BT-Drucksache 16/697

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD -16/194, 16/691- Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung

Vom 15. Februar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/697
16. Wahlperiode 15. 02. 2006

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Daniel Bahr (Münster), Heinz Lanfermann, Detlef Parr,
Dr. Konrad Schily, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe
Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring,
Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Horst
Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam
Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Elke Hoff, Birgit
Homburger, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp,
Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link
(Heilbronn), Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt
Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Cornelia Pieper,
Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto
Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar,
Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Martin Zeil und der
Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
– Drucksachen 16/194, 16/691 –

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit
in der Arzneimittelversorgung

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelverord-
nung (AVWG) wird zurückgezogen. Statt der dringend notwendigen Deregulie-
rung fügt es den heute schon im Übermaß vorhandenen dirigistischen Instrumen-
ten weitere hinzu und beschleunigt die Interventionsspirale. Zwangsrabatte,
Preisregulierungen und willkürliche Vorgaben für die Festsetzung der Festbe-
träge mit der Gefahr von Aufzahlungen auf breiter Front gefährden nicht nur ins-
besondere die mittelständische Pharmaindustrie, sondern sie behindern ebenso

Innovationen und führen zu Belastungen der Patienten. Die Einengung der the-
rapeutischen Möglichkeiten für die niedergelassenen Ärzte durch ausschließlich
an Kosten orientierte „Verordnungskorridore“ im Rahmen von „Durchschnitts-
kosten je definierter Dosiereinheit“, deren Befolgung oder Nichtbefolgung Boni
bzw. Mali nach sich zieht, belastet das Arzt-Patienten-Verhältnis. Sie führt in die
Standardisierung von Behandlungen und gefährdet eine individuell am Patienten
ausgerichtete Versorgung, die auch den medizinischen Fortschritt berücksichtigt.

Drucksache 16/697 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Rahmen der längst überfälligen
Strukturreform auch eine konsistente Neuordnung des Arzneimittelmarktes vor-
zunehmen mit dem Ziel, Transparenz zu schaffen, Innovationen im Sinne der
Patienten zu befördern und ihnen Versorgungssicherheit zu gewährleisten sowie
den Unternehmen die dringend benötigte Planungssicherheit für ihre Entschei-
dungen zu geben.

Berlin, den 15. Februar 2006

Begründung

Mit dem AVWG sollen die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für
Arzneimittel zurückgefahren werden. Begründet wird das damit, dass im Jahr
2005 gegenüber dem Jahr 2004 ein drastischer Ausgabenanstieg zu verzeichnen
gewesen wäre, der den Einsatz von weiteren staatlichen Reglementierungen
rechtfertige. Bei einem solchen Vergleich muss jedoch berücksichtigt werden,
dass die Arzneimittelausgaben im Jahr 2004 aufgrund beispielsweise der Vor-
zieheffekte im Jahr 2003 sowie des Wegfalls des um zehn Prozent erhöhten Her-
stellerrabatts für einen aussagekräftigen Vergleich zu niedrig bemessen sind.
Festzustellen ist, dass sich die Preise in diesem Bereich nicht überproportional
entwickelt haben. Weder die Naturalrabatte, noch die Generika sind für die Aus-
gabensteigerung verantwortlich. Das AVWG setzt aber sehr stark darauf, diese
Faktoren zu regulieren. Auf diese Weise soll vermutlich die zum 1. Januar 2007
geplante Mehrwertsteuererhöhung kompensiert werden, die sich über die Arz-

Daniel Bahr (Münster)
Heinz Lanfermann
Detlef Parr
Dr. Konrad Schily
Jens Ackermann
Dr. Karl Addicks
Christian Ahrendt
Uwe Barth
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)
Dr. Edmund Peter Geisen
Hans-Michael Goldmann
Miriam Gruß
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Christel Happach-Kasan
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb

Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Michael Link (Heilbronn)
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Jörg Rohde
Frank Schäffler
Marina Schuster
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Florian Toncar
Christoph Waitz
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Martin Zeil
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion
neimittelpreise mit ca. 700 Millionen Euro bei der GKV niederschlagen wird.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/697

Der deutsche Arzneimittelmarkt ist bereits heute durch eine Vielzahl unter-
schiedlicher Instrumente hochgradig überreguliert:

1. Arzneimittelrichtlinien:

Gemäß § 92 SGB V beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss Richt-
linien über die Verordnung von Arzneimitteln. Er nimmt darin eine Spezifi-
kation der Verordnungsmöglichkeiten vor und definiert auch Arzneimittel,
die nicht zu Lasten der GKV abrechnungsfähig sein sollen.

2. Gesetzlich ausgeschlossene Arzneimittel

Gemäß § 34 SGB V gehören nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel
grundsätzlich nicht zum Leistungskatalog der GKV (Ausnahme: Kinder bis
zum vollendeten 12. Lebensjahr).

Darüber hinaus sind verschreibungspflichtige Arzneimittel bei bestimmten
Indikationen wie z. B. Erkältungskrankheiten, Reisekrankheit usw. nicht zu
Lasten der GKV abrechenbar.

3. Festbeträge für Arzneimittel

Gemäß § 35 SGB V bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss, für welche
Gruppen von Arzneimitteln Festbeträge festgesetzt werden können.

Für die Festbetragsgruppen werden von den Spitzenverbänden nach einem
komplizierten Verfahren Festbeträge festgesetzt, die im Allgemeinen eine
ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität ge-
sicherte Versorgung gewährleisten sollen.

4. Nutzenbewertung von Arzneimitteln

Gemäß § 35 b SGB V bewertet das Institut für Qualität und Wirtschaftlich-
keit im Gesundheitswesen den Nutzen von Arzneimitteln. Diese Nutzenbe-
wertungen werden dem Gemeinsamen Bundesausschuss als Empfehlung für
die Verwendung im Rahmen der Arzneimittelrichtlinien zugeleitet.

5. Arzneimittelvereinbarung und Arzneimittelrichtgrößen

Landesverbände der Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen
schließen jeweils für das folgende Jahr eine Arzneimittelvereinbarung ab, die
das Ausgabenvolumen vorgibt, Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele
und konkrete, auf die Umsetzung dieser Ziele ausgerichtete Maßnahmen
(Zielvereinbarung), insbesondere zur Information und Beratung umfasst so-
wie Kriterien für Sofortmaßnahmen zur Einhaltung des vereinbarten Ausga-
benvolumens enthält.

6. Aut-idem-Regelung

Gemäß § 129 Abs. 1 SGB V ist der Apotheker zur Abgabe eines preisgünsti-
gen Arzneimittels in den Fällen verpflichtet, in denen der verordnende Arzt
ein Arzneimittel nur unter seiner Wirkstoffbezeichnung verordnet hat oder
die Ersetzung des Arzneimittels durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel
nicht ausgeschlossen hat. Nach Aussagen sowohl der Pharmaindustrie als
auch z. B. der Betriebskrankenkassen hat sich diese Regelung nicht bewährt.
Sie hat vielmehr dazu geführt, dass einige Apotheken mit umfangreichen Na-
turalrabatten bedacht worden sind. Eine solche Regelung könnte man deshalb
auch wieder abschaffen, statt die Naturalrabatte zu verbieten.

7. Importförderung

Gemäß § 129 Abs. 1 SGB V sind die Apotheken zur Abgabe von preisgüns-
tigen importierten Arzneimitteln verpflichtet, wenn der für den Versicherten
maßgebliche Arzneimittelabgabepreis mindestens 15 Prozent oder mindes-

tens 15 Euro niedriger ist als der Preis des Bezugsarzneimittels.

Drucksache 16/697 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

8. Preisvergleichsliste

Gemäß § 92 Abs. 2 SGB V sind die Arzneimittelrichtlinien so zusammen-
zustellen, dass dem Arzt der Preisvergleich und die Auswahl therapiege-
rechter Verordnungsmengen möglich ist. Die Zusammenstellung der Arz-
neimittel ist dabei nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen zu gliedern.
Zu den einzelnen Indikationsgebieten sind Hinweise aufzunehmen, aus de-
nen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen
oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeuti-
schen Nutzens auch im Verhältnis zum jeweiligen Apothekenabgabepreis
damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergibt.

9. Gesetzliche Zwangsrabatte

Die Krankenkassen erhalten gemäß § 130 SGB V von den Apotheken für
verschreibungspflichtige Arzneimittel einen Rabatt von zwei Euro je Arz-
neimittel. Von dem Fixzuschlag für jedes Arzneimittel in Höhe von 8,10
Euro verbleiben dem Apotheker damit noch 6,10 Euro.

Die Krankenkassen erhalten darüber hinaus einen Abschlag in Höhe von
sechs Prozent des Herstellerabgabepreises (im Jahr 2004 betrug dieser Ra-
batt 16 Prozent für festbetragsfreie Präparate).

Darüber hinaus können die Krankenkassen oder ihre Verbände mit pharma-
zeutischen Unternehmen zusätzlich Rabatte für die zu ihren Lasten abgege-
benen Arzneimittel vereinbaren (§ 130 Abs. 8 SGB V).

10. Sonderregelungen im Zusammenhang mit der integrierten Versorgung

Gemäß § 129 Abs. 5 b SGB V können sich Apotheken an vertraglich ver-
einbarten Versorgungsformen beteiligen. Die Angebote sind dabei öffent-
lich auszuschreiben. In den Verträgen kann das Nähere über Qualität und
Struktur der Arzneimittelversorgung für die an der integrierten Versorgung
teilnehmenden Versicherten auch abweichend von den Vorschriften des
SGB V vereinbart werden. Bestehen bleibt allerdings die Arzneimittelpreis-
verordnung.

Statt die vorhandenen Instrumente auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen und auf
das notwendige Minimum zu beschränken, erweitert das AVWG dieses Arsenal
noch und trägt dazu bei, die Überregulierung des Arzneimittelmarktes weiter
voranzutreiben.

1. Ein Beispiel: Bonus-/Malus-Regelungen auf der Basis von Durchschnitts-
kosten je definierter Dosiereinheit. Abgesehen von der Gefahr, dass das Arzt-
Patienten-Verhältnis hierdurch belastet und die Therapiefreiheit weiter einge-
schränkt wird, stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Nebenein-
anders von Arzneimittelrichtgrößen mit entsprechenden Vereinbarungen und
der Bonus-/Malus-Regelung auf der Basis von aufwändig zu ermittelnden
Tagestherapiekosten für bestimmte Indikationen. Die Änderungsanträge ha-
ben dieses Problem nicht gelöst. Auf Bundesebene werden nun Einspar-
potentiale vorgegeben, die den regionalen Unterschieden in der Morbidität
und der Mentalität nicht Rechnung tragen können. Die Ärzte brauchen klare,
deutliche Informationen über die Wirkungsweise von Arzneimitteln und ihre
Preise sowie zeitnahe Unterrichtungen über ihre Verordnungsweise im Ver-
gleich zu ihren Kollegen. Informationsgespräche wie sie heute zum Teil
schon stattfinden, können dabei hilfreich sein. Keinesfalls aber darf ein ver-
antwortlich handelnder Arzt in die Situation kommen, die Kosten für notwen-
dige Medikamente zum Teil aus der eigenen Tasche bezahlen zu müssen.
Ethisch problematisch ist ebenso, wenn der Arzt von einer übermäßig zu-
rückhaltenden Arzneimitteltherapie profitiert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/697

2. Als ein weiteres Beispiel kann der Umgang mit den Naturalrabatten herange-
zogen werden. Sie wären auf einfache Art und Weise aus der Welt zu schaf-
fen, indem das Instrument des Aut-idem abgeschafft würde, das sich nicht be-
währt hat, dafür aber diese Rabatte erst attraktiv macht. Stattdessen werden
sie nun verboten – mit gravierenden Konsequenzen für Arzneimittel, die die
gesetzliche Krankenversicherung gar nicht tangieren: die nicht verschrei-
bungspflichtigen Arzneimittel und die Tierarzneimittel. Das kann zu steigen-
den Preisen für die Konsumenten führen. In anderen Bereichen z. B. bei den
Impfstoffen und bei den Arzneimitteln, die in Krankenhäusern Verwendung
finden, führen diese Maßnahen zu einer Mehrbelastung der gesetzlichen
Krankenversicherung und damit von Versicherten und Arbeitgebern.

3. Ein drittes Beispiel: der Umgang mit Preisen und Rabatten. Die Entwicklung
der letzten Jahre hat gezeigt, dass die Preise sich moderat entwickelt haben.
Sie stellen nicht das Problem dar. Dennoch wird mit dem zweijährigen Preis-
moratorium und dem zusätzlichen Herstellerrabatt im generikafähigen Be-
reich in die Preisfestsetzung eingegriffen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass
die Generikahersteller, die bisher für einen funktionierenden Preiswettbe-
werb auch unterhalb der Festbeträge gesorgt haben, nun mit einem Zwangs-
rabatt belegt werden. Ebenso wenig ist verständlich, dass Hersteller patent-
freier Alt-Originale, die keine Naturalrabatte gegeben haben, nun einen
Zwangsrabatt leisten müssen. Für festbetragsfreie Arzneimittel, für die die
gesetzlichen Krankenkassen gemäß § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V bereits
heute einen Herstellerrabatt von sechs Prozent erhalten, kann sich der
Gesamtabschlag auf 16 Prozent summieren. Diese Kumulation gefährdet die
Existenz insbesondere der mittelständischen Pharmaunternehmen. Der Ra-
batt trifft diejenige besonders hart, die ihre Geschäftspolitik auf niedrige
Preise und nicht auf Naturalrabatte ausgerichtet haben.

4. Viertes Beispiel: Die auch von den Spitzenverbänden der Krankenkassen kri-
tisierte Verschärfung der Festbetragsfestsetzung droht dazu zu führen, dass
Patienten Arzneimittel zukünftig nicht mehr überwiegend zum Festbetrag er-
halten, sondern neben der gesetzlichen Zuzahlung Aufzahlungen in zum Teil
nicht unerheblichem Maße fällig werden, für die die Überforderungsregelung
nicht zur Anwendung kommt. Statt unter Schaffung der notwendigen Rah-
menbedingungen darauf zu vertrauen, dass die Spitzenverbände der Kran-
kenkassen bei Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven eine solche Si-
tuation mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl angehen, wird das Instru-
ment gesetzlich noch verschärft. Bei Arzneimitteln, deren Preise oberhalb
des Festbetrages liegen, soll es möglich sein, Rabatte für die Arzneimittel zu
vereinbaren, die bei entsprechender Höhe dazu führen, dass die Patienten
keine Aufzahlung leisten müssen. Diese Regelung schafft Intransparenz. Sie
ist aufgrund der notwendigen EDV-Umstellung nicht zeitnah und dann auch
nur mit unverhältnismäßig hohem bürokratischem Aufwand administrierbar.
Ob sie angesichts der offen zu legenden Rabattvereinbarungen zumindest den
Zweck erfüllen wird, die Referenzpreise für andere Länder zu stabilisieren,
darf zumindest bezweifelt werden.

5. Fünftes Beispiel: die Zertifizierungspflicht durch die Kassenärztliche Bun-
desvereinigung für Softwareprogramme, die Ärzte für die Verordnung von
Arzneimitteln verwenden. Die damit angestrebte Gewährleistung des Verbo-
tes irreführender Werbung kann sehr viel besser dadurch erreicht werden,
dass die Kriterien für die Software, die Ärzte bei der Verordnung von Arznei-
mittel verwenden dürfen, im Sozialgesetzbuch V geregelt werden. Der
enorme Verwaltungsaufwand, der durch eine Zertifizierung aller Software-
programme durch die KBV entsteht, könnte damit vermieden werden, ohne
das angestrebte Ziel zu gefährden.

Drucksache 16/697 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

6. Sechstes Beispiel: Verpflichtung der Krankenhäuser bei Entlassung des
Patienten Arzneimittel anzuwenden, die auch bei der Verordnung in der Ver-
tragsärztlichen Versorgung zweckmäßig und wirtschaftlich sind. Die Kran-
kenhäuser werden damit quasi verpflichtet, die im vertragsärztlichen Bereich
geltenden Arzneimittelvorschriften zu beachten. Das wird zu erheblichen
Problemen führen. Es ist fraglich, inwiefern dann noch innovative Arzneimit-
tel zum Einsatz kommen können, die zunächst nur im Krankenhaus Verwen-
dung finden. Es ist nicht klar, ab welchem Zeitpunkt „Entlassungspatienten“
mit niederlassungskonformen Arzneimitteln versorgt werden müssen. Die
Regelung hat zudem gravierende Auswirkungen auf die Einkaufspolitik. Es
ist absehbar, dass hieraus neben dem Verbot der Naturalrabatte weitere
Kostensteigerungen resultieren werden, die sich in den Fallpauschalen nie-
derschlagen dürften.

Die Arbeit an einem in sich stimmigen Konzept für den Arzneimittelsektor steht
noch aus. Das Ergebnis wird je nachdem für welchen Weg man sich bei der an-
stehenden Gesundheitsreform entscheidet, anders aussehen müssen. Es ist des-
halb geboten, die anstehenden Fragen im Zusammenhang mit der Gesundheits-
reform im Sinne von Verlässlichkeit, Innovationsfreundlichkeit, marktkonfor-
mer Lösungen und Versorgungssicherheit zu regeln und nicht ein Präjudiz durch
das AVWG zu schaffen bzw. zu riskieren, dass sich alle Marktteilnehmer bereits
ein Dreivierteljahr später wieder auf neue Vorgaben einstellen müssen.

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