BT-Drucksache 16/674

Zukunftsfähige Rahmenbedingungen für ein wirksames Umweltrecht im föderalen Deutschland schaffen

Vom 15. Februar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/674
16. Wahlperiode 15. 02. 2006

Antrag
der Abgeordneten Horst Meierhofer, Michael Kauch, Angelika Brunkhorst,
Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer
Brüderle, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Otto Fricke,
Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann,
Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Elke Hoff,
Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen
Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Link (Heilbronn), Patrick Meinhardt, Jan
Mücke, Dirk Niebel, Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank
Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer
Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker
Wissing, Martin Zeil, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Zukunftsfähige Rahmenbedingungen für ein wirksames Umweltrecht
im föderalen Deutschland schaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Im Rahmen der so genannten Föderalismusreform gilt es, die Kompetenz-
zuweisungen zwischen Bund und Ländern unter anderem auch im Bereich der
Umweltgesetzgebung neu zu ordnen. Dazu müssen die bisher zersplitterten
Kompetenzen zwischen Bund und Ländern zusammengefasst und die Zustän-
digkeiten bei Planung, Ausführung und Kontrolle klarer gefasst werden.

Nach bisherigem Recht sind die in Deutschland für den Umweltschutz rele-
vanten Normen nicht an einer gemeinsamen Stelle kodifiziert, sondern sind in
unterschiedlichen Regelungsbereichen angesiedelt. In diesem Sinne stellt sich
Umweltschutz in Deutschland als „Querschnittsrecht“ dar. Erschwerend tritt
hinzu, dass der Umfang des Umweltrechts im Zeitverlauf seit dem 1. Umwelt-
programm der Bundesregierung von 1971 kontinuierlich gewachsen ist, wobei
die häufig ergänzten und novellierten Normen nicht immer hinreichend aufein-
ander abgestimmt wurden. So werden gegenwärtig z. B. unterschiedliche Be-
griffe für identische Begriffsinhalte verwendet, es gibt Regelungsüberschnei-
dungen, sowie Doppel- bzw. Mehrfachregelungen mit Unstimmigkeiten im

Detail.

Nicht zuletzt besteht Handlungs- und Modernisierungsbedarf mit Blick auf eine
zu erleichternde Umsetzung europarechtlicher Vorgaben, da das europäische
Umweltrecht einem medienübergreifenden, auf eine Verbesserung der all-
gemeinen Umweltqualität zielenden Ansatz verpflichtet ist, der auch die Stär-
kung der Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit und den Ausbau ökonomischer

Drucksache 16/674 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Instrumente (z. B. den Emissionshandel) umfasst. Eindeutige Zuständigkeiten
wären auch vor diesem Hintergrund hilfreich, um die Wirksamkeit umwelt-
rechtlicher Vorgaben zu erhöhen und überdies zu erleichtern, dass europarecht-
lichen Vorgaben zügiger entsprochen werden kann und damit deren allgemeine
Akzeptanz steigt.

Schließlich ist eine solche Neuordnung für die von umweltrechtlichen Vor-
gaben betroffenen Unternehmen vorteilhaft, weil bisherige teils redundante
Genehmigungsverfahren bei unterschiedlichen Behörden zum Teil entfallen
bzw. an einheitlicher Stelle zusammengefasst werden können. Dies wäre als er-
heblicher Beitrag zum Bürokratieabbau zu werten, indem Verwaltungskosten
verringert und zugleich die Planungssicherheit für unternehmerische Entschei-
dungen verbessert wird. Es gilt deshalb, das Umweltrecht in Deutschland über-
schaubarer, einfacher und wirksamer zu gestalten, indem die Voraussetzungen
dafür geschaffen werden, dass zentrale umweltrelevante Regelungen in einem
Umweltgesetzbuch (UGB) kodifiziert werden können. Auch kann ein verein-
fachtes, vereinheitlichtes und harmonisiertes Umweltrecht eine Steigerung der
Vollzugseffizienz bewirken.

Die im Koalitionsvertrag geplanten Änderungen der föderalen Kompetenz-
zuweisung werden der beschrieben Zielsetzung jedoch nicht gerecht. Vielmehr
ist zu befürchten, dass der Umweltschutz noch lückenhafter und unsystema-
tischer im Grundgesetz verankert wäre als dies bisher der Fall ist. Namentlich
sollen die grundgesetzlichen Voraussetzungen für ein Umweltgesetzbuch ge-
schaffen werden, welches die Rahmengesetzgebung abschafft und ein Ab-
weichungsrecht für die Länder bei Naturschutz und Landschaftspflege, Boden-
verteilung, Raumordnung, Wasserhaushalt und Jagdwesen vorsieht. Diese
geplante Abweichungsmöglichkeit konterkariert das Ziel, das zersplitterte Um-
weltrecht zu vereinfachen und in einem konsistenten Umweltgesetzbuch zu-
sammenzuführen. Zu dieser Einschätzung gelangt u. a. auch der Sachverständi-
genrat für Umweltfragen.

Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass die dringend erforderlichen Ver-
besserungen im Umweltrecht nahezu unmöglich gemacht würden, wenn der
jetzige Stand der Beratungen der Koalitionsarbeitsgruppe zur Föderalismus-
reform umgesetzt würde. Weiterhin unklare und strittige Zuständigkeitsrege-
lungen zwischen Bund und Ländern wären weder gut für die Umwelt noch für
die wirtschaftliche Entwicklung. Nach den jetzigen Plänen könnten in 16
Ländern 16 verschiedene Umweltstandards für die Genehmigung von
Infrastrukturvorhaben geschaffen werden. Die Ankündigung des Koalitionsver-
trags, einen Beitrag zum Bürokratieabbau zu leisten, würde weit verfehlt.

Der Deutsche Bundestag stellt vor diesem Hintergrund fest, dass es einer ein-
dringlichen und intensiven parlamentarischen Beratung der geplanten Grund-
gesetzänderung unter Beteiligung des umweltpolitischen und umweltrecht-
lichen Sachverstandes bedarf. Vermeintlicher Zeitdruck für eine schnelle Föde-
ralismusreform darf nicht dazu führen, mit einem übereilten Verfahren und
ohne öffentliche Debatte die umweltpolitische Handlungsfähigkeit in Deutsch-
land zu opfern. Die Chance für die Einführung eines modernen Umweltrechts
wäre vermutlich auf Jahre hin vertan. Angesichts der großen Herausforderun-
gen, vor der unsere Gesellschaft in der Umweltpolitik steht, wären die zum
Umweltbereich vorgesehenen Regelungen nicht hilfreich.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/674

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. eine Vorlage für eine Grundgesetzänderung zu erarbeiten, mit der ein ein-
heitliches Umweltrecht in Deutschland geschaffen werden kann, indem ein
eigener Titel „Recht der Umwelt“ als konkurrierende Gesetzgebungskompe-
tenz des Bundes im Grundgesetz verankert wird, wobei

a) die bisher nicht berücksichtigten Bereiche Chemikaliensicherheit, Strah-
lenschutz, Klimaschutz, erneuerbare Energien und Bodenschutz hierin zu
integrieren sind und

b) die Gesetzgebungskompetenz, insbesondere bei der Festlegung von
medienübergreifenden Umweltstandards, auf Bundesebene angesiedelt
wird,

2. auf eine Kompetenz der Länder zur Abweichungsgesetzgebung im Bereich
des Umweltrechts verzichtet wird und

3. darauf hinzuwirken ist, dass die Länder ihre Position überdenken und für ein
effektives, europataugliches und wirtschaftsfreundliches Umweltrecht auf
die Abweichungsmöglichkeiten verzichten und diesem Vorschlag zustim-
men.

Berlin, den 14. Februar 2006

Horst Meierhofer
Michael Kauch
Angelika Brunkhorst
Jens Ackermann
Dr. Karl Addicks
Christian Ahrendt
Uwe Barth
Rainer Brüderle
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Dr. Edmund Peter Geisen
Hans-Michael Goldmann
Miriam Gruß
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Christel Happach-Kasan
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin

Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Michael Link (Heilbronn)
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Dirk Niebel
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Jörg Rohde
Frank Schäffler
Marina Schuster
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Christoph Waitz
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Martin Zeil
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.