BT-Drucksache 16/6345

Konsequenzen der aktuellen Krise auf den Kredit- und Hypothekarmärkten

Vom 10. September 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6345
16. Wahlperiode 10. 09. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Axel Troost, Dr. Barbara Höll, Dr. Herbert Schui
und der Fraktion DIE LINKE.

Konsequenzen der aktuellen Krise auf den Kredit- und Hypothekarmärkten

Die in den USA zu beobachtende Entwicklung der Forderungsausfälle bei den
an Schuldner mit zweifelhafter Bonität vergebenen sogenannten subprime-
Hypothekendarlehen hat die Risiken einer allgemeinen Lockerung der Kredit-
vergabestandards offengelegt. Das Center for Responsible Lending schätzt, dass
von den zwischen 1998 und 2006 im subprime-Segment vergebenen Eigenheim-
krediten schließlich 19,4 Prozent in der Zwangsversteigerung enden werden.

Als eine wesentliche Voraussetzung für den Ausbau des subprime-Sektors in
den USA, der mittlerweile 20 Prozent des Gesamtmarktes entspricht, gelten die
verbesserten Möglichkeiten zur Verbriefung von Darlehen und zum Transfer
von Kreditrisiken an den internationalen Kapitalmarkt.

Gründe des Verbraucherschutzes und der Begrenzung real- und weltwirtschaft-
licher Ansteckungsrisiken sprechen dafür, die Entwicklung an den deutschen
Märkten für Hypothekarkredite zur Eigenheimfinanzierung zukünftig genauer
zu verfolgen. Das schließt die Beobachtung der dahinter stehenden sekundären
Kredit- und Versicherungsmärkte mit ein. Im Falle einer spürbaren Tendenz zur
Kumulation risikoerhöhender Kreditmerkmale, in Verbindung mit einer Locke-
rung der Anforderungen an die persönliche Bonität der Kreditnehmer, müssen
Eingriffe der Bankenaufsicht oder gesetzgeberische Maßnahmen mit dem Ziel
der Begrenzung der Möglichkeiten des Risikotransfers an die internationalen
Finanzmärkte erwogen werden.

Nach Beobachtungen von Verbraucherschützern und -anwälten treten in
Deutschland zudem einzelne Banken, die sich der Verbriefung von Kreditforde-
rungen bedienen, neuerdings als Finanzierer von Eigentumswohnungen auf, die
der Kapitalanlage dienen sollen. Dabei ist – wie bei den „Schrottimmobilien“-
Fällen – erneut zu beobachten, dass Wohnungen verkauft werden, die die
Anleger vorab nicht gesehen haben und unter Einrechnung von Steuervorteilen
fragwürdige Rentabilitätsprognosen aufgestellt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten 10 Jahren der

Anteil tilgungsfreier Hypothekendarlehen (Interest Only Mortgages) mit und
ohne begleitenden Sparprozess an allen ausstehenden Eigenheimkrediten
sowie an den neu vergebenen Darlehen entwickelt?

2. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten 10 Jahren der
Anteil variabel verzinslicher Hypothekendarlehen an allen ausstehenden
Eigenheimkrediten sowie an den neu vergebenen Darlehen entwickelt?

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3. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung bei den zur Eigenheim-
finanzierung eingesetzten Hypothekendarlehen mit festem Zinssatz in den
letzten 10 Jahren die Verteilung der Länge der anfänglichen Zinsfestschrei-
bung entwickelt?

Gibt es eine Tendenz zu kürzeren anfänglichen Zinsbindungsdauern?

4. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung bei den zur Eigenheim-
finanzierung eingesetzten Hypothekendarlehen der durchschnittliche an-
fängliche Tilgungssatz in den letzten 10 Jahren entwickelt?

5. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung bei den zur Eigenheim-
finanzierung eingesetzten Hypothekendarlehen der durchschnittliche an-
fängliche Beleihungsauslauf in den letzten 10 Jahren entwickelt?

6. In welchem Umfange werden nach Kenntnis der Bundesregierung Darlehen
in Fremdwährungen (z. B. Yen oder Schweizer Franken) zur Eigenheim-
finanzierung eingesetzt, und wie hat sich deren Marktanteil in den letzten
Jahren entwickelt?

Wie beurteilt die Bundesregierung das damit verbundene Wechselkurs-
risiko für die Kreditnehmer?

7. Wie hoch liegt nach Kenntnis der Bundesregierung bei den zur Eigenheim-
finanzierung eingesetzten Hypothekendarlehen der Anteil sogenannter
100-Prozent-Finanzierungen, bei denen zumindest für den Finanzierungs-
anteil bis zur Höhe des Beleihungswertes kein Eigenkapitaleinsatz des
Schuldners gefordert wird, und wie hoch ist der Anteil von „Über-100-
Finanzierungen“?

Wie stark sind beide Anteile in den letzten Jahren gewachsen?

8. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung bei den zur Eigenheim-
finanzierung eingesetzten Hypothekardarlehen die Ratenbelastung in
Relation zum Haushaltseinkommen in den letzten Jahren entwickelt?

Hat die Bundesregierung Erkenntnisse über das Entstehen eines Markt-
segments, in dem nicht nur hohe Beleihungsausläufe, sondern auch
laufende Belastungsquoten von 40 Prozent und mehr im Verhältnis zum
Haushaltseinkommen zu beobachten sind?

9. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil der privaten
Bauherren bzw. Käufer, die vorhandene Bausparverträge zur Finanzierung
einsetzen, in den letzten 10 Jahren entwickelt?

Wie hat sich der Anteil des eingesetzten Eigenkapitals in den letzten 10 Jah-
ren entwickelt?

10. Wie hoch liegt nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils der Anteil der
privaten Hypothekenschuldner, die sich durch Versicherungsnahme gegen
das Risiko der Berufsunfähigkeit, der Arbeitslosigkeit und des frühzeitigen
Todes abgesichert haben?

11. Wie hoch liegt nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil der Kredit-
suchenden, die sich vor der Entscheidung zum Erwerb oder Bau eines
Eigenheims unabhängig, z. B. von einer Verbraucherzentrale, beraten las-
sen?

Wie beurteilt die Bundesregierung das (quantitative) Angebot an neutraler,
nicht provisionsorientierter und anbieterunabhängiger Beratung in Deutsch-
land?

12. Wie hoch liegt nach Kenntnis der Bundesregierung unter den in Deutsch-

land für die Finanzierung von Wohneigentum generierten Hypotheken-
darlehen der Anteil der Darlehen, die durch Forderungsverkauf (Whole

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6345

Loan Sale) oder Verbriefung in der Form von Residential Mortgage Backed
Securities (RMBS) oder Collateralised Debt Obligations (CDO) aus den
Bilanzen der ursprünglichen Kreditgeber entfernt worden sind?

13. Wie hoch liegt nach Kenntnis der Bundesregierung unter den in Deutsch-
land für die Finanzierung von Wohneigentum generierten Hypotheken-
darlehen der Anteil der Darlehen, bei denen das Ausfallrisiko ganz oder teil-
weise mittels Hypothekenversicherung oder durch Credit Default Swaps
(CDS) auf Dritte übertragen wurde?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung Qualität und Quantität des vorliegenden
statistischen Materials zum Hypothekarbereich?

Welche Verbesserungsmöglichkeiten sieht die Bundesregierung, und welche
Maßnahmen zur Verbesserung hat sie eingeleitet?

15. Was wird die Bundesregierung vor dem Hintergrund der in der Einleitung
skizzierten Entwicklung tun, damit nicht erneut ein Marktsegment wie die
Finanzierung von „Schrottimmobilien“ entsteht?

16. Welche Maßnahmen erwägt die Bundesregierung im Rahmen des Risiko-
begrenzungsgesetzes zur Erhöhung der Transparenz bei Verkäufen von
Kreditforderungen?

Berlin, den 7. September 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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