BT-Drucksache 16/5910

Ostseekooperation weiter stärke und Chancen nutzen

Vom 4. Juli 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5910
16. Wahlperiode 04. 07. 2007

Antrag
der Abgeordneten Michael Stübgen, Ulrich Adam, Peter Albach, Thomas Bareiß,
Veronika Bellmann, Otto Bernhardt, Carl-Eduard von Bismarck, Antje Blumenthal,
Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Marie-Luise Dött, Anke Eymer (Lübeck),
Dirk Fischer (Hamburg), Ralf Göbel, Michael Grosse-Brömer, Gerda Hasselfeldt,
Ursula Heinen, Michael Hennrich, Ernst Hinsken, Franz-Josef Holzenkamp,
Susanne Jaffke, Bernhard Kaster, Jürgen Klimke, Dr. Rolf Koschorrek, Hartmut
Koschyk, Michael Kretschmer, Gunther Krichbaum, Ingbert Liebing, Eduard
Lintner, Dr. Angela Merkel, Franz Obermeier, Henning Otte, Eckhardt Rehberg,
Dr. Norbert Röttgen, Ingo Schmitt (Berlin), Dr. Andreas Schockenhoff,
Dr. Ole Schröder, Thomas Silberhorn, Gero Storjohann, Lena Strothmann,
Hans Peter Thul, Marcus Weinberg, Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der
Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Kurt Bodewig, Franz Thönnes, Dr. Lale Akgün,
Niels Annen, Doris Barnett, Dr. Hans-Peter Bartels, Klaus Barthel, Uwe Beckmeyer,
Dr. Axel Berg, Ute Berg, Clemens Bollen, Dr. Michael Bürsch, Edelgard Bulmahn,
Christian Carstensen, Martin Dörmann, Garrelt Duin, Hans Eichel, Annette Faße,
Rainer Fornahl, Hans-Joachim Hacker, Bettina Hagedorn, Rolf Hempelmann,
Gabriele Hiller-Ohm, Iris Hoffmann (Wismar), Klaas Hübner, Lothar Ibrügger,
Josip Juratovic, Johannes Kahrs, Christian Kleiminger, Ernst Kranz, Volker
Kröning, Christian Lange (Backnang), Dirk Manzewski, Lothar Mark, Holger Ortel,
Steffen Reiche (Cottbus), Sönke Rix, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Michael Roth
(Heringen), Ortwin Runde, Axel Schäfer (Bochum), Heinz Schmitt (Landau), Olaf
Scholz, Ottmar Schreiner, Dr. Angelica Schwall-Düren, Dr. Martin Schwanholz,
Dr. Rainer Tabillion, Jörn Thießen, Dr. Rainer Wend, Andrea Wicklein, Engelbert
Wistuba, Dr. Wolfgang Wodarg, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

Ostseekooperation weiter stärken und Chancen nutzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
In den beiden zurückliegenden Jahrzehnten sind die Länder um die Ostsee wei-
ter zusammengewachsen. Damit prägen nahezu 20 Jahre erfolgreiche Zusam-
menarbeit das politische und gesellschaftliche Leben in der Ostseeregion. Die
politischen Veränderungen zu Beginn der 90er Jahre haben diesen Prozess er-
möglicht. Er mündete schließlich auch in die EU-Osterweiterung im Mai 2004.
Die Ostsee ist heute ein Meer, das verbindet und nicht mehr trennt. Die Prinzi-
pien einer guten Nachbarschaft werden in einer Vielzahl von Vereinigungen und
Kooperationen von unten her gelebt, sind selbstbestimmt und selbstgestaltet.

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Die Ostseeregion ist heute eine der am stärksten entwickelten und integrierten
Regionen unter den transnationalen großen Regionen Europas. Das bestehende
Netzwerk der unterschiedlichen Akteure ist beispielhaft und einmalig in Europa.
Die Integration der neuen EU-Mitgliedstaaten ist hierdurch erheblich befördert
worden. Mit der EU-Erweiterung 2004 hat sich das Kooperationsfeld erheblich
verändert. Russland, Norwegen und Island sind nunmehr einzige Nicht-EU-
Staaten im Ostseerat.

Der Ostseerat ist mit seinen Treffen der Regierungschefs, den zweijährlichen
Außenministerrunden und den regelmäßigen Zusammenkünften der Fach-
minister das verbindende Gremium auf Regierungsebene. Drei ständige Arbeits-
gruppen der Mitgliedsländer treffen sich regelmäßig. Daneben existieren bis zu
20 weitere Fachgremien verschiedener Ressorts und Behörden. Eine eigene
Arbeitseinheit „Baltic 21“ beschäftigt sich mit dem Thema der nachhaltigen
Entwicklung und des Tourismus in der Region. Eine Task-Force zur Kriminali-
tätsbekämpfung der Innenministerien mit verschiedenen Untergruppen arbeitet
seit 10 Jahren erfolgreich.

Seit 1991 tagt jährlich die Ostseeparlamentarierkonferenz als Zusammenschluss
von nationalen und regionalen Parlamenten mit Vertretern des Europäischen
Parlaments, des Nordischen Rates, der Baltischen Versammlung und der Arkti-
schen Versammlung. Sie besteht aus einem Ständigen sowie einem erweiterten
Ständigen Ausschuss und bildet bei Bedarf spezielle Arbeitsgruppen wie z. B.
aktuell zum Themenkomplex Eutrophierung. Die 16. Ostseeparlamentarierkon-
ferenz wird Ende August 2007 in Berlin stattfinden.

Die Politik der Nördlichen Dimension stützt sich wesentlich auf den Ostseerat
als Impulsgeber und Projektbegleiter. Mit der Nördlichen Dimension wurde ein
Politikrahmen für die Zusammenarbeit der EU mit ihren nördlichen Nachbarn
geschaffen, der auf die Initiative des damaligen finnischen Ministerpräsidenten
Paavo Lipponen zurückgeht. Die Nördliche Dimension ist ein politisches Pro-
gramm und eine Prioritätensetzung zugleich. Nach ihrer Reform erfolgt nun die
finanzielle Förderung ab 2007 durch den Europäischen Fonds für regionale Ent-
wicklung (EFRE), für Projekte innerhalb und mittels des Europäischen Nach-
barschafts- und Partnerschaftsinstrumentes (ENPI) und für Projekte außerhalb
der EU-Grenzen. Die Ende 2006 zwischen der EU, Russland, Norwegen und
Island verabschiedete konkrete Rahmenvereinbarung und Politische Erklärung
zur Nördlichen Dimension sind gute Grundlagen für den Ausbau der engen Zu-
sammenarbeit, die begründet ist in der Orientierung an die vier „Gemeinsamen
Räume“, die bereits ein Jahr zuvor vereinbart wurden. Sie umfassen die Berei-
che Wirtschaft, Inneres, Äußere Sicherheit, Forschung, Bildung und Kultur,
ohne dabei die vorhandenen Felder Umwelt, Soziales und Gesundheit außen vor
zu lassen. Im Rahmen der Umweltpartnerschaft wurde 2001 die Northern
Dimension Environmental Partnership (ENDP) zur Finanzierung von Projekten
aus den Bereichen Umwelt und nukleare Sicherheit in Nordwest-Russland und
Kaliningrad geschaffen. Im nicht nuklearen Bereich wurden bereits zahlreiche
Projekte gestartet. Dazu gehört ein Klärwerk für die Millionenstadt St. Peters-
burg. Beim Nuklear-Fenster ist Schwerpunkt die sichere Lagerung russischer
Atomabfälle aus U-Booten und Eisbrechern.

Die Gesundheitspartnerschaft in der Nördlichen Dimension wurde 2003 ge-
meinsam mit der Gründung der Northern Dimension Partnership in Public
Health and Social Wellbeing (NDHPS) beschlossen. Ziel der Partnerschaft ist
die Bekämpfung infektiöser Krankheiten sowie Gesundheitsprophylaxe, vor
allem im südöstlichen Ostseeraum. Deutschland hat seit Herbst 2005 den Status
eines assoziierten Partners und trägt einen freiwilligen finanziellen Beitrag. Eine
Transport- und Logistikpartnerschaft der Nördlichen Dimension befindet sich

derzeit in der politischen Entwicklung.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5910

Die strategische EU-Russland-Partnerschaft und die Politik der Nördlichen
Dimension stehen vor der Aufgabe, die Region Nordwest-Russland noch stärker
in ihre Aktivitäten einzubeziehen.

Um die Nördliche Dimension auch mit Parlamentariern aus der gesamten nörd-
lichen Region zu begleiten, wird künftig auf Initiative des Europäischen Parla-
ments alle zwei Jahre eine Parlamentarierkonferenz zur Nördlichen Dimension
stattfinden.

Alle Ostseeanrainerstaaten haben mit ihren gemeinsamen Aktivitäten und ge-
stützt auf die Vielzahl der Akteure in erheblichem Umfang dazu beigetragen,
eine gute Position im Wettbewerb der europäischen Regionen um Unterneh-
mensansiedlungen, Arbeitsplätze, Ware und Dienstleistungsströme zu erhalten.

Die Erweiterung der EU 2004 hat die Ostsee fast zu einem EU-Binnenmeer ge-
macht. Diese nordeuropäische Region ist gekennzeichnet von einer hohen Wett-
bewerbsfähigkeit, einem überdurchschnittlichen Qualifikationsniveau und ei-
nem dichten Netz von Universitäten und Forschungseinrichtungen, einer welt-
weit führenden Position in der Nutzung und Anwendung von Informations- und
Kommunikationstechnologien, einer dichten Verflechtung der nationalen Bin-
nenökonomien sowie einem stetig wachsenden Transportaufkommen.

Die an die Ostsee grenzenden EU-Länder umfassen ein Drittel der Bevölkerung
und ebenso ein Drittel des Bruttosozialprodukts der EU. In dem vom Weltwirt-
schaftsforum herausgegebenen „Global Competitiveness Report“ werden die
nordischen Länder Finnland, Schweden, Dänemark und Norwegen seit Jahren
unter den TOP 10 im Ranking der weltweit wettbewerbsfähigsten Länder ge-
führt. Mit Wachstumsraten zwischen 7 und 9 Prozent liegen die neuen EU-Mit-
gliedstaaten Estland, Lettland und Litauen über dem durchschnittlichen Wachs-
tum der EU. Im „European Innovation Scoreboard“ ihres Innovationsrankings
platziert die Europäische Kommission Schweden, Finnland, Dänemark und
Deutschland auf die ersten vier Plätze. Die nordischen Staaten liegen seit ge-
raumer Zeit beim renommierten „Information Society Index“, dem weltweiten
Vergleich der Leistungsfähigkeit im Bereich der Informationsgesellschaft, ganz
vorn. Dänemark und Schweden stehen vor den USA auf den Plätzen 1 und 2.

Der Wettbewerb der Regionen in Europa nimmt zu. Die Herausforderungen in
der Ostseeregion ebenso. Die Menge der zu transportierenden Güter und Waren
nimmt zu. Die Ostsee selbst ist – vor allem von Land aus – zunehmend einer Ver-
schmutzung und Einleitung von Abwässern und Schadstoffen ausgesetzt. Sie
wieder zu reinigen und umfassend zu schützen wird lebenswichtig für alle Ost-
seeanrainerstaaten sein. Die grenzüberschreitenden Arbeitsmärkte der Region
wachsen zusammen. 2011 ist die Niederlassungsfreiheit und Arbeitnehmerfrei-
zügigkeit innerhalb der EU voll erreicht. Bereits heute haben zehntausende von
Beschäftigten einen Arbeitsplatz in einem Nachbarland innerhalb der Ostsee-
region.

Eine sichere und saubere Ostsee, eine ökonomisch starke und innovative Ostsee-
region, stabile Gesellschaften mit sozialer Verantwortung, ein zukunftsträchti-
ges und nachhaltiges Netzwerk der Zusammenarbeit, das sind die Maxime für
eine erfolgreiche Entwicklungsstrategie in der Region. Noch stärker als bisher
wird es notwendig sein, dass die Ostseeregion nach Möglichkeit in Brüssel mit
einer Stimme spricht, um ihre Interessen wirkungsvoll zu vertreten. Dies wird
besonders wichtig bei dem Vorhaben von HELCOM (Helsinki Kommission zum
Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets), mit dem „Baltic Sea Action Plan“
einen eigenen Beitrag zur EU-Meeresschutzstrategie zu gestalten. Um diesen
Herausforderungen gerecht zu werden, ist es erforderlich, dass die acht EU-Mit-
gliedstaaten, die Institutionen der EU und die verschiedenen Organisationen, die
in der Region arbeiten, noch enger miteinander kooperieren. Das schließt den

Ostseerat, die Ostseeparlamentarierkonferenz, die Gremien der regionalen Zu-

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sammenarbeit der Ostseeregion, die Vereinigung der Ostseestädte, die Helsinki-
Kommission und nicht zuletzt den Nordischen Ministerrat mit ein. Hinzu
kommt die Integration in die Nördliche Dimension mit der Einbeziehung der
strategischen EU-Russland-Partnerschaft.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. im Ostseerat darauf hinzuwirken, dass er als aktive Koordinierungsebene den
Ausbau der Ostseekooperation zielstrebig vorantreibt. Dabei sollten verstärkt
die verschiedenen staatlichen und nichtstaatlichen, regionalen und lokalen
Akteure und die bestehenden Netzwerke im Ostseeraum einbezogen werden.
Dazu gehört auch als parlamentarische Ebene die Ostseeparlamentarierkon-
ferenz. Der Ausbau der Ostseekooperation soll ebenso in enger Zusammen-
arbeit und Abstimmung mit der Europäischen Union erfolgen;

2. sich dafür einzusetzen, dass sich die Ostseeregion als eine der attraktivsten
und wettbewerbsfähigsten Regionen der Welt mit einem nachhaltigen Schutz
ihrer Ökosysteme positioniert und dass sich die Ostsee bis zum Jahr 2015
zum saubersten und sichersten Meer Europas entwickelt. Hierfür wird die
Schaffung eines Netzes ökologisch repräsentativer und wertvoller Meeres-
schutzgebiete vorgeschlagen. Ebenso ist ein verstärktes Engagement erfor-
derlich, um die Schadstoff- und Nährstoffeinträge aus Landwirtschaft, Ge-
bietskörperschaften, der Schifffahrt und der Industrie sowie die negativen
Auswirkungen der Überfischung in der Ostseeregion zu reduzieren. Die
HELCOM-Maßnahmen zur Bekämpfung der Eutrophierung sowie der
HELCOM-Ostsee-Aktionsplan sind zu unterstützen;

3. sich dafür einzusetzen, im Ostseeraum eine integrierte und nachhaltige Mee-
respolitik zu entwickeln und weitreichende Zusammenhänge zwischen Be-
reichen wie maritime Wirtschaft, Seeverkehr, Küstenschutz, Offshore-Ener-
gie, Fischerei oder Meeresumwelt herzustellen sowie die Ziele der Lissabon-
Strategie mit den Zielen der sozialen Gerechtigkeit und des Schutzes der Um-
welt zu verbinden und sich im Ostseeraum für faire Wettbewerbsbedingun-
gen in der Seeverkehrs- und Hafenwirtschaft und der Schiffbauindustrie ein-
zusetzen und die Einhaltung internationaler Regeln zum Schutz des geistigen
Eigentums durchzusetzen. Hierin liegen Chancen für ein Wachstum der ma-
ritimen Wirtschaft und neue Beschäftigungsperspektiven;

4. den Vorschlag des Europäischen Parlaments, ein Regionalbüro der Europäi-
schen Investitionsbank (EIB) in der Ostsee-Region zu eröffnen, zu prüfen
und entsprechende Kontakte mit der EIB aufzunehmen;

5. bei den Beratungen in der Internationalen Schifffahrtsorganisationen (IMO)
im Ostsseerat und in der Europäischen Union darauf hinzuwirken, dass es zu
einer koordinierten Vorgehensweise zur Verhinderung von Tanker- und
Schiffsunfällen in der Ostsee kommt und dass im Falle einer Havarie ein ab-
gestimmter Mechanismus zur wirksamen Bekämpfung derartiger Unfälle be-
steht. Dabei sind unter Einbeziehung der Küstenwachen die in der IMO fest-
gelegten Tankerrouten einzuhalten sowie die Einführung einer Lotsenpflicht
für Öltanker und andere Schiffe mit gefährlicher Ladung in der Ostsee zu prü-
fen. Die Einführung einer allgemeinen Lotsenpflicht in engen Schiffspassa-
gen wie Kadetrinne und Öresund ist ebenfalls zu prüfen. Da die Sicherheit
der Seeschifffahrt eine der wichtigsten Aufgaben in der Ostseeregion ist, wird
vorgeschlagen, die gemeinsamen Informations- und Servicenetzwerke für
das Management des Schiffsverkehrs (VTMIS) vom Finnischen Golf auf die
gesamte Ostseeregion auszudehnen. Darüber hinaus sollte die Anwendung
innovativer Navigationstechniken sowie die Unterstützung der Entwicklung
und Einführung des Satellitennavigationssystems Galileo in Verbindung mit

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/5910

dem Beobachtungssystem GMES (Global Monitoring for Environment and
Security) forciert werden. Die Einstufung der Ostsee als „Besonders Emp-
findliches Meeresgebiet“ (PSSA) durch die IMO wird begrüßt, das bereits
vereinbarte Verbot von Öltransporten in Einhüllen-Öltankern sollte strikt
umgesetzt werden;

6. sich für die Schaffung verlässlicher Rahmenbedingungen für die seewärti-
gen Zufahrten und die landseitigen Hinterlandverbindungen der Häfen, die
die Zukunft der Hafenwirtschaft sichern und eine Anpassung an die Erfor-
dernisse der Globalisierung ermöglichen, einzusetzen;

7. die internationalen Bemühungen zur Vermeidung und Reduzierung von
Schiffsemissionen in den Häfen sowie zur Normung von Stromanschlüssen
für die Stromversorgung und die Realisierung der Landstromversorgung in
den Häfen zu unterstützen;

8. mit einer integrierten europäischen Meerespolitik, die Ressourcen der Ost-
see effektiv zu nutzen und zu prüfen, inwieweit ein Handlungsbedarf für die
Gemeinschaft besteht. Unter Berücksichtigung von Subsidiarität und Kom-
petenzverteilung ist eindeutig zu bestimmen, ob ein Tätigwerden auf inter-
nationaler, europäischer, nationaler oder regionaler Ebene notwendig ist,
um die angestrebten Ziele der EU-Meerespolitik zu erreichen. In den meis-
ten Fällen könnte eine Kontrolle der Einhaltung bestehender Vorschriften
die formulierten Ziele erreichen. Dies erfordert ebenfalls eine stärkere Ein-
beziehung von und Abstimmung mit Nicht-EU-Staaten wie z. B. Russland
und Norwegen bei gemeinsamen regionalen Interessen, wie dies etwa in der
HELCOM produktiv zum Ausdruck kommt. Darüber hinaus ist die Prüfung
der Einrichtung einer Task Force Meerespolitik beim Ostseerat zu unter-
stützen;

9. für einen Schutz und eine Aufstockung der Fischbestände in der Ostseere-
gion einzutreten und sich in der Europäischen Union dafür einzusetzen,
einen umfassenden Plan zu erstellen, um die Naturlachsbestände im Wasser-
system der Ostsee wiederherzustellen und zu erhalten. Ebenso sollte das
Prinzip der nachhaltigen Fischerei durch eine aktive Mitarbeit im Ostsee-
Beirat (RAC – Regional Advisory Committee der EU) umgesetzt werden;

10. sich entschieden gegen illegale Fischerei in der Ostsee einzusetzen. Hier ist
eine alle Ostseeanrainer umfassende Kooperation vonnöten, die scharfe
Kontrollen sowie harte Sanktionen beinhaltet und von allen Anrainerstaaten
gleichermaßen praktiziert wird;

11. die Forschung zu invasiven Arten, die die Biodiversität der Ostsee nachhal-
tig beeinträchtigen, zu intensivieren und entsprechende Gegenmaßnahmen
zu ergreifen, da bereits heute Arten wie die in die Ostsee eingewanderte Rip-
penqualle heimische Arten wie den ohnehin dezimierten Ostseedorschbe-
stand stark gefährden;

12. daran mitzuwirken, dass die Möglichkeit eines gemeinsamen Energiemark-
tes geprüft wird, und sich in der Europäischen Union dafür einzusetzen,
gemeinsame Vorhaben für Energieeffizienz und erneuerbare Energiequellen
– unter Berücksichtigung des Potenzials der Region als Quelle von Bioen-
ergie – sowie die Nutzung von Biomasse, Solarenergie, Wind- und Wasser-
energie zu fördern und die Arbeiten im Rahmen der Kooperation im Ener-
giebereich in der Ostseeregion (Baltic Sea Region Energy-Cooperation –
BASREC und Baltic 21) zu unterstützen;

13. zur Steigerung der Energieeffizienz in der Ostseeregion durch neue Strom-
leitungen und Verteiler- und Trafostationen die Übertragungsverluste bei
der Stromverteilung zu reduzieren. Der Deutsche Bundestag begrüßt die

Bemühungen um die Modernisierung der bestehenden Netze und Ausbau

Drucksache 16/5910 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

neuer Übertragungsnetze sowie das Ziel eines Gesamteuropäischen Strom-
netzes innerhalb der EU;

14. im Ostseerat darauf hinzuwirken, dass über Infrastrukturvorhaben in und
auf der Ostsee unter allen Ostseeanrainern in den einschlägigen Gremien
eine gegenseitige Information hinsichtlich möglicher ökonomischer, ökolo-
gischer und sozialer Folgen erfolgt. Die Bundesregierung wird aufgefordert,
weiterhin dafür einzutreten, dass sorgfältige Umweltverträglichkeitsprüfun-
gen im Rahmen eingegangener internationaler Verpflichtungen für alle In-
frastrukturvorhaben in der Ostseeregion vorgenommen werden, und damit
zu gewährleisten, dass internationale Umweltstandards eingehalten werden.
Auf die Russische Föderation ist einzuwirken, dass das Übereinkommen
von Espoo über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreiten-
den Raum ratifiziert wird;

15. gegenüber allen beteiligten Partnern zu betonen, wie wichtig es ist, auf die
international anerkannten Grundsätze im Hinblick auf eine nachhaltige Ent-
wicklung, gute Regierungsführung, Transparenz und Beteiligung, die
Gleichstellung der Geschlechter, Minderheitenrechte und den Schutz der in-
digenen Völker zu achten;

16. sich dafür auf europäischer Ebene und im Ostseerat zu engagieren, dass der
Vorschlag des Europäischen Parlaments zur Errichtung eines Programms
„Grenzenlose Ostsee“ unterstützt wird, mit dem ein reibungsloses Über-
schreiten der Grenzen in der Region möglich werden soll, und dass ebenso
an Erleichterungen des Übergangs an den Grenzen der EU-Mitgliedstaaten
und der Russischen Förderation gearbeitet wird;

17. den Vorschlag des Europäischen Parlaments zu unterstützen, wonach das
Nordische Dreieck der Transeuropäischen Netze auf die gesamte Region
ausgedehnt und die Straßen- und Bahnverbindungen des Barents- und des
Bottnischen Korridors in das TEN-System aufgenommen werden. Gleiches
gilt für die Forderung nach der Realisierung des Rail-Baltica-Projektes so-
wie der Verfolgung nach Einrichtung einer Hochgeschwindigkeits-Zugver-
bindung für die gesamte Region. Auch ist darauf zu achten, dass für die Fer-
tigstellung der Via-Baltica-Autobahn, als vorrangiges Vorhaben, bis zum
Jahr 2013 die Bereitstellung von Gemeinschaftsmitteln sehr wichtig ist. Fer-
ner wird die Bundesregierung aufgefordert, die Weiterführung des Transeu-
ropäischen Netzes über die deutschen Ostseehäfen hinaus nach Skandina-
vien zu unterstützen, um eine effiziente Verbindung von Meer (Mittelmeer)
zu Meer (Ostsee) zu schaffen und damit die deutschen Seehafenhinter-
landanbindungen zu fördern. Auch ist die Fehmarn-Belt-Querung – wie im
Koalitionsvertrag vorgesehen – als internationales PPP-Referenzvorhaben
zu verfolgen;

18. im Rahmen der TEN mit den Motorways of the Sea die umweltfreundlichen
Kurzstreckenseeverkehre auch in der Ostsee zu fördern, da sie vor allem zur
notwendigen Entlastung der überfüllten Straßen beitragen und die Höhe des
Schadstoffausstoßes aller Verkehrsträger verringern. Der Schwerpunkt
sollte dabei nicht nur auf finanziellen Förderungsprogrammen liegen, son-
dern auf allen Maßnahmen, die den Seeverkehr zwischen EU-Häfen im
Wettbewerb mit dem Landverkehr voranbringen;

19. weiterhin die Erforderlichkeit einer echten Zusammenarbeit zwischen dem
Ostseerat, der Europäischen Union, den regionalen Behörden und der Rus-
sischen Föderation hinsichtlich des Status der Oblast Kaliningrad ernst zu
nehmen. Zwei Ziele dabei sollten eine offenere Pilotregion mit verbesser-
tem Zugang zum Binnenmarkt und die Freiheit der Schifffahrt in der ganzen
Ostsee sein;

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20. daran mitzuwirken, dass die Partnerschaft für öffentliche Gesundheit und
soziales Wohlergehen im Rahmen der Nördlichen Dimension (NDPHS) bei
der Bekämpfung weit verbreiteter Krankheiten sowie bei der Unterstützung
und Förderung der Gesundheit praxisnäher sein sollte. Zugleich ist zu prü-
fen, ob der Oblast Kaliningrad mit in die NDPHS einbezogen werden kann;

21. vor dem Hintergrund wachsender Zahlen von Grenzpendlern „Grenzüber-
schreitende Arbeitsmärkte“ zu einem Thema im Ostseerat zu machen und
eine Politik zu unterstützen, die in der Region dazu führt, dass zur Förde-
rung von Mobilität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und zu ihrer
sozialen Sicherheit an stark frequentierten Grenzübergängen für Pendler In-
formations-Zentren eingerichtet werden, die dazu beitragen, dass die Be-
schäftigten in steuer- und sozialrechtlichen Fragen ausführliche Informatio-
nen erhalten. Auch sind die Informationen über die Möglichkeiten der
Beschäftigung und Qualifizierung in einem Nachbarland in der Region zu
verbessern. Grenzüberschreitende Ausbildungsprojekte sollten ebenfalls
unterstützt werden;

22. gemeinsam mit den anderen Mitgliedstaaten des Ostseerates aktiv Pro-
gramme zu unterstützen, deren Ziel die Schaffung neuer Kunst- und Kom-
munikationsformen und die Förderung von multinationalen Austauschpro-
grammen im Kulturbereich ist;

23. im Ostseeraum auf eine gemeinsame Vermarktung und integrierte Konzepte
im Tourismus hinzuwirken. Besondere Entwicklungspotentiale werden im
Kultur-, Städte- und Kreuzfahrttourismus gesehen;

24. die Möglichkeiten einer finanziellen Unterstützung der den Jugendaus-
tausch in der Ostseeregion fördernden Ostseejugendstiftung in Kiel zu prü-
fen und auch bei den anderen Mitgliedstaaten des Ostseerates für eine Prü-
fung der Förderungsmöglichkeiten der Stiftung zu werben;

25. im universitären Bereich eine Politik zu unterstützen, die den Studentenaus-
tausch in der Region fördert und die dazu führt, dass ein virtueller For-
schungs- und Wissenschaftsverbund in der Ostseeregion entsteht und dass
die Universitäten Netzwerke aufbauen und Exzellenz-Zentren schaffen, die
international wettbewerbsfähig sind;

26. im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit auf der Ebene der Europäi-
schen Union und des Ostseerats dafür Sorge zu tragen, dass Menschen- und
Drogenhandel sowie weitere Bereiche der organisierten Kriminalität noch
intensiver als bisher, gerade an der östlichen Grenze der Region, bekämpft
werden. Zugleich werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, ihre Bemühun-
gen gegen terroristische Bedrohungen von See zu intensivieren und mit den
in Punkt 5 genannten Maßnahmen zur Seesicherheit zu verknüpfen.

Berlin, den 4. Juli 2007

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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