BT-Drucksache 16/6547

Zukünftige Förderpolitik des Bundes für das sorbisch-wendische Volk

Vom 1. Oktober 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6547
16. Wahlperiode 01. 10. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Cornelia Behm, Volker Beck (Köln), Peter Hettlich,
Monika Lazar, Anna Lührmann, Wolfgang Wieland, Josef Philip Winkler
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zukünftige Förderpolitik des Bundes für das sorbisch-wendische Volk

Die Sorben/Wenden sind eine autochthone slawische Minderheit, die keinen
eigenen Staat gebildet hat und auch von keinem anderen „Mutterland“ Unter-
stützung erwarten kann. Ihre Siedlungsgebiete befinden sich in Sachsen und
Brandenburg. Mit dem vom Sächsischen Landtag 1948 verabschiedeten „Gesetz
zur Wahrung der Rechte der sorbischen Bevölkerung“ wurde erstmals die Bil-
dung von Institutionen ermöglicht, die dem Anspruch auf nationale Anerken-
nung und rechtliche Gleichberechtigung entgegenkamen und eine gesicherte
soziokulturelle Entwicklung ermöglichten. Heute gibt es sorbische bzw. wen-
dische Schulen, Sorabistik als universitäres Studienfach (Leipzig), den sorbi-
schen Verlag, sorbisch-wendische Museen, das Sorbische Institut samt sorbi-
schem Kulturarchiv, das deutsch-sorbische Volkstheater und das sorbische
Nationalensemble. Damit existiert eine institutionelle Basis für das kulturelle
Leben der heute zirka 60 000 Minderheitenangehörigen, die den Erhalt der sor-
bischen Identität sichert und fördert. Der Einigungsvertrag schrieb die Unter-
stützung der sorbischen Minderheit fest. Sachsen und Brandenburg haben die
Förderung der Sorben/Wenden in ihren Verfassungen verankert und Gesetze zur
Bewahrung ihrer Identität, Kultur und Traditionen erlassen, die umfassende
politische und kulturelle Rechte gewähren. Gemeinsam mit dem Bund fördern
sie die sorbisch-wendische Minderheit durch jährliche Zuwendungen an die
Stiftung für das sorbische Volk. Um die Fördermittel des Bundes und der Länder
Sachsen und Brandenburg unter Mitwirkung von Vertretern des sorbisch-wendi-
schen Volkes effizient einzusetzen, wurde 1991 vom Bund und den Ländern
Sachsen und Brandenburg die Stiftung für das sorbische Volk gegründet. Im Jahr
1998 wurde diese Stiftung durch einen neuen Staatsvertrag in eine Stiftung des
öffentlichen Rechts umgewandelt und ein neues Finanzierungsabkommen ge-
schlossen, das jedoch am 31. Dezember 2007 ausläuft.

Im März 2007 hat der Bundesrechnungshof einen Prüfbericht vorgelegt, der den
Einigungsvertrag als Rechtsgrundlage für die Förderung der sorbischen Sprache
und Kultur als „verbraucht“ ansieht, die finanzielle Förderung der sorbisch-wen-
dischen Minderheit durch den Bund grundsätzlich in Frage stellt, darüber hinaus

aber auch den Umgang mit Fördermitteln bei der Stiftung für das sorbische Volk
kritisiert.

Wir halten die grundsätzlichen Bedenken des Bundesrechnungshofes für ver-
fehlt. Es muss einen transparenten und sachgerechten Umgang mit Fördermit-
teln geben, aber die Förderung selbst kann nicht in Frage gestellt werden. Des-

Drucksache 16/6547 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

halb muss sich auch der Bund weiterhin finanziell für den Erhalt der sorbischen
und wendischen Kultur engagieren.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie erklärt und bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass der Bun-
desrechnungshofbericht in den Medien bereits breit diskutiert wurde, bevor
er den Mitgliedern des Deutschen Bundestages zur Verfügung stand?

2. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, die Stiftung für das sorbi-
sche Volk als eigenständige sorbische Institution zu erhalten?

3. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesrechnungshofes, dass
der Bund die Förderung der Stiftung nicht über das Jahr 2007 hinaus fort-
führen soll, und wenn ja, warum?

4. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesrechnungshofes, dass
die bisherige Praxis der Globalzuweisung der Fördermittel des Bundes an
die Stiftung haushaltsrechtlich unzulässig ist, und wenn ja, welche Ände-
rung der bisherigen Praxis plant die Bundesregierung?

5. Teilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass
die Stiftung nicht als Zuwendungsgeber auftreten darf und erhaltene Mittel
nicht als institutionelle Förderung an sorbische Institutionen weiterleiten
darf, sondern nur als Projektförderungen, und wenn ja, welche Schlussfol-
gerungen zieht die Bundesregierung hieraus?

6. Wirkt die Bundesregierung darauf hin, dass die Bundes- und jeweiligen
Landesfördermittel im Haushalt der Stiftung getrennt ausgewiesen werden,
und wenn nein, warum nicht?

7. Welchen Verfahrensstand haben die Verhandlungen zur Neugestaltung des
Finanzierungsabkommens für die Stiftung für das sorbische Volk?

8. Womit begründet die Bundesregierung ihre Planung, die Zuwendungen für
die Stiftung für das sorbische Volk im Jahr 2008 um 600 000 Euro zu kürzen
und weitere 2 Mio. Euro zu sperren?

9. In welcher Höhe plant die Bundesregierung die Stiftung für das sorbische
Volk in den Jahren nach 2008 zu unterstützen?

10. Wird die Bundesregierung ihre Förderung im Jahr 2008 auch dann beibehal-
ten, wenn eine Einigung mit den Bundesländern bis zum 31. Dezember
2007 nicht zustande kommt, und auf welcher rechtlichen Grundlage wird sie
ihre Entscheidung treffen?

11. Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, dass das im Prüfbericht des
Bundesverwaltungsamtes von 2003 aufgezeigte Einsparpotenzial von
562 000 Euro bei der Stiftung durch die Mittelkürzungen des Bundes seit
2003 in Höhe von 581 000 Euro vollständig ausgeschöpft wurde?

12. Wie bewertet die Bundesregierung die Auffassung des Bundesrechnungs-
hofes, dass die Stiftung keine Aufgaben anderer öffentlicher Träger – auch
nicht teilweise – übernehmen oder finanzieren darf (wie die Trägerschaft
von Internaten, die Finanzierung von Internatsgebühren, die Finanzierung
von Ausstellungen im Wendischen Museum Cottbus und im Sorbischen
Museum Bautzen, die Gewährung von Projektfördermittel für Volkshoch-
schulkurse oder die Subventionierung von Lehr- und Lernmitteln in sorbi-
scher Sprache)?

13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesrechnungshofes, dass
die Stiftung ihre Organisation und Fördermaßnahmen einer umfassenden

externen Wirksamkeits- und Wirtschaftlichkeitsanalyse unterziehen muss,
und wie wird sie das gegebenenfalls unterstützen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6547

14. Ist auch die Bundesregierung der Auffassung, dass die projektbezogene
Förderung der sorbisch-wendischen Sprache und Kultur verstärkt werden
muss, und wenn ja, wie wird sie sich dafür einsetzen?

15. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesrechnungshofes, dass
die Stiftung ihr Vermögen zeitweise nicht in seinem Bestand erhalten hat,
und wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung dies?

16. Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zur Auffassung des Bundes-
rechnungshofes ein, dass die Bundesregierung das Referat K26 auflösen
und die Angelegenheiten der Minderheitenförderungen an das Bundes-
ministerium des Inneren abgeben sollte, und wie begründet die Bundes-
regierung diese?

17. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die Verwendungsnachweise der
Stiftung ordnungsgemäß geprüft werden?

Berlin, den 1. Oktober 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.