BT-Drucksache 16/6631

Post braucht Wettbewerb - Wettbewerb braucht faire Bedingungen

Vom 10. Oktober 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6631
16. Wahlperiode 10. 10. 2007

Antrag
der Abgeordneten Kerstin Andreae, Brigitte Pothmer, Christine Scheel,
Dr. Gerhard Schick, Birgitt Bender, Dr. Thea Dückert, Nicole Maisch, Irmingard
Schewe-Gerigk, Josef Philip Winkler, Margareta Wolf (Frankfurt) und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Post braucht Wettbewerb – Wettbewerb braucht faire Bedingungen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Nach dem geltenden Postgesetz hat sich die Bundesregierung verpflichtet, die
Exklusivlizenz der Deutsche Post AG (DPAG) zum 1. Januar 2008 aufzuheben.

Die privaten Wettbewerber auf dem teilliberalisierten Postmarkt haben in Hin-
blick auf die angekündigte vollständige Marktliberalisierung zum 1. Januar
2008 erhebliche Investitionen getätigt.

Nach Auskunft der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erwartet die Bundesregierung von einer vollstän-
digen Liberalisierung die Entstehung neuer Arbeitsplätze sowie ein qualitativ
und quantitativ hochwertiges Angebot an Postdienstleistungen bei sinkenden
Preisen. Demnach hat die bislang vollzogene Marktöffnung zu einer gestiegenen
Dienstleistungsqualität sowie insgesamt tendenziell niedrigeren Preisen bei
Briefen und Paketen geführt. Zudem habe die Angebotsvielfalt zugenommen.
Darüber hinaus betont die Bundesregierung, dass trotz einer einseitigen Libera-
lisierung des deutschen Postmarktes nicht von einem unfairen Wettbewerb aus-
gegangen werden kann, weil Postdienstleistungen vor Ort erbracht werden. Die
Erfahrungen aus bereits liberalisierten Ländern zeige, dass auch bei vollstän-
diger Marktöffnung keine signifikanten Umsatzeinbrüche für den ehemaligen
Monopolisten zu erwarten sind und auf die gesamte Postbranche bezogen kein
Arbeitsplatzabbau stattfindet.

Allerdings besteht trotz der beschriebenen Erfolge der erfolgten Teilliberalisie-
rung berechtigte Kritik an teilweise unzureichenden Arbeitsbedingungen im
teilprivatisierten Postgewerbe. Diese Kritik betrifft sowohl einzelne Wettbewer-
ber als auch Subunternehmen, die im Auftrag der Deutsche Post AG mit über
20 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Dienstleistungen erbringen und
deutlich unterhalb des Lohnniveaus der DPAG bezahlen. So besteht die Gefahr,

dass die Zahlung nichtexistenzdeckender Löhne durch verschiedene Postdienst-
leister zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Deswegen ist die Einführung eines
branchenbezogenen Mindestlohnes der richtige Weg, um Lohndumping in der
Postbranche zu verhindern.

Wettbewerbsverzerrungen sind auch die Folge der unterschiedlichen steuer-
lichen Behandlung von Marktteilnehmern bei Postdienstleistungen, die bereits
im Wettbewerb erbracht werden. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 11b des Um-

Drucksache 16/6631 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

satzsteuergesetzes (UStG) benachteiligt private Konkurrenten der DPAG im er-
heblichem Umfang. Mit der vollständigen Marktliberalisierung zum 1. Januar
2008 drohen durch die Steuerbefreiung zusätzliche Wettbewerbsverzerrungen.
Dementsprechend hat die EU-Kommission im Juli 2007 die letzte Phase des
Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland eingeleitet und das Verfahren
verschärft.

Bereits im Oktober 2006 hatte die EU-Kommission ihre Pläne zur Änderung der
Richtlinie 97/67/EG über die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste
vorgelegt. Der Entwurf für eine Dritte Postdienstrichtlinie wurde im Juli 2007
vom Europäischen Parlament in erster Lesung beraten. Die Kommission hat in
ihrem Vorschlag verschiedene Optionen vorgestellt, durch die die Erbringung
des Universaldienstes weiter gesichert werden sollen wie öffentliche Ausschrei-
bung der Universaldienste, Ausgleichszahlungen an die Universaldiensterbrin-
ger oder die Einrichtung eines Ausgleichfonds, der die Nettokosten der Univer-
saldienste auf die Anbieter der Postdienstleistungen verteilt. Zugleich weist die
Kommission daraufhin, dass die geltenden Regelungen zur Mehrwertsteuerbe-
freiung in den Mitgliedstaaten den Wettbewerb stark behindern.

Die vollständige Marktliberalisierung auf dem Postmarkt droht durch die beste-
henden Wettbewerbsverzerrungen beeinträchtigt zu werden. Diese müssen
gleichmäßig angegangen werden. Zwar hat die Bundesregierung einen Be-
schluss zur Einführung eines Mindestlohnes in der Postbranche gefasst. Bisher
zeichnet sich jedoch keine politische Initiative der Bundesregierung ab, auch
durch die Klärung der steuerlichen Fragen zu einem geregelten Wettbewerb mit
gleichen Marktchancen für alle Wettbewerber beizutragen.

Viele Konkurrenzunternehmen der DPAG kompensieren den steuerlichen Wett-
bewerbsnachteil gegenüber der Deutschen Post AG durch niedrigere Löhne. Sie
argumentieren, dass ein Mindestlohn für sie ein zusätzlicher Wettbewerbsnach-
teil wäre. Durch die Abschaffung der Umsatzsteuerfreiheit bei Leistungen der
DPAG kann dieser Argumentation der Wind aus den Segeln genommen werden.
Eine Beendigung der steuerlichen Ungleichbehandlung der Wettbewerber
würde zu einer Versachlichung der Diskussion über Mindestlöhne beitragen, da
so der Druck auf die Löhne bei den Mitbewerbern der DPAG sinken würde.

Wettbewerbsverzerrungen dürfen auch nicht zu unterschiedlichen hohen Leis-
tungsanforderungen beim Angebot führen. Die Menschen müssen sich darauf
verlassen können, dass die Universaldienste ihre Bedürfnisse insbesondere auch
im ländlichen Raum abdecken. Die Vorgaben der Universaldienstverordnung,
die ein flächendeckendes Filialnetz mit Vollangebot vorsieht, sind zu gewähr-
leisten und vorausschauend zu modernisieren. Moderne Postdienstleistungen
gehen über Frankierung und Annahme von Briefen und Paketen hinaus. Wett-
bewerb auf der Höhe der Zeit darf sich nicht nur unter Kostengesichtspunkten
lohnen, sondern muss auch Service, Innovation und Kundenfreundlichkeit ein-
beziehen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass alle Wettbewerbsbehinderungen
auf dem Postmarkt ausgeräumt werden;

● zügig das Arbeitnehmerentsendegesetz für den Bereich der Briefdienstleis-
tungen zu öffnen und so die gesetzlichen Voraussetzungen zur Allgemeinver-
bindlichkeitserklärung eines tariflichen Mindestlohnes zu schaffen;

● die ungleiche Umsatzbesteuerung der Marktteilnehmer auf dem Postmarkt zu
Gunsten der DPAG zu beenden und die EU-Rechtsvorschriften eindeutig an-
zuwenden, damit das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein-

gestellt werden kann;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6631

● die bestehenden rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen der einzelnen
Modelle zur Sicherung der Universaldienste zu prüfen und ein EU-Rechts-
konformes und wettbewerbsförderndes Modell zur Sicherung der Universal-
dienste auszuarbeiten;

● die Universaldienstverordnung verbraucherfreundlich weiterzuentwickeln
und das Angebot in der Fläche weiter auszubauen.

Berlin, den 10. Oktober 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.