bundesregierung fährt stattdessen fort, die Fremd-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6994

finanzierung für die Unternehmen zu erschweren, z. B. durch die Neuregelung
der Behandlung von eigenkapitalersetzenden Darlehen.

II. Der Deutsche Bundestag lehnt den Entwurf eines Jahressteuergesetzes
2008 ab.

Berlin, den 7. November 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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