BT-Drucksache 16/6279

Engagement der Kreditanstalt für Wiederaufbau bei der Deutschen Industriebank

Vom 21. August 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6279
16. Wahlperiode 21. 08. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Ulla Lötzer, Dr. Herbert Schui,
Dr. Axel Troost, Sabine Zimmermann, Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine
und der Fraktion DIE LINKE.

Engagement der Kreditanstalt für Wiederaufbau bei der Deutschen Industriebank

Ende Juli 2007 offenbarte sich, dass die Deutsche Industriebank (IKB) in Folge
von Fehlspekulationen und der sog. US-Hypothekenkrise vor einem Zusam-
menbruch stand. Laut § 2 der IKB-Satzung ist „Gegenstand des Unternehmens
(…) die Förderung der gewerblichen Wirtschaft (…). Den Finanzierungsbedürf-
nissen des Mittelstandes soll bevorzugt Rechnung getragen werden. Die Gesell-
schaft kann Bankgeschäfte aller Art betreiben und Finanzdienstleistungen aller
Art erbringen. Die Gesellschaft ist zu allen Geschäften und Maßnahmen berech-
tigt, die geeignet erscheinen, dem Gegenstand des Unternehmens zu dienen.“

Die Insolvenz wurde dadurch abgewendet, dass die bundeseigene Kreditanstalt
für Wiederaufbau (KfW), die zu 38 Prozent an der IKB beteiligt ist, eine Zusage
erteilt hat, 70 Prozent des erwarteten Verlustrisikos zu übernehmen. In diesem
Zusammenhang warnte der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleis-
tungsaufsicht (Bafin) vor der schwersten Bankenkrise seit 1931. Hingegen war
von Bundesbankpräsident Axel Weber zu vernehmen, dass die Angst vor einer
Bankenkrise jeder Grundlage entbehre. Während ein Zusammenbruch der IKB
vorerst verhindert scheint und nun ein Verkauf der KfW-Anteile an der IKB
erwogen wird, hüllt sich die Deutsche Bank, als größte deutsche Privatbank,
weiterhin in Schweigen darüber, in welchem Umfang sie in Kreditgeschäfte im
bonitätsschwachen US-Hypothekenmarkt involviert ist.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche ordnungs- und wirtschaftspolitischen Gründe waren für die Über-
nahme der IKB-Anteile der Allianz und der Münchner Rück durch die KfW
im Jahre 2001 ausschlaggebend?

2. Welche ordnungs- und wirtschaftspolitischen Überlegungen sind maßgebend
dafür, dass nun erwogen wird, die Beteiligung der KfW an der IKB aufzu-
geben?

3. Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung darüber, warum die IKB
ihr Aufgabenfeld, über die Mittelstandsfinanzierung hinaus, auch auf die

Spekulation mit bonitätsschwachen US-Hypotheken bzw. daraus abgeleite-
ten Finanzprodukten ausgedehnt hat?

4. Geschah die Spekulation mit bonitätsschwachen US-Hypotheken bzw. dar-
aus abgeleiteten Finanzprodukten mit Wissen und Billigung der im Auf-
sichtsrat der IKB vertretenen KfW?

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5. Wie schätzt die Bundesregierung die weiteren vom US-Hypothekenmarkt
ausgehenden Risiken für die deutsche und europäische Finanzmarkt-
stabilität ein?

6. Besitzt die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, welches Risikopotenzial
für die Finanzstabilität das Engagement der Deutschen Bank auf diesem
Markt in sich birgt?

7. Welche Funktionen erfüllten jeweils die Bafin und die Deutsche Bundes-
bank bei der Beaufsichtigung der IKB, und sind nach Auffassung der Bun-
desregierung sowohl die Bafin als auch die Deutsche Bundesbank ihrer Ver-
antwortung bei der Beaufsichtigung der IKB in notwendigem Maße gerecht
geworden?

Wenn nein, welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung hieraus?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die sehr unterschiedlichen Bewertungen
des Bafin- und des Bundesbankpräsidenten, bezüglich der Gefahr einer
Bankenkrise?

9. Teilt die Bundesregierung die Bedenken der Europäischen Zentralbank
(EZB-Monatsbericht August 2008), dass von der Private Equity Branche
ähnliche Risiken wie vom sog. Subprime-Hypothekenmarkt ausgehen?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, glaubt die Bundesregierung mit dem geplanten Risikobegren-
zungsgesetz diesen Gefahren ausreichend Rechnung zu tragen?

10. Liegen der Bundesregierung, gegebenenfalls über die KfW, Hinweise vor,
dass der Vorstand der IKB seine Pflichten gegenüber dem Aufsichtsrat und
den Anteilseignern verletzt hat, speziell angesichts der Tatsache, dass noch
in der Aufsichtsratssitzung im Juni 2007 der Vorstand die Risiken aus Spe-
zialanleihen als unbedeutend bezeichnete, und wenn ja, welche Hinweise?

11. Welche Ergebnisse in diesem Zusammenhang hat nach Kenntnis der
Bundesregierung das geplante Treffen zwischen Bafin, Staatsanwaltschaft
Düsseldorf und KfW in der 33. Kalenderwoche erbracht?

12. Fallen die Aktivitäten der IKB im Zusammenhang mit den Fonds Rhineland
Funding und Rhinebridge nach Ansicht der Bundesregierung unter den sat-
zungsmäßigen Unternehmensgegenstand der IKB, namentlich die Förde-
rung der gewerblichen Wirtschaft (§ 2 der IKB-Satzung), falls ja, warum,
falls nein, welche Handlungsabsichten für die KfW ergeben sich daraus?

13. Liegen der Bundesregierung, gegebenenfalls über die KfW, Hinweise vor,
dass der Aufsichtsrat der IKB seiner Pflicht nicht ordnungsgemäß nachge-
kommen ist, die Geschäftsführung zu überwachen, und wenn ja, welche
Hinweise?

Bitte gehen Sie hierbei speziell auf folgende Tatsachen ein: Die US-Verbrie-
fungsgeschäfte der IKB haben bereits 2002 begonnen (HB, 6. August
2007). Im Sommer 2006 erhielt der Aufsichtsrat der IKB einen Hinweis auf
riskante Geschäfte, allerdings ohne Bezug auf das US-Engagement (FAZ,
4. August 2007). Der Jahresabschluss und Lagebericht 2006/2007 der IKB
weist auf Seite 57 auf umfangreiche Kreditzusagen an Spezialgesellschaf-
ten hin (FAZ, 10. August 2007).

14. Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass das riskante Engagement der
IKB im Bereich Spezialanleihen sowohl der KfW als auch dem Bundes-
ministerium der Finanzen und der Bankenaufsicht Bafin bis Ende Juli ent-
gangen ist, obwohl ein Mitglied des Aufsichtsrats der IKB zugleich Minis-

terialdirektor im Bundesministerium der Finanzen und Vize-Vorsitzender

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6279

der Bafin ist, zudem der Vize-Aufsichtsratsvorsitzende der IKB zugleich im
Vorstand der KfW sitzt, und welche Konsequenzen zieht sie daraus?

15. Wie verhält sich die Bundesregierung zur öffentlich erhobenen Forderung
(HB, 6. August 2007) nach einem Rückzug des Ministerialdirektors im
Bundesministerium der Finanzen aus den Funktionen im Aufsichtsrat der
IKB und als Vize-Vorsitzender der Bafin, und wie begründet sie dies?

16. Gibt es nach Informationen der Bundesregierung konkrete Überlegungen
der KfW, gegen aktuelle oder ehemalige Vorstands- oder Aufsichtsratsmit-
glieder der IKB zivilrechtlich vorzugehen, und, falls nein, wird der Bund als
Mehrheitseigner der KfW darauf hinwirken?

17. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Bafin, eine Untersuchung
der Folgen von Subprime-Anlagen deutscher Banken sei nicht nötig (FTD,
10. August 2007), wenn ja, warum, wenn nein, wie wird sie auf eine Unter-
suchung hinwirken?

18. Hält die Bundesregierung angesichts der Engagements von WestLB und
SachsenLB eine Prüfung der Risikopositionen von Landesbanken im Be-
reich der Spezialanleihen durch Bundesbank oder Bafin für notwendig, und
wie begründet sie dies?

19. Wie rechtfertigt sich nach Einschätzung der Bundesregierung die Tatsache,
dass die Risikoabschirmung über 3,5 Mrd. Euro zu 70 Prozent von der KfW
getragen wird und die KfW zudem alleine dem Fonds Rhineland Funding
eine Liquiditätslinie in Höhe von 8,1 Mrd. Euro bereitstellt, während die
Privatbanken über den Einlagensicherungsfonds lediglich 15 Prozent der
Risikoabschirmung übernehmen?

20. Würde die Satzung des Einlagensicherungsfonds nach Ansicht der Bundes-
regierung auch eine höhere Beteiligung der Privatbanken an der Rettungs-
aktion legitimieren, „um Beeinträchtigungen des Vertrauens in die privaten
Kreditinstitute zu verhüten“, und wie begründet die Bundesregierung dies?

21. Wie rechtfertigt es sich nach Einschätzung der Bundesregierung, dass bei
der „Konzertierten Aktion“ zur Rettung der IKB, an deren Konzeption der
Bundesminister der Finanzen Peer Steinbrück beteiligt war (FAZ, 7. August
2007), die Sparkassen und genossenschaftlichen Banken zur Übernahme
von 15 Prozent der Risikoabschirmung über insgesamt 3,5 Mrd. Euro be-
wegt wurden, angesichts der Tatsache, dass es sich bei der IKB um eine Pri-
vatbank handelt?

22. Welchen Beitrag leisten nach dem Informationsstand der Bundesregierung
die direkten IKB-Anteilseigner (ohne KfW) für die Sanierung der Bank,
und wie ist dies in den Augen der Bundesregierung zu rechtfertigen?

23. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die IKB-Krise zeigt, dass
Zweckgesellschaften von Banken genutzt werden können, Erfordernisse
der Eigenkapitalunterlegung zu umgehen und Risiken bilanztechnisch zu
verschleiern, und wie begründet sie ihre Ansicht?

24. Welche gesetzlichen Änderungen strebt die Bundesregierung im Zusam-
menhang mit der Bilanzierung und Regulierung von Zweckgesellschaften
an?

25. Wie bewertet die Bundesregierung den bestehenden rechtlichen Rahmen
für Sonderprüfungen im Bankensektor im Licht der Tatsache, dass auch
zwei diesjährige Sonderprüfungen in der IKB, eine durch die KPMG und
eine durch den Prüfungsverband deutscher Banken, keine besonderen Risi-
ken bei der IKB zum Vorschein brachten?

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26. Welche Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der Sonderprüfungen
strebt die Bundesregierung innerhalb der laufenden Legislaturperiode an,
und wie begründet sie dies?

27. Wurde nach Einschätzung der Bundesregierung durch die Kreditzusage der
IKB an den Fonds Rhineland in Höhe von 8,1 Mrd. Euro und durch die
Übernahme dieser Zusage durch die KfW die sogenannte Großkreditregel
verletzt, nach der eine einzelne Kreditzusage maximal 20 Prozent der
Eigenmittel ausmachen darf, und wie begründet die Bundesregierung ihre
Position?

28. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf, ein Unterlaufen der Groß-
kreditregel durch Aufspaltung in Teilbeträge zu verhindern, wie begründet
sie dies, und welche konkreten Maßnahmen plant sie?

29. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf, ein Unterlaufen von Eigen-
kapitalunterlegungspflichten bei Kreditzusagen dadurch zu verhindern,
dass sie auch für kurzfristige Kreditzusagen eingeführt werden, wie begrün-
det sie dies, und welche konkreten Maßnahmen plant sie?

30. Ist die Aussage der Bundesregierung, durch die Rettungsaktion bei der IKB
werde der Steuerzahler nicht belastet (SZ, 2. August 2007), so zu verstehen,
dass zwischen Bundesvermögen und Steuereinnahmen nach ihrer Ansicht
kein Zusammenhang besteht, und wie erklärt die Bundesregierung diese
Einschätzung?

Berlin, den 16. August 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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