BT-Drucksache 16/5964

Verbesserung der Menschenrechte und Pressefreiheit in Aserbaidschan einfordern

Vom 4. Juli 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5964
16. Wahlperiode 04. 07. 2007

Antrag
der Abgeordneten Markus Löning, Michael Link (Heilbronn), Florian Toncar,
Hellmut Königshaus, Dr. Werner Hoyer, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe
Barth, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen,
Ulrike Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund
Peter Geisen, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-
Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Michael Kauch,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle
Laurischk, Harald Leibrecht, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Horst
Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Cornelia Pieper, Jörg Rohde, Frank Schäffler,
Marina Schuster, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Christoph Waitz, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Verbesserung der Menschenrechte und Pressefreiheit in Aserbaidschan
einfordern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Aserbaidschan gehört zu den wichtigsten Partnern der Europäischen Union im
Südkaukasus und ist in die EU-Nachbarschaftspolitik einbezogen. In den letz-
ten Jahren durchlief die Wirtschaft des Landes eine dynamische Entwicklung.
Das Wirtschaftswachstum von 35 Prozent im Jahr 2006 basiert aber fast aus-
schließlich auf Erdgas- und Erdölverkäufen des Landes. Allein aus diesem
Wirtschaftszweig rechnet das Land in den nächsten 20 bis 30 Jahren mit Ein-
nahmen von rund 200 Mrd. US-Dollar. Auch Deutschland unterhält wichtige
wirtschaftliche Beziehungen zu Aserbaidschan. Im Jahr 2006 überstieg das
Handelsvolumen erstmals die Grenze von 1 Mrd. Euro.

Neben seiner wirtschaftlichen Bedeutung als Öl- und Gaslieferant sowie als
Transitland von potenziellen Energielieferungen aus Zentralasien für Europa
hat das Land auch geopolitisch und kulturell eine wichtige Funktion. Mit Außen-
grenzen zur Türkei, Iran und Russland könnte das Land mit hauptsächlich mus-
limischer Bevölkerung auch eine wichtige kulturelle Brückenfunktion ausüben
und ein wichtiger Verbündeter im Kampf gegen Terror und organisierte Krimi-

nalität sein.

Die positive Entwicklung im Handelsbereich darf nicht darüber hinwegtäu-
schen, dass es im Land weiterhin große Probleme in den Bereichen des rechts-
staatlichen Handelns, der Eigentumsrechte, der Investitionssicherheit sowie der
Korruption gibt. Ein Ergebnis hiervon ist, dass die gestiegenen Einnahmen der
letzten Jahre nur in geringem Maße der Bevölkerung zugute kommen. Zugleich

Drucksache 16/5964 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

stehen diese Probleme einer weiteren wirtschaftlichen Vertiefung der Bezie-
hungen im Weg. Nutznießer der gegenwärtigen Situation sind hauptsächlich die
autokratischen und korrupten Eliten im Lande. Im Rahmen der Kaukasusinitia-
tive des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung erhält das Land etwa 15 Mio. Euro, im Rahmen der europäischen Nach-
barschaftspolitik bis 2010 etwa 92 Mio. Euro Entwicklungshilfe mit dem Ziel
der Stärkung von Good Governance. Die Verwendung der Gelder ist durch
einen intransparenten Staatshaushalt jedoch nur bedingt kontrollierbar. Oftmals
werden extern finanzierte Projekte im Lande als Prestigeobjekte der Regierung
dargestellt. Somit verfehlen die Maßnahmen der EU und auch bilaterale Pro-
jekte oftmals einen Teil ihrer beabsichtigten Wirkung im Lande.

Trotz der positiven wirtschaftlichen Entwicklung Aserbaidschans haben sich
insbesondere die politische Situation und die Lage der Menschenrechte ver-
schlechtert. Präsident Ilham Alijew, Sohn des früheren Machthabers Geidar
Alijew, nutzt die wachsende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes, um
das bestehende System von Korruption und politischer und wirtschaftlicher
Repression weiter auszubauen.

Bereits bei den Parlamentswahlen 2005 wurden Medienvertreter verprügelt,
mit Anklagen übersäht und ohne Verhandlungen inhaftiert. Versammlungen
wurden verboten oder gewaltsam unterdrückt. Oppositionsführer wurden ver-
haftet, Menschenrechtsaktivisten mit Gewalt und anderen Repressalien bedroht
und in ihrer Reisefreiheit eingeschränkt.

Seitdem hat sich die Lage weiter verschlechtert. Seit Januar 2007 dürfen aser-
baidschanische Radiostationen keine Sendungen von VOA (Voice of America),
BBC oder RFE (Radio Free Europe) in ihre Übertragungen einbauen. Die unab-
hängige Zeitung „Reales Aserbaidschan“ wurde geschlossen und ihr Chef-
redakteur verhaftet. Die Arbeit von inländischen und ausländischen Nichtregie-
rungsorganisationen wird erheblich behindert.

Die Regierung plant, Aserbaidschanern die Teilnahme an Veranstaltungen zu
verbieten, an denen auch Armenier teilnehmen. Bemühungen um eine fried-
liche Lösung des Berg-Karabach-Konfliktes und um eine Annäherung der Ge-
sellschaften würden damit weiter erschwert.

Die Situation im Bereich der Menschenrechte ist besorgniserregend. Hinzu
kommt, dass Aserbaidschan unverhohlen seinem Nachbarland Armenien mit
einer kriegerischen Lösung des Berg-Karabach-Konfliktes droht. Die Einnah-
men aus Öl und Gas werden zu einem erheblichen Teil für die Aufrüstung der
Armee verwendet. Selbst beim Besuch des aserbaidschanischen Präsidenten bei
der deutschen Ratspräsidentschaft im Februar 2007 in Berlin wurden solche
Drohungen wiederholt ausgesprochen.

Aserbaidschan ist Mitglied im Europarat sowie Unterzeichner der europäischen
Menschenrechtskonvention. Damit hat sich das Land zu einer Demokratisie-
rung mit weitreichend wirkenden Menschenrechten verpflichtet.

Ende 2008 muss sich Präsident Ilham Alijew das erste Mal der „Wiederwahl“
stellen. Schon jetzt reagiert das System mit großer Nervosität und Aggressivität
gegenüber der politischen Opposition. Regierungskritischen Journalisten, wie
den Preisträgern des diesjährigen Gerd Bucerius-Förderpreises Freie Presse
Osteuropas, den Organisatoren der Nachrichtenagentur „TURAN, Baku“,
drohen körperliche Angriffe oder dubiose Anklagen zu langen Haftstrafen. Be-
reits am 4. Oktober 2006 wurde der Satiriker und Bruder des Chefredakteurs
der Oppositionszeitung „Azadliq“ Sakit Zahidov wegen angeblichen Drogen-
konsums zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5964

In Kenntnis der spürbaren Verschlechterungen der Situation der Menschen-
rechte in Aserbaidschan ist der Deutsche Bundestag bemüht, die demokra-
tischen Kräfte im Land bei ihren Bemühungen um mehr Demokratie zu unter-
stützen. Ein wichtiges Mittel ist dabei die internationale Beobachtung und
Anprangerung der Situation vor Ort. Neue Medien und die immer weiter ver-
netzte globale Welt helfen dabei, dass autokratische Systeme nicht länger im
Geheimen operieren können.

So wurde dem letzten noch verbliebenen freien Rundfunksender „ANS“ nach
umfangreichen internationalen Protesten die am 24. November 2006 entzogene
Sendeerlaubnis vorerst wieder erteilt. Allerdings behält sich Präsident Ilham
Alijew vor, eine Neuausschreibung der Senderlizenz vorzunehmen.

Internationales Monitoring hilft den demokratischen Kräften aller politischen
Richtungen vor Ort und ist damit ein starkes Werkzeug im Bemühen um die
Stärkung der Menschenrechte.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,

aktiv auf Ebene der Europäischen Union sowie im Europarat

1. sich für die Verbesserung der Menschenrechte, insbesondere der Presse-,
Rede- und Versammlungsfreiheit einzusetzen;

2. auf Aserbaidschan einzuwirken, damit die Prozesse gegen Journalisten,
Menschenrechtsaktivisten und Oppositionspolitiker umgehend eingestellt
werden;

3. sich für die unverzügliche Freilassung aller inhaftierten Journalisten einzu-
setzen;

4. sich dafür einzusetzen, dass die Reisefreiheit von Oppositionellen und
ihren Familienangehörigen umgehend wieder hergestellt wird;

5. sich dafür einzusetzen, dass verübte politische Willkür international be-
kannt gemacht wird;

6. sich dafür einzusetzen, dass Good Governance, insbesondere die Unabhän-
gigkeit der Justiz, zur Voraussetzung für vertiefte politische Beziehungen
erklärt wird;

7. eingehende Asylanträge von verfolgten Journalisten ernsthaft zu prüfen;

8. auf Präsident Ilham Alijew einzuwirken, sich für eine friedliche Lösung
des Berg-Karabach-Konfliktes einzusetzen;

9. sich für die Sicherung von Eigentumsrechten in Aserbaidschan einzuset-
zen;

10. freie und faire Wahlen um das Präsidentschaftsamt zu fordern;

11. die Höhe deutscher und europäischer Entwicklungshilfe an die veränderte
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes anzupassen und das Instru-
ment der Budgethilfe auszuschließen;

12. darauf zu drängen, dass die deutschen politischen Stiftungen in Aserbaid-
schan ihre Arbeit im ganzen Land ohne Behinderungen ausüben können.

Berlin, 3. Juli 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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