BT-Drucksache 16/6639

Rollende Supermärkte von fahrpersonalrechtlichen Vorschriften ausnehmen

Vom 10. Oktober 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6639
16. Wahlperiode 10. 10. 2007

Antrag
der Abgeordneten Patrick Döring, Horst Friedrich (Bayreuth), Joachim Günther
(Plauen), Jan Mücke, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr
(Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Jörg
van Essen, Paul K. Friedhoff, Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann,
Miriam Gruß, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Michael Kauch,
Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann, Sibylle
Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Michael
Link (Heilbronn), Markus Löning, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Burkhardt
Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia
Pieper, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Carl-Ludwig Thiele, Christoph
Waitz, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

Rollende Supermärkte von fahrpersonalrechtlichen Vorschriften ausnehmen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Ausnahmetatbestände in der zukünftigen Fassung der Fahrpersonalver-
ordnung (Artikel 1 Nr. 10 der Zweiten Verordnung zur Änderung fahrperso-
nalrechtlicher Vorschriften) wie folgt zu ergänzen:

„5. Fahrzeuge mit einer zulässigen Höchstmasse von nicht mehr als 7,5 Ton-
nen, die in einem Umkreis von 50 km vom Standort des Unternehmens
als Verkaufswagen auf örtlichen Märkten oder für den ambulanten Ver-
kauf verwendet werden und für diesen Zweck besonders ausgestattet
sind,“;

2. dem Deutschen Bundestag nach Abstimmung mit der Europäischen Kom-
mission einen Bericht darüber vorzulegen, welche mobilen Dienstleister der
örtlichen Nahversorgung nach den europäischen Rechtsvorgaben ganz oder
teilweise von den Vorschriften zu Lenk- und Ruhezeiten ausgenommen wer-
den können und nach den Vorstellungen der Bundesregierung bei der Umset-
zung von europäischem in nationales Recht ausgenommen werden sollen.
Berlin, den 10. Oktober 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

Drucksache 16/6639 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begründung

Zu Nummer 1

In Deutschland versorgen wöchentlich 1 800 rollende Supermärkte circa eine
Million Menschen mit den Dingen des täglichen Bedarfs, vor allem mit Lebens-
mitteln. Vielfach gibt es, wo rollende Supermärkte halten, keine weiteren Ein-
richtungen der Nahversorgung. Für ältere und in der Mobilität eingeschränkte
Menschen ist der Verkaufswagen oft die einzige Möglichkeit selbst noch einzu-
kaufen und die eigene Versorgung ohne fremde Hilfe zu organisieren.

Diese Versorgung des ländlichen Raums, die auch aufgrund des demographi-
schen Wandels immer bedeutender wird, ist durch die Anwendung der fahrper-
sonalrechtlichen Vorschriften auf die Verkaufswagen in Gefahr. Die Routen las-
sen sich nicht ohne weiteres verkürzen, weil es sich einfach nicht mehr lohnt,
manche Ziele anzufahren, wenn die Lenkzeiten beschränkt sind, zu denen ja
auch die Verkaufszeit gerechnet wird. Außerdem entstünden für die rollenden
Supermärkte nach Schätzungen Bürokratiekosten in Höhe von 5 000 000 Euro
für den Einbau von digitalen Fahrtenschreibern und die regelmäßige Auswer-
tung und Kontrolle der Daten und Geräte.

Daher wird damit gerechnet, dass 20 bis 40 Prozent der derzeit angesteuerten
Ziele in Zukunft nicht mehr angefahren würden. Das wiederum würde zu Be-
triebsaufgaben und zu einem Wegfall von Arbeitsplätzen sowie zu einer Unter-
versorgung peripherer Räume führen.

Die Inhaber der rollenden Supermärkte benötigen Rechtssicherheit. Dies ist je-
doch aus folgenden Gründen bisher nicht gewährleistet: § 18 der Fahrpersonal-
verordnung (FPersV) nimmt in seiner bisherigen Fassung unter Absatz 1 Nr. 5
„Fahrzeuge, die in einem Umkreis von 50 Kilometern vom Standort des Fahr-
zeugs als Verkaufswagen auf örtlichen Märkten oder für den ambulanten Ver-
kauf oder für ambulante Bank-, Wechsel- oder Spargeschäfte verwendet werden
und für diese Zwecke besonders ausgestattet sind“ von der Anwendung der Ver-
ordnungen (EWG) Nr. 3820/85 und 3821/85 aus.

Am 11. April 2007 ist die Verordnung (EG) 561/2006 in Kraft getreten, die die
Verordnungen (EWG) Nr. 3820/85 und 3821/85 weitgehend ersetzt. Die Neue-
rungen haben die Anpassung der deutschen fahrpersonalrechtlichen Vorschrif-
ten erforderlich gemacht. Infolgedessen hat der Deutsche Bundestag am 6. Juli
2007 das Dritte Gesetz zur Änderung des Fahrpersonalgesetzes beschlossen.
Gestützt auf § 2 FPersG beabsichtigt die Bundesregierung nun die Fahrpersonal-
verordnung zu ändern.

In § 18 FPersV werden die Ausnahmen von den fahrpersonalrechtlichen Vor-
schriften geregelt. Dabei fehlt in dem Entwurf der Bundesregierung (Bundes-
ratsdrucksache 604/07) – wie auch in der Verordnung (EG) 561/2006 – eine
Ausnahmevorschrift für Verkaufswagen. Die Bundesregierung ist der Ansicht,
dass die Streichung dieser Regelung unvermeidbar sei, weil das Gemeinschafts-
recht diese Ausnahme nicht zulasse. Die Bundesregierung richtet sich damit of-
fensichtlich allein nach dem Wortlaut des Artikels 13 Abs. 1 Buchstabe d.

Damit folgt sie aber nicht dem Rechtsverständnis der EU-Kommission. Diese ist
vielmehr der Ansicht, dass auch weitergehende Ausnahmen möglich sind. Das
Fehlen einer expliziten Ausnahmeregelung im europäischen Recht beruht
lediglich auf der Überlegung der EU-Kommission, dass Artikel 13 Abs. 1 Buch-
stabe d nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (Rechtssache C- 128/04)
weit auszulegen ist und die Verkaufswagen von dieser Ausnahmemöglichkeit
daher erfasst werden. Dies geht auch aus der Begründung der Kommission für
ihren Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des
Rates zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6639

KOM (2001)573, der der Verordnung (EG) 561/2006 zugrunde liegt, hervor.
Dort heißt es unter Punkt 40, vierter Spiegelstrich:

„ – Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe f der bestehenden Verordnung – Fahrzeuge
dieser Art sind mittlerweile selten anzutreffen und könnten durch viele der vor-
geschlagenen Änderungen erfasst werden. Viele Unternehmen, die diese Frei-
stellung derzeit nutzen, setzen schwere Fahrzeuge auf langen Strecken ein und
sollten in den Geltungsbereich der Verordnung einbezogen werden. Für
Fahrzeuge, die in einem kleineren Umkreis ihres Standorts verkehren, könnte
Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe c [Anmerkung: in der heutigen Verordnung 561/
2006 Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe d] des Vorschlags geltend gemacht werden.
In beiden Fällen darf die Fahrtätigkeit nicht die Haupttätigkeit des Fahrers dar-
stellen und die Ladung nicht zu kommerziellen und dem Wettbewerb unterlie-
genden Zwecken befördert werden.“ Dabei ist es gerade die Transporttätigkeit,
die nicht zu kommerziellen und dem Wettbewerb unterliegenden Zwecken erfol-
gen darf. Dies ist bei rollenden Supermärkten der Fall, weil die Haupttätigkeit
gerade das Verkaufen der Waren und nicht der Transport ist. Der rollende Super-
markt muss die Waren allein zu dem Zweck des Verkaufs vor Ort mitnehmen.
Denn es handelt sich gerade nicht um eine Lieferung – die so genannte letzte
Meile wird vom Verkäufer eines rollenden Supermarktes nicht mehr zurückge-
legt. Eine weitere Voraussetzung ist, dass der Verkäufer seine Einnahmen aus
der Haupttätigkeit erzielt. Das ist bei Verkäufern in rollenden Supermärkten in
besonderem Maß gegeben. Denn vielfach werden die Verkäufer zu überwiegen-
den Anteilen mit Umsatzprovisionen entlohnt, die sie allein durch das Verkaufen
von Waren erzielen können.

In diesem Sinne hat die Kommission am 1. Dezember 2006 auch auf die parla-
mentarische Frage von Jeanine Hennis-Plasschaert, MdEP, (E-4546/06) vom
26. Oktober 2006 geantwortet. Dabei geht es um die Frage, ob Fahrzeuge für
kulturelle Veranstaltungen oder für Wanderausstellungen, die zuvor – wie die
Verkaufswagen – durch den weggefallenen Artikel 13 Abs. 1 Buchstabe f der
EG-Verordnung 3820/85 ausgenommen waren, nun unter eine andere Ausnah-
mevorschrift fallen. Darauf hat die Kommission geantwortet, dass diese Fahr-
zeuge nun unter den anderslautenden Artikel 13 Abs. 1 Buchstabe k fallen.

Es ist also entgegen der Begründung des Verordnungsentwurfs der Bundesregie-
rung durchaus so, dass der Wegfall des expliziten Ausnahmetatbestandes nicht
automatisch auch den Wegfall auch der Ausnahmemöglichkeit bedeutet. Wie bei
Handwerkern, die nach dem Willen der Bundesregierung gestützt auf Artikel 13
Abs. 1 Buchstabe d der Verordnung (EG) 561/2006 ausgenommen sein sollen,
steht auch bei den rollenden Supermärkten nicht das Fahren, sondern eine an-
dere Haupttätigkeit, nämlich das Verkaufen von Waren, im Vordergrund. Auf
den meist kurzen Strecken zwischen zwei Orten besteht keine erhöhte Gefahr für
die Straßenverkehrssicherheit. Aus diesen Gründen waren die Verkaufswagen
bisher auch von der Anwendung der fahrpersonalrechtlichen Vorschriften aus-
genommen und sollten auch in Zukunft von diesen ausgenommen werden.

Zu Nummer 2

Der angeforderte Bericht der Bundesregierung soll Klarheit schaffen, ob weitere
europarechtlich zulässige Ausnahmen für mobile Nahversorger im ländlichen
Raum erforderlich und möglich sind.

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