BT-Drucksache 16/6771

Jugendfreiwilligendienste ausbauen und Gesamtkonzeption entwickeln

Vom 23. Oktober 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6771
16. Wahlperiode 23. 10. 2007

Antrag
der Abgeordneten Kai Gehring, Britta Haßelmann, Ekin Deligöz, Irmingard
Schewe-Gerigk, Grietje Bettin, Katrin Göring-Eckardt, Priska Hinz (Herborn), Krista
Sager, Dr. Uschi Eid, Omid Nouripour und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Jugendfreiwilligendienste ausbauen und Gesamtkonzeption entwickeln

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Bürgerschaftliches, freiwilliges und ehrenamtliches Engagement gehören zu
den unverzichtbaren Elementen einer auf den Prinzipien von Beteiligung und
Selbstverantwortung aufbauenden demokratischen Gesellschaft. Bürgerbeteili-
gung und -engagement sind wesentliche Bestandteile einer aktiven Demokratie
und einer lebendigen Zivilgesellschaft.

Freiwilligendienste sind eine besondere und eigenständige Form des bürger-
schaftlichen Engagements. Um die aktive Bürgergesellschaft weiter zu stärken
und mehr Menschen zu motivieren, sich gesellschaftlich zu engagieren, müssen
bewährte Formen wie die bestehenden Jugendfreiwilligendienste in ihrem Profil
geschärft und deutlich ausgebaut werden. Darüber hinaus müssen neue Wege
wie die generationenübergreifenden Freiwilligendienste verstetigt werden.

Freiwilligendienste richten sich fast ausschließlich an Jugendliche sowie junge
Erwachsene und sind damit ein zentrales Angebot an diese Generationen. Frei-
willigendienste sind kein Pflichtdienst. Freiwilligendienste dienen der Persön-
lichkeitsentwicklung junger Menschen und dürfen nicht als weitere Warte-
schleife auf dem beschwerlichen Weg zum gewünschten Ausbildungsgang
fungieren. Sie sind vielmehr eine Möglichkeit, der hohen Bereitschaft zu sozia-
lem und ökologischem Engagement zu entsprechen und den Potenzialen junger
Menschen Entfaltungsmöglichkeiten zu geben. Als selbst gewählte Lernphase
und -orte dienen Freiwilligendienste der Orientierung und Bildung der Freiwil-
ligen ebenso wie den Menschen und Projekten, für die die Freiwilligen tätig
werden. Wer einen Freiwilligendienst leistet, braucht Anerkennung und Wert-
schätzung und hat Anspruch auf gute Organisation und Begleitung seines Enga-
gements. Die Zukunft der Jugendfreiwilligendienste liegt in der Fortführung
der Freiwilligkeit, in einem quantitativen Ausbau und einer qualitativen Weiter-
entwicklung. Hierzu gehört vor allem eine noch konsequentere Ausrichtung der
Freiwilligendienste an Orientierung, Bildung und Qualifizierung.
Jugendfreiwilligendienste erfüllen eine wichtige gesellschaftliche und indi-
viduelle Funktion und bedürfen daher der staatlichen Unterstützung. Für die
Jugendlichen ist die Zeit während des Freiwilligendienstes Bildungszeit zur
biografischen und beruflichen Orientierung und eine prägende Phase der Per-
sönlichkeitsentwicklung. Hierbei haben Elemente wie Engagement lernen,
Erwerb sozialer Kompetenzen oder Einüben von Toleranz gegenüber Fremden
einen wesentlichen Platz. Um den Zugang von Jugendlichen zu Freiwilligen-

Drucksache 16/6771 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

diensten zu verbessern und einen breiteren Kreis von jungen Menschen für diese
Tätigkeiten zu gewinnen, ist ein umfassendes Konzept für zivilgesellschaftliches
Engagement in Jugendfreiwilligendiensten notwendig. Die verschiedenen Pro-
grammzweige und Modellprojekte von Freiwilligendiensten benötigen eine
kohärente Gesamtkonzeption und -strategie. Diese Gesamtkonzeption muss die
sozialen, ökologischen, kulturellen, generationenübergreifenden und entwick-
lungspolitischen Dimensionen genauso umfassen wie die Angebote in Europa,
im Ausland sowie die ungeregelten Dienste. Insbesondere vor dem Hintergrund
der konstant hohen Bewerberzahlen für die Jugendfreiwilligendienste sowie der
geänderten Angebots- und Teilnehmerstruktur ist ein Gesamtkonzept für Jugend-
freiwilligendienste erforderlich. Dies schafft verlässliche Rahmenbedingungen
und verbindliche Strukturen, in denen sich die Flexibilität und der eigenständige
Charakter der Freiwilligendienste weiter entfalten können. Daneben erhöht ein
Gesamtkonzept die Transparenz der Angebots- und Trägerstrukturen und kommt
damit dem hohen Informationsbedarf der potenziellen Freiwilligen nach.

Freiwilligkeit braucht aber auch Hauptamtliche. Die veränderten gesetzlichen
und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Freiwilligendienste hatten
Auswirkungen auf die Träger und Einsatzstellen (Evaluationsbericht, Bundes-
tagsdrucksache 16/2191). Sowohl der Teilnehmerkreis als auch die Zielgruppen
und Einsatzfelder des freiwilligen Jahres haben sich in den vergangenen Jahren
zum Teil deutlich gewandelt. Die Gesetzesnovelle von 2002 hat einige Ent-
wicklungen befördert (Ausweitung des Tätigkeitsspektrums durch Kultur und
Sport, Erhöhung des Anteils junger Männer durch § 14c des Zivildienstgesetzes
(ZDG), Ausbau der Auslandsdienste durch § 14c ZDG), aber nicht in allen
Punkten die intendierte Wirkung entfaltet (Integration bildungsferner Schichten
und von Menschen mit Migrationshintergrund, Ausbau der Auslandsdienste
jenseits von § 14c ZDG).

Diesen Veränderungen muss ein Gesamtkonzept für Jugendfreiwilligendienste
Rechnung tragen, indem es unterstützende Instrumente für Träger und Einsatz-
stellen für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben enthält.

Jugendfreiwilligendienste bieten jungen Menschen nach der Schulausbildung
oder in der weiteren Ausbildungsphase neue Lernerfahrungen, vermitteln ihnen
wichtige soziale, ökologische und interkulturelle Fähigkeiten, bieten wertvolle
Auslandserfahrungen, geben Orientierung und stärken Selbständigkeit, Selbst-
bewusstsein sowie Eigen- wie Fremdverantwortung. Die Einbindung in kon-
krete Arbeitszusammenhänge kann die Entscheidung über Ausbildungs- und
Berufswünsche sowie persönliche biographische Weichenstellungen klären
helfen. Diese Orientierungsmöglichkeit ist gerade für Schulabgänger nicht zu
unterschätzen.

Für die Inanspruchnahme des Freiwilligendienstes darf es keine Hierarchie der
schulischen Vorbildung geben. Freiwilligendienste müssen allen Jugendlichen
gleichermaßen offen stehen. Daher ist ein stärkeres Augenmerk auf in Freiwil-
ligendiensten bislang unterrepräsentierte Jugendliche zu richten, d. h. insbeson-
dere auf benachteiligte Jugendliche und Jugendliche mit Migrationshinter-
grund. Zugangshürden für diese Jugendlichen müssen überwunden und ihnen
institutionelle und biografische Passungen angeboten werden, die ihr Interesse
an einem Freiwilligendienst weckt und ihnen eine Teilhabe an Freiwilligen-
diensten ermöglichen. Im Unterschied zum Ehrenamt handelt es sich bei Frei-
willigendiensten um hochgradig organisierte Vollzeittätigkeit, die projektorien-
tiert über einen Zeitraum von derzeit sechs bis 18 Monaten geleistet wird. Diese
Dienststruktur gilt es im Sinne umfassender Lernerfahrungen für Freiwillige
und organisatorischer Praktikabilität in den Einsatzstellen grundsätzlich bei-
zubehalten. Die freiwillige Projekttätigkeit beruht im Vergleich zum Ehrenamt

auf einer schriftlich fixierten, gegenseitigen Verpflichtung und wird zudem um-
fangreich begleitet.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6771

Die kompetente fachliche und pädagogische Begleitung ist für die Freiwilli-
gendienstleistenden, die Einsatzstellen und Träger aber auch die Gesellschaft
wesentliche Voraussetzung für einen Erfolg des freiwilligen Jahres. Neben der
Praxisanleitung (fachliche Begleitung) und der individuellen Betreuung der
Freiwilligen sind Seminare insbesondere im Hinblick auf die politische Bil-
dung unabdingbarer Bestandteil. Die pädagogische Begleitung hat das Ziel, die
jungen Freiwilligen auf ihren Einsatz in einem neuen Erfahrungsraum vorzu-
bereiten, ihnen zu helfen, Eindrücke auszutauschen und Erfahrungen aufzu-
arbeiten. Daneben sollen durch die pädagogische Begleitung Lernerfahrungen
vertieft und das Verantwortungsbewusstsein der jungen Freiwilligen für das
Gemeinwohl und für den nachhaltigen Umgang mit Natur und Umwelt gestärkt
werden. Gerade neue Zielgruppen wie Jugendliche ohne oder mit einem
schlechten Schulabschluss, mit Migrationshintergrund oder sehr junge Freiwil-
lige brauchen eine intensive Begleitung ihrer Tätigkeit, worauf die Einsatzstel-
len und Träger besser vorzubereiten sind.

Die Nachfrage nach Jugendfreiwilligendiensten liegt derzeit bei durchschnitt-
lich zwei bis drei Bewerberinnen bzw. Bewerbern pro Platz. Damit übertrifft
die Nachfrage weiterhin das Angebot um ein Vielfaches. Um einen Ausbau zu
ermöglichen, müssen zum einen die Angebote an Freiwilligendiensten ausge-
weitet werden. Die Pilotphase für den neuen entwicklungspolitischen Freiwilli-
gendienst kann dabei jedoch nur einer von vielen notwendigen Schritten sein.
So müssen verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine Er-
höhung der Freiwilligenplätze in den besonders stark nachgefragten Bereichen
im In- und Ausland jenseits der klassischen sozialen Einsatzbereiche ermög-
lichen. Darüber hinaus braucht es innovative Zugänge zu Einsatzfeldern der
Freiwilligendienste. Zum anderen gilt es, Potentiale, die bisher nicht ausrei-
chend geweckt und genutzt wurden, auszuschöpfen. Jugendfreiwilligendienste
brauchen mit Blick auf die neuen Zielgruppen wie benachteiligte Jugendliche
und Jugendliche mit Migrationshintergrund einen deutlich höheren Bekannt-
heitsgrad und müssen sich ihnen gegenüber öffnen.

Freiwillige leisten einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag. Die Dienste
müssen daher insgesamt deutlich an Anerkennung und Attraktivität für bislang
unterrepräsentierte Zielgruppen gewinnen. Dies ist über eine breitere Bekannt-
heit und positive Wahrnehmung der Jugendfreiwilligendienste in der Öffent-
lichkeit zu erreichen. Eine „Kultur der Anerkennung“ kann Politik nicht ver-
ordnen, aber sie kann ihre Entwicklung fördern. Die Dienste dürfen von den
Jugendlichen nicht als „verschenkte Zeit“ betrachtet werden, sondern als per-
sönlicher Gewinn und gesellschaftliche Bereicherung. Im Zuge der Entwick-
lung des Nationalen Qualifikationsrahmens ist daher darauf zu achten, dass die
Lernleistungen der Jugendlichen anerkannt und dokumentiert werden.

Freiwilligendienste führen Jugendliche an bürgerschaftliches Engagement
heran und können so eine spätere dauerhafte ehrenamtliche Tätigkeit fördern.
Dieser positive Effekt der Freiwilligenarbeit sollte fester Bestandteil der päda-
gogischen Arbeit mit Freiwilligen sein. Schon jetzt organisieren aktuelle und
ehemalige Freiwillige, insbesondere im Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ)
und bei den Auslandsdiensten, eigenständig Projekte, die Freiwilligendienste in
der Gesellschaft bekannter und sichtbarer machen. Diese positiven Beispiele
und Erfahrungen erhöhen das Wissen über Freiwilligendienste und erhalten bei
den Freiwilligen die Motivation zum bürgerschaftlichen Engagement.

Freiwillige erbringen für die Gesellschaft Leistungen, die einerseits unverzicht-
bar, andererseits auf dem Markt nicht realisierbar sind. Freiwilligendienste
haben daher immer arbeitsmarktneutral zu erfolgen, Freiwillige dürfen in ihrem
Tätigkeitsbereich nicht zu Ausfallbürgen werden. Unsere Gesellschaft kann auf

den Beitrag Freiwilliger nicht verzichten, sondern ist darauf angewiesen. Frei-
willige müssen daher angemessen honoriert und sozial abgesichert werden.

Drucksache 16/6771 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Deshalb ist es wichtig, Freiwilligendienste, die mit einem hohen Bildungsan-
spruch verbunden sind, finanziell ausreichend auszustatten und ihnen intelli-
gente Rahmenbedingungen anzubieten, damit die erwartete Qualität erbracht
werden kann.

Derzeit herrschen ungleiche Finanzierungsstrukturen zwischen dem traditionel-
len Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) bzw. dem FÖJ einerseits sowie dem Frei-
willigendienst nach § 14c ZDG andererseits. Daraus resultieren Disproportio-
nen in bestimmten Einsatzfeldern sowie eine mögliche Verdrängung junger
Frauen aus bestimmten Bereichen durch den bevorzugten Einsatz von Kriegs-
dienstverweigerern auf neuen Plätzen. Diese Ungleichverteilung ist zu beseiti-
gen.

Sozialversicherungsbeiträge sind ein vergleichsweise hoher Kostenfaktor, den
die Einsatzstellen häufig nicht finanzieren können. Vor allem in den stark nach-
gefragten Einsatzbereichen im Inland (Kultur, Ökologie) und bei den Auslands-
diensten sind oft kleine Träger mit geringen Refinanzierungsmöglichkeiten
tätig. Um das hohe gesellschaftliche Potenzial für Freiwilligendienste auszu-
schöpfen und weiter zu fördern, ist eine Reform der bisherigen Finanzierungs-
struktur erforderlich. Dies gilt auch für die Förderpauschalen für die pädagogi-
sche Begleitung, die seit Jahren auf dem gleichen Niveau liegen und der
Teilnehmerstruktur zu wenig Rechnung tragen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

A. zügig ein schlüssiges Gesamtkonzept für Freiwilligendienste vorzulegen.

Dieses Konzept soll die Ziele und die Ausrichtung aller Freiwilligendienste in
Deutschland integrieren und gleichzeitig den spezifischen jugendpolitischen
Charakter der Jugendfreiwilligendienste gegenüber den generationenübergrei-
fenden Freiwilligendiensten deutlich machen. Dabei wird das jugendpolitische
Profil der Freiwilligendienste konzeptionell insbesondere durch die Förderung
eigener Fähigkeiten, die Unterstützung bei der Suche nach persönlicher, gesell-
schaftlicher und beruflicher Orientierung sowie die Ermunterung zu Partizi-
pation in der Gesellschaft deutlich. Als bildungspolitische Ziele der Jugendfrei-
willigendienste sind insbesondere die Förderung von sozialen, ökologischen,
interkulturellen, persönlichen und praktischen Kompetenzen, die Erschließung
neuer Horizonte und die Entwicklung von Sensibilität für gesellschaftliche Pro-
bleme konzeptionell zu verankern;

B. einen Gesetzentwurf vorzulegen, der

1. den Ausbau der Jugendfreiwilligendienste konzeptionell als jugend- und bil-
dungspolitische Lerndienste vorsieht;

2. den Begriff „freiwilliges Jahr“ als Markenzeichen für ein gefördertes, struk-
turiertes, zeitlich begrenztes bürgerschaftliches Engagement beibehält und
fördert sowie gegenüber ähnlich lautenden Begriffen, die nicht im Zusam-
menhang mit bürgerschaftlichem Engagement stehen, schützt;

3. einen Freiwilligendiensteplan einführt, der die finanziellen Mittel für alle
Freiwilligendienste analog zum Kinder- und Jugendplan bündelt und zur
Sicherung der Zukunftsfähigkeit mit einer Anpassungsklausel versehen ist.
Aus dessen Budget sollen insbesondere die pädagogische Begleitung der
Teilnehmenden, die Unterstützung der Qualifizierung von Trägern und Ein-
satzstellen, die Erprobung und Förderung neuer Einsatzmöglichkeiten und
innovativer Projekte, die Förderung der Anerkennung Freiwilliger sowie die
Entwicklung unterstützender Instrumente für Träger und Einsatzstellen finan-
ziert werden. Grundsätzlich soll die Vergabe der Mittel unbürokratisch und
innerhalb des Bestimmungszwecks flexibel erfolgen;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/6771

4. zusätzlich zu den geplanten 10 000 Freiwilligenplätzen im entwicklungs-
politischen Freiwilligendienst den quantitativen Ausbau der Jugendfreiwilli-
gendienste vorantreibt, indem eine Verdoppelung der geförderten Platzzah-
len 2005 bis 2015 erreicht wird;

5. zur Wahrung der pädagogischen und fachlichen Qualität des freiwilligen
Jahres den Zeitraum, innerhalb dessen ein Freiwilligendienst absolviert
wird, auf grundsätzlich mindestens sechs Monate ununterbrochene Betäti-
gungszeit festlegt, wobei auch dann ein Nachweis über die Tätigkeit ausge-
stellt werden soll, wenn die Tätigkeit abgebrochen wird;

6. die unterschiedlichen Zielgruppen mit ihren fachlichen und pädagogischen
Bedarfen erfasst, die Förderpauschale aufstockt, adäquate Strukturen schafft
und erfolgreiche Angebote an Jugendliche, Träger und Einsatzstellen macht.
Dabei sind in Zusammenarbeit mit den Beteiligten (Träger, Einsatzstellen)

– ein differenzierter Personalschlüssel für pädagogische Begleitung je nach
Gruppenstruktur der Teilnehmenden zu erstellen;

– ein Fahrplan zur Qualifizierung der Träger und Einsatzstellen für die
pädagogische und fachliche Begleitung zu erarbeiten;

– sicherzustellen, dass alle Träger für die Arbeit mit Freiwilligen über Qua-
litätsmindeststandards verfügen. Darin sollten Qualitätsvorgaben für
Seminare, für die Arbeit mit besonderen Zielgruppen und ein Personal-
schlüssel für die pädagogische Arbeit enthalten sein;

– unterstützende Instrumente zu entwickeln, die u. a. den Umgang mit
schwierigen Situationen vor Ort oder das Ausstellen von qualifizierten
Zeugnissen erleichtern (wie Handreichungen, Supervisionsangebote oder
die Publikation von Best-Practice-Beispielen);

7. die bisherige Finanzierungsstruktur der Freiwilligendienste grundlegend re-
formiert. Darin sollen

– die ungleichen Finanzierungsstrukturen zwischen dem traditionellen FSJ
einerseits sowie dem Freiwilligendienst nach § 14c ZDG andererseits
ausgeglichen werden,

– die finanziellen Mittel für die Freiwilligendienste durch Umwidmung der
frei werdenden Zivildienstmittel verstetigt werden,

– die Förderpauschalen insgesamt spürbar erhöht werden,

– dem erhöhten pädagogischen Bedarf besonderer Zielgruppen (Schul-
abbrecherinnen und Schulabbrecher, Jugendliche mit Hauptschulab-
schluss, mit Migrationshintergrund) und jüngerer Teilnehmender dadurch
gerecht werden, dass höhere Bundesmittel zur Verfügung gestellt werden;

8. Maßnahmen ergreift, um die Anerkennung der Jugendfreiwilligendienste bei
Jugendlichen und in der Gesellschaft zu verbessern. Zu diesen Maßnahmen
sollen u. a. gehören:

– Anerkennungsregelungen der Dienstzeit und der dort erworbenen Kom-
petenzen und Lernerfahrungen für spätere Ausbildungsphasen,

– Standards zur Ausstellung von qualifizierten Zeugnissen, Nachweise
über die geleistete Arbeit und die erwobenen Kompetenzen,

– Erarbeitung eines bundeseinheitlichen Freiwilligendienstausweises zur
Verbesserung ihres Status bei der Inanspruchnahme von öffentlichen
Dienstleistungen gemeinsam mit den Trägern,

– der Ausbau von zusätzlichen Bildungsangeboten im Rahmen der Teil-

nahme an einem Jugendfreiwilligendienst;

Drucksache 16/6771 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

C. die Öffentlichkeitsarbeit für Jugendfreiwilligendienste deutlich zu verstär-
ken und breiter anzulegen. Die Möglichkeit eines freiwilligen Jahres für junge
Menschen muss dabei vor allem im Hinblick auf

– geschlechtergerechte Teilnahme an Jugendfreiwilligendiensten,

– unterrepräsentierte Zielgruppen in den Jugendfreiwilligendiensten,

– Mehrsprachigkeit mit Blick auf Jugendliche mit Migrationshintergrund und
ihre Eltern,

– zielgruppenorientierte Elternarbeit und -information

betont werden und vor allem die Leitgedanken Freiwilligkeit, Teilhabe an der
Gesellschaft und des freiwilligen Jahres als Lernort in den Mittelpunkt stellen;

D. Projekte ehemaliger Freiwilliger durch einen bundesweiten Förderpreis zu
unterstützen und so die geleistete Arbeit, die Motivation und die kreativen
Ideen der Freiwilligen anzuerkennen und Projekte nachhaltig zu sichern;

E. bei der Entwicklung des Nationalen Qualifikationsrahmens sicherzustellen,
dass die Lernleistungen der Jugendlichen im Rahmen eines Freiwilligendiens-
tes anerkannt und dokumentiert werden;

F. gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit eine praktikable und einheit-
liche Lösung bei der Anrechnung der Aufwandsentschädigungen der Freiwilli-
gen bei ALG-II-Bezug zu erarbeiten und durchzusetzen, die dem Willen der
Bundesregierung zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements durch das
freiwillige Jahr gerecht wird;

G. den Sozialversicherungsstatus eines/einer Freiwilligen in einer Weise ein-
deutig zu klären, die den Willen zur Förderung des bürgerschaftlichen
Engagements durch das freiwillige Jahr zum Ausdruck bringt; dies gilt insbe-
sondere für die Möglichkeit der Weiterführung einer Familienkrankenversiche-
rung, den Status der Freiwilligen als Nichtbeschäftigte, die Folgen der Zahlung
von Sozialversicherungsbeiträgen und die Anrechnung des Taschengeldes auf
das Waisengeld;

H. die Anrechnung von Kindergeld bei gleichzeitigem Bezug von Aufwand-
sentschädigungen eindeutig und einheitlich zu klären.

Berlin, den 23. Oktober 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.