BT-Drucksache 16/6601

Kinderbetreuungsausbau mit mehr Mitteln, Fachkräften und Qualität ausstatten - Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung 2010 einführen

Vom 10. Oktober 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6601
16. Wahlperiode 10. 10. 2007

Antrag
der Abgeordneten Diana Golze, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, Katja Kipping,
Elke Reinke, Volker Schneider (Saarbrücken), Dr. Ilja Seifert, Frank Spieth, Jörn
Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Kinderbetreuungsausbau mit mehr Mitteln, Fachkräften und Qualität ausstatten –
Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung 2010 einführen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Einführung des Rechtsanspruches auf einen Betreuungsplatz für Kinder un-
ter drei Jahren darf nicht bis 2013 verschoben werden. Zugang zu Erziehung,
Bildung und Betreuung ist ein soziales Recht des Kindes, auf welches individu-
elle Rechtsansprüche unverzüglich gewährt werden sollen. Das Finanzierungs-
konzept der Bundesregierung reicht nicht aus, weil die Probleme des drohenden
Fachkräftemangels und die Notwendigkeit der Weiterentwicklung der Qualität
der Betreuung unzureichend bedacht wurden. Um diesen Anforderungen ge-
recht zu werden, ist eine Erhöhung der Anschubfinanzierung durch das kapital-
verzehrende Sondervermögen des Bundes notwendig.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine schnellst mögliche, bedarfsdeckende,
qualitativ hochwertige und elternbeitragsfreie Kinderbetreuung in allen Bundes-
ländern gewährleistet und

1. das Finanzierungskonzept des Ausbaus der Betreuungsplätze für unter Drei-
jährige in Zusammenarbeit mit den Ländern und Kommunen so weiterentwi-
ckelt und umsetzt, dass Länder und Kommunen in die Lage versetzt werden,
eine flächendeckende umfassende und gebührenfreie ganztägige vorschuli-
sche Betreuung für alle Kinder anzubieten bzw. aufzubauen;

2. den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz auf alle Kinder unter drei Jah-
ren ausweitet und bis 2010 in einen uneingeschränkten Ganztagsanspruch
umwandelt. Diese Ansprüche sind als Rechte der Kinder und vom sozialen
Status der Eltern unabhängig zu gestalten;

3. die längerfristigen Betriebskosten der Infrastruktur für Bildung, Betreuung
und Erziehung durch ein nachhaltiges Finanzierungskonzept sichert;
4. darauf hinwirkt, dass die Länder im Rahmen ihrer Qualitätsoffensive der
Kinderbetreuung verbesserte Betreuungsschlüssel zwischen Erzieherinnen/

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Erziehern und Kindern gewährleisten und für eine ausreichende Ausbildung
des Fachpersonals auf Hochschulniveau sorgen.

Berlin, den 10. Oktober 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Familienpolitik muss Versorgungsdefizite und Benachteiligungen so weit ab-
bauen, dass für alle im Land lebenden Menschen eine optimale Entwicklung und
ein Leben ohne materielle Not gewährleistet sind. Gleiche Teilhabe aller am
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben ist sicherzustellen. Hierfür ist
vor allem die Bereitstellung einer verlässlichen und qualitativ hochwertigen In-
frastruktur für Kinder und Familien notwendig. Diese Infrastruktur ist besonders
für Familien mit geringem Einkommen wichtig, da sie die Defizite eines dürren
Sozialstaats am wenigsten ausgleichen können.

Die Finanzierung dieser Infrastruktur, insbesondere einer bedarfsdeckenden und
elternbeitragsfreien Kindertagesbetreuung ist bisher nicht ausreichend gesi-
chert. Die Bundesregierung musste in ihrem Bericht nach § 24a Abs. 3 des Ach-
ten Buches Sozialgesetzbuch über den „Stand des Ausbaus für ein bedarfsge-
rechtes Angebot an Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren“ (vom
11. Juli 2007) konstatieren, dass der Ausbau der Betreuungsplätze nach wie vor
von einer geringen Ausbaudynamik gekennzeichnet ist. „Die bisherige Entwick-
lung reicht damit nicht aus, um das Ausbauziel des Tagesbetreuungsausbauge-
setzes zu erreichen.“ (S. 6)

Der Bildungsweg beginnt in Kinderkrippen und Kindergärten. Diese und wei-
tere Bildungsorte ermöglichen die gemeinschaftliche Erziehung von Kindern
unterschiedlicher Herkunft. Sie befördern die soziale Kompetenz der Kinder,
wirken sich positiv auf die Integration von Kindern aus Migrantenfamilien
durch zeitigen Erwerb der deutschen Sprache aus und verbessern so Bildungs-
und spätere Erwerbschancen. Erziehungsmängel und soziale Defizite können
durch Fachkräfte erkannt und durch erzieherische Arbeit ausgeglichen werden.
Nicht zuletzt geben öffentliche Kinderbetreuungsangebote den Eltern die Mög-
lichkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, und wirken somit unter anderem
direkt als Instrument der Armutsbekämpfung.

Gebührenfreie, umfassende und flächendeckende Betreuungsangebote für Kin-
der gibt es in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Nur diese gewährleisten,
dass kein Kind wegen der Einkommens- oder Lebenssituation der Eltern von ei-
ner Erziehung im Kreise anderer Kinder sowie von frühkindlicher Bildung und
Betreuung durch Fachkräfte ausgeschlossen ist. Deshalb müssen die Länder und
Kommunen in die Lage versetzt werden, gebührenfreie, umfassende und flä-
chendeckende Betreuungsangebote für Kinder anzubieten und aufzubauen. Die
öffentliche Kinderbetreuung muss als gesellschaftliche Aufgabe verstanden
werden. Um den Zugang eines jeden Kindes in eine öffentliche Betreuungsein-
richtung zu ermöglichen, muss dieser gebührenfrei sein. Das erforderliche Kon-
zept zur Finanzierung muss die Bundesregierung vorlegen.

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