BT-Drucksache 16/5754

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/4759- Politische Lösungen sind Voraussetzung für Frieden in Somalia

Vom 20. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5754
16. Wahlperiode 20. 06. 2007

Beschlussempfehlung und Bericht
des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Marieluise Beck (Bremen), Volker
Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/4759 –

Politische Lösungen sind Voraussetzung für Frieden in Somalia

A. Problem

Im Laufe des Jahres 2006 ist die Lage in Somalia wieder auf die Tagesordnung
der internationalen Politik geraten, nachdem zunächst die „Union der Islami-
schen Gerichtshöfe“ das Land weitgehend unter ihre Kontrolle bringen konnte,
bis die militärische Intervention Äthiopiens im Dezember 2006 ihrer Herrschaft
ein Ende bereitete. Die Afrikanische Union beschloss im Januar 2007, eine
Friedensmission (ANISOM) nach Somalia zu entsenden, um ein Sicherheits-
vakuum nach einem Abzug der äthiopischen Truppen zu verhindern und einen
innersomalischen Versöhnungsprozess zu flankieren; der Sicherheitsrat der
Vereinten Nationen hat mit der Resolution 1744 ANISOM ein entsprechendes
Mandat erteilt.

Nach Auffassung der Antragsteller werden jedoch alle Friedensbemühungen
und Versuche zur Wiederherstellung einer somalischen Staatsgewalt nur dann
langfristig wirksam sein, wenn ihnen eine Strategie zugrunde liegt, die sowohl
der inneren Komplexität des Konflikts als auch seinen regionalen Verflechtun-
gen gerecht wird. Sie muss davon ausgehen, dass internationale Versuche, eine
friedliche Entwicklung des Landes zu fördern, nur eine unterstützende Funk-
tion haben können, ein tragfähiger Friedensprozess jedoch nur aus dem Land
selbst kommen kann. Die Antragssteller sehen die Bundesregierung als gegen-
wärtigen Ratsvorsitz der Europäischen Union hier besonders in der Verantwor-
tung, durch geeignete Initiativen und Maßnahmen insbesondere den regionalen
und innersomalischen Dialog zu fördern, für eine adäquate Zusammensetzung
und Ausstattung von ANISOM Sorge zu tragen und auf einen internationalen
Wiederaufbauplan hinzuwirken.
B. Lösung

Annahme des Antrags in geänderter Fassung mit den Stimmen der Frak-
tionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE.

Drucksache 16/5754 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Keine

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5754

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/4759 in folgender Fassung anzunehmen:

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Seit dem Ende der gescheiterten UN-Friedensmission im Jahr 1995 stand
Somalia kaum mehr auf der Agenda der internationalen Politik, sondern galt im
Wesentlichen als Paradebeispiel für Staatsversagen. Im vergangenen Jahr än-
derte sich dies grundlegend, als die Union der Islamischen Gerichtshöfe (UIC)
Somalia, einschließlich der Hauptstadt Mogadischu, weitgehend unter ihre
Kontrolle bringen konnte. Die internationale Politik und Weltöffentlichkeit
schenkten dem Konflikt in dem Staat am Horn von Afrika nunmehr wieder er-
hebliche Aufmerksamkeit, vor allem aufgrund der Befürchtung, hier könne
eine neue Front des internationalen islamistischen Terrorismus entstehen. An-
fang Dezember 2006 machte der UN-Sicherheitsrat mit seiner Resolution 1725
formal den Weg für eine Friedensmission der ostafrikanischen Regionalorgani-
sation „Intergovernmental Authority on Development“ (IGAD) frei. Doch
Äthiopien intervenierte Ende Dezember 2006 unilateral, entsandte Truppen
zum Schutz der somalischen Übergangsregierung und zerschlug die Union der
Islamischen Gerichtshöfe. Um ein Sicherheitsvakuum nach einem Abzug der
äthiopischen Truppen zu verhindern, beschloss der Friedens- und Sicherheitsrat
der Afrikanischen Union (AU) am 19. Januar 2007, AMISOM (Mandat für eine
afrikanische „Friedenstruppe“ für Somalia) als AU-Friedensmission nach So-
malia zu entsenden, deren Mandat der UN-Sicherheitsrat mit seiner Resolution
1744 am 20. Februar 2007 der neuen Situation anpasste. Derzeit laufen Bemü-
hungen, die erforderliche militärische und finanzielle Unterstützung für die
AU-Mission zu erhalten und einen innersomalischen Versöhnungsprozess auf
den Weg zu bringen. Obwohl AMISOM weit davon entfernt ist, seine Soll-
stärke zu erreichen, sind erste Truppen bereits nach Somalia entsandt worden.
Für den 16. April 2007 hatte der somalische Übergangspräsident Abdullahi
Yusuf Ahmed eine zweimonatige Versöhnungskonferenz einberufen, die ver-
schoben wurde und nun voraussichtlich zunächst eintägig am 14. Juni 2007
stattfinden wird. Die somalische Übergangsregierung hatte sich mit einer von
Äthiopien geführten Offensive für eine Politik entschieden, in Mogadischu mit
Gewalt „Ruhe“ zu schaffen. Es kam zu den schwersten Gefechten seit den frü-
hen 90er Jahren. Es gibt kaum einen Zweifel daran, dass dabei durch unter-
schiedslosen Beschuss von Wohnvierteln das humanitäre Völkerrecht verletzt
wurde. Nach UN-Angaben wurden dabei bis zu 400 000 Menschen vertrieben.
Die somalische Übergangsregierung behinderte trotz der katastrophalen Lage
überlebensnotwendige internationale Hilfe für diese Menschen.

Die internationalen Anstrengungen zur Wiederherstellung von Frieden in
Somalia sind zu begrüßen, doch wird laut Beobachtern einigen Aspekten des
Konflikts, insbesondere seinen regionalen Verflechtungsdimensionen bislang
zu wenig Beachtung geschenkt. Alle Friedensbemühungen und Versuche zur
Wiederherstellung der Staatsgewalt werden höchstens kurzfristige Erfolge er-
zielen, wenn nicht auf eine Friedensstrategie hingearbeitet wird, die sowohl der
inneren Komplexität des Konflikts als auch seinen regionalen Verflechtungen
gerecht wird.

Für die Situation in Somalia sind Interessen der Nachbarstaaten und die Instabi-

lität der Region von großer Bedeutung. Eine herausragende Rolle spielen dabei
der äthiopisch-eritreische Konflikt und die Nichtanerkennung der äthiopisch-

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eritreischen Grenze durch Äthiopien. Nach einem äußerst blutigen Grenzkrieg
zwischen Eritrea und Äthiopien haben die Konfliktparteien im Juni 2000 ein
Friedensabkommen in Algerien unterzeichnet. Die Haager Grenzkommission
wurde eingesetzt, deren Grenzziehung im April 2002 unter anderem auch fest-
legte, dass der besonders umstrittene Ort Badme innerhalb Eritreas liegt. Entge-
gen der vorherigen Zusage beider Streitparteien, den Schiedsspruch, wie immer
er ausfallen möge, anzuerkennen, hat Äthiopien dies bisher verweigert, ohne
dass dies für das Land Konsequenzen gehabt hätte. Äthiopien unterstützt die
somalische Übergangsregierung, Eritrea hingegen die UIC. Damit stärken diese
Länder somalische Kontrahenten, weiten ihren eigenen Konflikt auf Stellver-
treter in Somalia aus und geben dem innersomalischen Konflikt weitere Nah-
rung. Während die eritreische Unterstützung für die UIC aus dem Gegensatz zu
Äthiopien heraus zu erklären ist, sieht Äthiopien vor allem seine Sicherheits-
interessen gefährdet: Somalische Rebellengruppen erheben Ansprüche auf den
von ethnischen Somalis bewohnten äthiopischen Ogaden und islamistische
Gruppierungen riefen immer wieder zum „Jihad“ gegen Äthiopien und zur Be-
kämpfung der Übergangsregierung auf. Es waren nicht zuletzt die Drohungen
der UIC, die zur frühzeitigen Stationierung äthiopischer Truppen zum Schutz
der Übergangsregierung führten. Diese Drohungen bilden zusammen mit den
amerikanischen Interessen im Antiterrorkampf auch den Hintergrund von Äthi-
opiens Einmarsch in Somalia im Dezember 2006 und seiner militärischen Zer-
schlagung der UIC. Die völkerrechtliche Legalität des unilateralen Einmar-
sches ist umstritten.

Die insgesamt weitreichenden regionalen Verflechtungen des Konflikts werden
besonders durch die Vielzahl der Staaten deutlich, die in der langen Geschichte
des Somaliakonflikts Vermittlungsversuche unternommen haben. So luden
Ägypten, Äthiopien, Dschibuti, Kenia, Jemen und der Sudan in der Vergangen-
heit zu Gesprächen zwischen den Konfliktparteien ein. Diese Länder verfolgten
dabei verschiedene Ansätze und auch Eigeninteressen, besitzen unterschiedliche
Sympathien für die verschiedenen politischen Akteure in Somalia und haben
teils divergierende Auffassungen bezüglich der Statusfrage für Somaliland, das
1991 seine Unabhängigkeit von Somalia erklärt hat. Daher bedarf es einerseits
Abstimmungsprozessen, um die Positionen im Sinne einer kohärenten interna-
tionalen Haltung einander anzunähern, und zum anderen aktiver Bemühungen,
die gesamte Region des Horns von Afrika zu stabilisieren.

Über die regionalen Verflechtungsdimensionen hinaus spielen im Somaliakon-
flikt internationale Sicherheitsszenarien und Konfliktperzeptionen eine große
Rolle: der Antiterrorkampf, ein erstarkender politischer Islam und islamistischer
Terrorismus sowie die Wahrnehmung von Teilen der muslimischen Welt, gegen-
über dem Westen in die Defensive gedrängt zu sein. Während sich die Über-
gangsregierung Somalias als neue Front im globalen Antiterrorkampf präsen-
tiert, um die Unterstützung westlicher Staaten zu gewinnen, mobilisieren Teile
der islamischen Gerichte Sympathien in der muslimischen Welt, indem sie sich
als Opfer westlicher „Islamophobie“ und äthiopischer Hegemonieansprüche
darstellen. Trotz dieser Gemengelage sollte aber nicht übersehen werden, dass
sich moderate Führer der islamischen Gerichtshöfe intensiv um einen Dialog
auch mit Akteuren außerhalb des arabisch-islamischen Raums bemühten, so
zum Beispiel mit der EU. Die Bundesregierung hat im März 2007 Gespräche
mit Vertretern der UIC im Jemen geführt und sollte diese intensivieren.

Zahlreiche externe Akteure haben auf die Entwicklung Somalias Einfluss ge-
nommen, wobei Staaten des arabisch-islamischen Raums die islamistischen
Kräfte und Staaten der „christlich-westlichen“ Welt die Übergangsregierung
unterstützten. Es wäre jedoch eine unzulässige Vereinfachung, die Beweg-
gründe hierfür auf religiöse Faktoren zurückzuführen, etwa eine innerislami-

sche oder christlich motivierte Solidarität. Vielmehr spielen Eigeninteressen
der betreffenden Staaten eine wesentliche Rolle. Für die Seite der islamischen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/5754

Bewegung haben nach Angaben von UN-Experten von Oktober 2006 Dschi-
buti, Iran, Libyen, Saudi Arabien und Syrien Partei ergriffen und diese unter
Verletzungen des UN-Waffenembargos militärisch aufgerüstet.

Unter den nichtislamischen Staaten ist neben der direkten Beteiligung Äthiopi-
ens das Somalia-Engagement Kenias hervorzuheben. Dort wurden 2004 die
Verhandlungen über die somalische Übergangscharta für Somalia abgeschlos-
sen, auf deren Grundlage die somalische Übergangsregierung entstand. Auch
die USA unterstützen die Übergangsregierung, und sie haben die UIC be-
kämpft. Aktivitäten der von den Vereinigten Staaten finanzierten und ebenfalls
unter Verletzung des UN-Embargos aufgerüsteten somalischen „Allianz für die
Wiederherstellung des Friedens und gegen Terrorismus“ haben allerdings
Kämpfe ausgelöst, die 2006 zum Zusammenbruch dieser Allianz und zum Auf-
stieg der islamischen Gerichte führten. Die Vereinigten Staaten flogen mehr-
fach Luftangriffe auf Ziele in Somalia, wo Terroristen vermutet wurden. Sie
bemühten sich jedoch auch darum, dass die somalische Übergangsregierung
gemäßigte Teile der UIC in den nationalen politischen Dialog einbezieht.

Die Auseinandersetzungen in Somalia im Sinne des Kampfes zwischen der
islamischen und der christlich-westlichen Kultur zu betrachten, ist nicht nur
vereinfachend, sondern auch konfliktverschärfend. Um dem entgegenzuwirken,
bedarf es eines differenzierten Umgangs mit dem politischen Islam in Somalia
und proaktiver Bemühungen, derartigen Wahrnehmungsschemata keine Nah-
rung zu liefern und sie zu durchbrechen. Deshalb sollten Staaten des arabisch-
islamischen Raums angemessen in internationale Bemühungen um die friedli-
che Entwicklung Somalias eingebunden werden. Denn in der Vergangenheit
haben mit Äthiopien, Kenia und den USA Länder mit einer mehrheitlich christ-
lichen Bevölkerung wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung Somalias ge-
nommen.

Alle internationalen Versuche, eine friedliche Entwicklung Somalias zu beför-
dern, können nur eine unterstützende Rolle einnehmen. Ein tragfähiger Frie-
densprozess kann nur von innen kommen. Daher ist es an den Somalis selbst,
eine politische Einigung über eine friedliche Entwicklungsperspektive für ihr
Land zu erzielen. Die von der AU beschlossene Friedensmission AMISOM
kann nur dann erfolgreich sein, wenn alle relevanten politischen Kräfte die
Entsendung der AU-Mission akzeptieren. Auch muss der Dialogprozess in die
Bildung einer Regierung einmünden, die die Wertschätzung aller gesellschaft-
lichen Gruppen und Klans genießt. In die Verhandlungen sind besonders Ver-
treter des Hawiye-Klans angemessen einzubeziehen, die die Übergangsregie-
rung als Interessenvertretung des rivalisierenden Darod-Klans betrachten und
eng mit den islamischen Gerichtshöfen verbunden sind. Darüber hinaus sind
auch Vertreter der islamischen Gerichtshöfe in den Dialog einzubeziehen. Sie
haben sich trotz Fällen von Menschenrechtsverletzungen die Anerkennung
weiter Teile der Bevölkerung erworben, indem sie im letzten Jahr in großen
Teilen des Landes ein Mindestmaß an öffentlicher Sicherheit hergestellt sowie
zur Bereitstellung von sozialen Leistungen beigetragen haben, was auch die
IGAD in ihrem Communiqué vom 2. Dezember 2006 entsprechend würdigt.
Da Vertreter des radikalen Minderheitenflügels der UIC ein hohes Potential ha-
ben, den Dialogprozess zu stören und die politische und die Sicherheitslage
durch bewaffnete Angriffe in Somalia weiter zu verschlechtern, wäre es poli-
tisch unklug, sie von vornherein aus dem Dialogprozess auszuschließen. Dies
würde sie aus der Verantwortung für eine friedliche Lösung entlassen und ihnen
neue Mobilisierungschancen eröffnen, während die moderaten und pragma-
tischen Kräfte der UIC geschwächt würden. Stattdessen sollten Vertreter der
UIC aufgefordert werden, ihre Erklärung einzuhalten und zu erneuern, den Ter-
rorismus zu verurteilen, die territoriale Integrität der Nachbarstaaten zu respek-

tieren und ausländische bewaffnete Gruppen nicht auf somalischem Boden zu
dulden. Vertreter der UIC, die sich dazu bereit zeigen, sollten aus dem nationa-

Drucksache 16/5754 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

len Dialog nicht ausgeschlossen bleiben. Neben der Inklusivität des politischen
Dialogs ist die Handlungsfähigkeit seiner Teilnehmer eine Voraussetzung dafür,
dass der Prozess erfolgreich verlaufen und tragfähige Ergebnisse zeitigen kann.
Doch diese Handlungsfähigkeit ist durch die äthiopische Truppenpräsenz ge-
schwächt. Nicht nur wurde die zentrale Organisationsstruktur der islamischen
Gerichtshöfe zerschlagen, sondern auch die Übergangsregierung hat durch den
äußerst unpopulären Einmarsch massiv an Vertrauen in der Bevölkerung ver-
loren, das ohnehin sehr gering war. Auch die Tatsache, dass die Übergangs-
regierung den Parlamentssprecher entlassen, einen zweimonatigen Ausnahme-
zustand verhängt und die Versöhnungskonferenz nur unter Druck von außen
einberufen hat, lässt Zweifel an ihrer Bereitschaft zu einem echten Dialog auf-
kommen. Auch die schwersten Gefechte in Mogadischu seit Anfang der 90er
Jahre, bei denen die äthiopisch-somalischen Truppen Wohnviertel angriffen, er-
schweren einen tragfähigen Versöhnungsprozess erheblich.

Die Zustimmung aller relevanten politischen Kräfte zur Entsendung der im
Januar dieses Jahres von der AU beschlossenen AMISOM ist auch nach der
erfolgten Stationierung des ugandischen Kontingents eine notwendige Voraus-
setzung dafür, dass diese von der Mehrzahl der politischen Kräfte in Somalia
als Friedenstruppe und nicht als Gegner empfunden werden. Zudem müssen
sich die weithin als Gegner und Besatzer wahrgenommenen äthiopischen Trup-
pen vollständig aus Somalia zurückziehen, damit sich die Feindseligkeit gegen-
über diesen nicht auf AMISOM überträgt und sich die Wahrnehmung der AU-
Friedensmission und der äthiopischen Interventionsarmee nicht vermischen.
Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, läuft AMISOM Gefahr, zu einer
weiteren Konfliktpartei zu werden. Damit würde sie zwischen den somalischen
Kontrahenten aufgerieben und sich in erhöhtem Maße der Gefahr aussetzen,
Zielscheibe von – bereits begonnenen – Anschlägen zu sein. AMISOM kann
Frieden in Somalia nicht militärisch von außen erzwingen.

Unter der Erfolgsvoraussetzung der breiten innersomalischen Akzeptanz von
AMISOM ist es von zentraler Bedeutung, dass die Mission ihre Sollstärke
erreicht und eine tragfähige und angemessene Finanzierung und Ausstattung
sichergestellt ist. Nichtafrikanische Staaten sind entsprechend dem „Burundi-
Modell“ aufgerufen, „Patenschaften“ für afrikanische Kontingente zu überneh-
men. Dies könnte auch dazu beitragen, dass die Truppenzusagen von AU-Mit-
gliedstaaten auf die erforderliche Höhe anwachsen. Darüber hinaus sollte die
internationale Gemeinschaft Maßnahmen ergreifen, um das UN-Waffenem-
bargo durchzusetzen. Der Grenzverkehr, einschließlich der Seehandelswege,
muss zu diesem Zweck wirkungsvoll überwacht werden.

Um die somalische Kriegswirtschaft in eine Friedenswirtschaft zu transformie-
ren, gilt es, die weite Verbreitung von Kleinwaffen einzudämmen, die bewaff-
neten Gruppen zu demobilisieren und die Soldaten und Kämpfer wieder in das
zivile Leben einzugliedern. Experten weisen darauf hin, dass dies nur auf frei-
williger Grundlage geschehen kann, denn versuchte man, dies gewaltsam
durchzusetzen, triebe das Land in eine neue Konflikteskalation hinein. Die Be-
reitschaft zur freiwilligen Abgabe von Waffen wird in dem Maße wachsen, wie
sich die Bevölkerung aufgrund der Sicherheitslage nicht mehr auf die Waffen
angewiesen sieht und ökonomische Zukunftsperspektiven für sich erkennt. Da-
her soll die internationale Gemeinschaft im Rahmen eines Wiederaufbauplans
für Somalia Anreize für einen tragfähigen Friedensprozess setzen. In dessen
Mittelpunkt muss die Schaffung von Rahmenbedingungen stehen, die eine Ent-
faltung der somalischen Wirtschaft und des somalischen Handels erlauben.
Dann werden sich die Erfolgschancen der Maßnahmen zur Demobilisierung,
zur Sicherheitssektorreform und zur Reintegration von Soldaten wesentlich
erhöhen. Es ist darauf zu achten, dass der Wiederaufbauplan nicht ein Finanz-

volumen erlangt, das die politischen Kräfte dazu verleitet, ihre Aufmerksam-
keit von der Gestaltung eines Friedens- und Entwicklungsprozesses abzuwen-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/5754

den und ihre Energien auf die Akquise, die Zweckentfremdung oder die Nut-
zung der Mittel zum eigenen Machterhalt zu richten. Strukturen, die anfällig
sind für Korruption und „rent-seeking“, bergen die Gefahr, einer erneuten Kon-
flikteskalation Vorschub zu leisten. Bemerkenswert ist in diesem Zusammen-
hang, dass erfolgreiche Staatsbildungsprozesse in Somalia wie zum Beispiel in
Somaliland und Puntland ohne erhebliche ausländische Unterstützung zustande
gekommen sind.

Eine in den aktuellen Diskussionen häufig übersehene und äußerst diffizile
Facette des Somaliakonflikts ist die Statusfrage der Republik Somaliland, die
am 18. Mai 1991 ihre Unabhängigkeit von Somalia erklärt hat. Somaliland war
als ehemalige britische Kolonie 1960 bereits für kurze Zeit unabhängig. Es hat
dann in der Hoffnung auf ein „Großsomalia“, welches Teile Nordkenias, Fran-
zösisch-Somaliland/Dschibuti und den Ogaden in Äthiopien einschließen
sollte, eine Entscheidung zugunsten eines „einzigen“ Somalias gefasst. Nach
der Unabhängigkeitserklärung von 1991 hat sich in Somaliland eine funktionie-
rende Demokratie entwickelt; von internationalen Beobachtern als frei und fair
bezeichnete Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen sind abge-
halten worden. Der dort herrschende Friede und die Stabilität stehen in starkem
Kontrast vor allem zur Entstaatlichung und Gewalt in Süd- und Zentralsomalia.
Im Dezember 2005 hat der Präsident von Somaliland, Dahir Rayale Kahin,
einen Antrag auf Mitgliedschaft Somalilands bei der Afrikanischen Union
gestellt, worin Somaliland als Territorium innerhalb der kolonialen Grenzen
von Britisch-Somalia definiert ist. Vielerorts wird der Angst Ausdruck verlie-
hen, dass eine Anerkennung Somalilands zu einer weiteren Zersplitterung
Somalias oder gar der AU führen könnte und die „Büchse der Pandora“ öffnen
würde. Eine AU-Erkundungsmission kam hingegen zu dem Ergebnis, dass die
Situation Somalilands im Kontext der ostafrikanischen Geschichte „einmalig
und in der Sache gerechtfertigt“ sei. Die AU hat hierüber nicht entschieden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. aktiv an bereits eingeleiteten Initiativen mitzuwirken, den Konflikt zwischen
Äthiopien und Eritrea einer dauerhaften friedlichen Lösung zuzuführen,
Äthiopien zur Anerkennung der im April 2002 von der internationalen
Grenzkommission festgelegten Grenze zu bewegen und wieder konstruktive
zwischenstaatliche Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu etablieren;

2. auf einen regionalen Dialog zwischen Nachbarstaaten und Regionalmächten
hinzuwirken, in dem die Sicherheitsinteressen aller beteiligten Staaten auf-
gegriffen werden;

3. aktive Beiträge zur Umsetzung des von der EU vorgelegten und auf der EU-
Afrika-Strategie basierenden Konzepts für eine „Regionale politische Part-
nerschaft der EU zur Förderung von Frieden, Sicherheit und Entwicklung
am Horn von Afrika“ vom 20. Oktober 2006 zu leisten;

4. darauf hinzuwirken, dass entsprechend der Forderungen zahlreicher interna-
tionaler Akteure über mehrere Monate hinweg nun endlich ein aufrichtiger,
alle relevanten politischen Kräfte einschließender politischer Dialogprozess
in Gang kommt, auf dessen Basis ein Übereinkommen über die Entsendung
von AMISOM und über die Transformation der Übergangsregierung in eine
wirklich repräsentative und damit auch handlungsfähige Regierung der nati-
onalen Einheit erzielt werden kann. Die Bundesregierung soll sich darum
bemühen, dass ein solcher Prozess von Staaten und internationalen Organi-
sationen moderiert wird, die die Akzeptanz der Verhandlungspartner genie-
ßen. Sie soll dafür Sorge tragen, dass die EU eine internationale Initiative
dafür ergreift, dass der Dialogprozess international aktiv begleitet wird und

für die Verhandlungspartner die erforderlichen Voraussetzungen geschaffen
werden;

Drucksache 16/5754 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

5. dazu beizutragen, dass AMISOM auf Grundlage einer innersomalischen
Akzeptanz der Mission schnell vollständig entsandt werden kann, adäquat
finanziert und ausgerüstet ist und ihrer Zusammensetzung nach als unpar-
teiisch wahrgenommen wird;

6. sich für einen differenzierten Umgang mit dem politischen Islam in Somalia
einzusetzen. Hier soll die Bundesregierung Akzente setzen, indem sie ers-
tens – wie bereits im IGAD-Communiqué vom 2. Dezember 2006 gesche-
hen – international deutlich macht, dass sie jenseits menschenrechtlicher
Bedenken zum einen die Leistungen der UIC im letzten Jahr zur Schaffung
eines Mindestmaßes an öffentlicher Sicherheit sowie zur Bereitstellung von
sozialen Leistungen würdigt und gleichzeitig die UIC zur Erneuerung und
Einhaltung ihrer Erklärung auffordert, den Terrorismus zu verurteilen, die
territoriale Integrität der Nachbarstaaten zu respektieren und ausländische
bewaffnete Gruppen nicht auf somalischem Boden zu dulden. Zweitens soll
sie darauf hinwirken, dass in den innersomalischen politischen Dialogpro-
zess, in dem die Klans eine tragende Rolle spielen werden, auch Vertreter
der UIC, insbesondere ihrer politisch-moderaten Strömung, offensteht, aber
auch radikale Repräsentanten der UIC nicht ausgeschlossen bleiben, wenn
sie sich erneut auf die Zusagen aus dem IGAD-Communiqué verpflichten
und diese konsequent einhalten. Zweitens sollen sie die USA ermutigen, so-
wohl den Weg der Unterstützung eines Dialogs zwischen der Übergangs-
regierung und islamischen Kräften weiterzugehen als auch beim Einsatz der
Mittel zur Bekämpfung des Terrorismus eine sorgfältige Risikoabwägung
vorzunehmen. Unbedachte und übereilte einzelne Antiterrormaßnahmen
können sowohl ungewollte negative Auswirkungen auf den innersoma-
lischen Friedensprozess haben als auch im Ausland Muslime mobilisieren,
an einem „Jihad“ in Somalia teilzunehmen;

7. Initiativen und Maßnahmen zu unterstützen, den Grenzverkehr sowie die
See- und Luftverkehrswege wirkungsvoller zu überwachen, damit das UN-
Waffenembargo nicht unterlaufen wird;

8. die Initiative zur Ausarbeitung eines finanziell angemessen ausgestatteten,
konfliktsensiblen internationalen Wiederaufbauplans zu ergreifen. Darin
müssen geeignete Rahmenbedingungen für das Wirtschafts- und Handels-
leben im Vordergrund stehen. Zudem sollte ein besonderes Augenmerk auf
der Wiederherstellung der zentralen Kontrolle über den Besitz von und den
Handel mit (kleinkalibrigen) Waffen, der Reform des Sicherheitssektors,
die Entwaffnung von Klans und Milizen sowie der Demobilisierung und
Reintegration ehemaliger Soldaten liegen;

9. Somalia in Aussicht zu stellen, es in die Liste der Kooperationsländer für
die deutsche Entwicklungszusammenarbeit aufzunehmen und Verhandlun-
gen über wirtschaftliche, sicherheitspolitische und entwicklungspolitische
Kooperation aufzunehmen, nachdem eine von allen maßgeblichen politi-
schen Kräften getragene Übergangsregierung errichtet ist;

10. darauf hinzuwirken, Gefährdungen für die Stabilität Somalilands abzu-
wenden, die sich aus der aktuellen Situation ergeben könnten. Daher soll
die Bundesregierung sorgfältig prüfen, ob derzeit Initiativen friedenspoli-
tisch sinnvoll sind, die den Klärungsprozess in Bezug auf eine internatio-
nale Anerkennung eines unabhängigen Somalilands fördern sowie die
Übergangsregierung von Präsident Abdullahi Yusuf Ahmed in die Pflicht
nehmen, keine unilateralen Schritte zu unternehmen, die diese Frage be-
treffen und eine Verschlechterung der Sicherheitslage in der Republik So-
maliland provozieren könnten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/5754

Berlin, den 13. Juni 2007

Der Auswärtige Ausschuss

Ruprecht Polenz
Vorsitzender

Anke Eymer (Lübeck)
Berichterstatterin

Dr. Herta Däubler-Gmelin
Berichterstatterin

Marina Schuster
Berichterstatterin

Monika Knoche
Berichterstatterin

Dr. Uschi Eid
Berichterstatterin

höchstens kurzfristige Erfolge erzielen, wenn nicht auf eine

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Seit dem Ende der gescheiterten UN-Friedensmission im
Jahr 1995 stand Somalia kaum mehr auf der Agenda der

Friedensstrategie hingearbeitet wird, die sowohl der inneren
Komplexität des Konflikts als auch seinen regionalen Ver-
flechtungen gerecht wird.

Für die Situation in Somalia sind Interessen der Nachbar-
Drucksache 16/5754 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Anke Eymer (Lübeck), Dr. Herta Däubler-Gmelin,
Marina Schuster, Monika Knoche und Dr. Uschi Eid

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
16/4759 in seiner 91. Sitzung am 29. März 2007 in erster
Lesung beraten und zur federführenden Beratung dem
Auswärtigen Ausschuss, zur Mitberatung dem Verteidi-
gungsausschuss, dem Ausschuss für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe, dem Ausschuss für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung und dem Ausschuss für die
Angelegenheiten der Europäischen Union überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Verteidigungsausschuss hat den Antrag in seiner
50. Sitzung am 13. Juni 2007 beraten und empfiehlt mit den
Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE.
bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP gegen die
Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die
Ablehnung.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
hat den Antrag in geänderter Fassung in seiner 38. Sitzung
am 20. Juni 2007 beraten und empfiehlt mit den Stimmen
der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei
Stimmenthaltung der Fraktion der FDP die Annahme.

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat den Antrag in geänderter Fassung in sei-
ner 41. Sitzung am 20. Juni 2007 beraten und empfiehlt mit
den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. die Annahme.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union hat den Antrag in seiner 35. Sitzung am
13. Juni 2007 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE. bei Stimm-
enthaltung der Fraktion der FDP gegen die Stimmen der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung.

III. Beratung im Auswärtigen Ausschuss

Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag in seiner 43. Sit-
zung am 13. Juni 2007 beraten und empfiehlt vorbehaltlich
der Votierung durch den Ausschuss für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe und den Ausschuss für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimme der Fraktion DIE LINKE. die
Annahme in folgender geänderter Fassung:

änderte sich dies grundlegend, als die Union der Islami-
schen Gerichtshöfe (UIC) Somalia, einschließlich der
Hauptstadt Mogadischu, weitgehend unter ihre Kontrolle
bringen konnte. Die internationale Politik und Weltöffent-
lichkeit schenkten dem Konflikt in dem Staat am Horn von
Afrika nunmehr wieder erhebliche Aufmerksamkeit, vor
allem aufgrund der Befürchtung, hier könne eine neue Front
des internationalen islamistischen Terrorismus entstehen.
Anfang Dezember 2006 machte der UN-Sicherheitsrat mit
seiner Resolution 1725 formal den Weg für eine Friedens-
mission der ostafrikanischen Regionalorganisation „Inter-
governmental Authority on Development“ (IGAD) frei.
Doch Äthiopien intervenierte Ende Dezember 2006 unilate-
ral, entsandte Truppen zum Schutz der somalischen Über-
gangsregierung und zerschlug die Union der Islamischen
Gerichtshöfe. Um ein Sicherheitsvakuum nach einem Ab-
zug der äthiopischen Truppen zu verhindern, beschloss der
Friedens- und Sicherheitsrat der Afrikanischen Union (AU)
am 19. Januar 2007, AMISOM (Mandat für eine afrikani-
sche „Friedenstruppe“ für Somalia) als AU-Friedensmission
nach Somalia zu entsenden, deren Mandat der UN-Sicher-
heitsrat mit seiner Resolution 1744 am 20. Februar 2007 der
neuen Situation anpasste. Derzeit laufen Bemühungen, die
erforderliche militärische und finanzielle Unterstützung für
die AU-Mission zu erhalten und einen innersomalischen
Versöhnungsprozess auf den Weg zu bringen. Obwohl
AMISOM weit davon entfernt ist, seine Sollstärke zu errei-
chen, sind erste Truppen bereits nach Somalia entsandt wor-
den. Für den 16. April 2007 hatte der somalische Über-
gangspräsident Yusuf eine zweimonatige Versöhnungskon-
ferenz einberufen, die verschoben wurde und nun voraus-
sichtlich zunächst eintägig am 14. Juni stattfinden wird. Die
somalische Übergangsregierung hatte sich mit einer von
Äthiopien geführten Offensive für eine Politik entschieden,
in Mogadischu mit Gewalt „Ruhe“ zu schaffen. Es kam zu
den schwersten Gefechten seit den frühen 90er Jahren. Es
gibt kaum einen Zweifel daran, dass dabei durch
unterschiedslosen Beschuss von Wohnvierteln das humani-
täre Völkerrecht verletzt wurde. Nach UN-Angaben wurden
dabei bis zu 400 000 Menschen vertrieben. Die somalische
Übergangsregierung behinderte trotz der katastrophalen
Lage überlebensnotwendige internationale Hilfe für diese
Menschen.

Die internationalen Anstrengungen zur Wiederherstellung
von Frieden in Somalia sind zu begrüßen, doch wird laut
Beobachtern einigen Aspekten des Konflikts, insbesondere
seinen regionalen Verflechtungsdimensionen bislang zu we-
nig Beachtung geschenkt. Alle Friedensbemühungen und
Versuche zur Wiederherstellung der Staatsgewalt werden
internationalen Politik, sondern galt im Wesentlichen als
Paradebeispiel für Staatsversagen. Im vergangenen Jahr

staaten und die Instabilität der Region von großer Bedeu-
tung. Eine herausragende Rolle spielen da bei der äthio-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/5754

pisch-eritreische Konflikt und die Nichtanerkennung der
äthiopisch-eritreischen Grenze durch Äthiopien. Nach einem
äußerst blutigen Grenzkrieg zwischen Eritrea und Äthiopien
haben die Konfliktparteien im Juni 2000 ein Friedensab-
kommen in Algerien unterzeichnet. Die Haager Grenzkom-
mission wurde eingesetzt, deren Grenzziehung im April
2002 unter anderem auch festlegte, dass der besonders um-
strittene Ort Badme innerhalb Eritreas liegt. Entgegen der
vorherigen Zusage beider Streitparteien, den Schiedsspruch,
wie immer er ausfallen möge, anzuerkennen, hat Äthiopien
dies bisher verweigert, ohne dass dies für das Land Konse-
quenzen gehabt hätte. Äthiopien unterstützt die somalische
Übergangsregierung, Eritrea hingegen die UIC. Damit stär-
ken diese Länder somalische Kontrahenten, weiten ihren
eigenen Konflikt auf Stellvertreter in Somalia aus und
geben dem innersomalischen Konflikt weitere Nahrung.
Während die eritreische Unterstützung für die UIC aus dem
Gegensatz zu Äthiopien heraus zu erklären ist, sieht Äthio-
pien vor allem seine Sicherheitsinteressen gefährdet: Soma-
lische Rebellengruppen erheben Ansprüche auf den von
ethnischen Somalis bewohnten äthiopischen Ogaden und
islamistische Gruppierungen riefen immer wieder zum
„Jihad“ gegen Äthiopien und zur Bekämpfung der Über-
gangsregierung auf. Es waren nicht zuletzt die Drohungen
der UIC, die zur frühzeitigen Stationierung äthiopischer
Truppen zum Schutz der Übergangsregierung führten. Diese
Drohungen bilden zusammen mit den amerikanischen Inte-
ressen im Antiterrorkampf auch den Hintergrund von Äthio-
piens Einmarsch in Somalia im Dezember 2006 und seiner
militärischen Zerschlagung der UIC. Die völkerrechtliche
Legalität des unilateralen Einmarsches ist umstritten.

Die insgesamt weitreichenden regionalen Verflechtungen
des Konflikts werden besonders durch die Vielzahl der Staa-
ten deutlich, die in der langen Geschichte des Somaliakon-
flikts Vermittlungsversuche unternommen haben. So luden
Ägypten, Äthiopien, Dschibuti, Kenia, Jemen und der
Sudan in der Vergangenheit zu Gesprächen zwischen den
Konfliktparteien ein. Diese Länder verfolgten dabei ver-
schiedene Ansätze und auch Eigeninteressen, besitzen un-
terschiedliche Sympathien für die verschiedenen politischen
Akteure in Somalia und haben teils divergierende Auffas-
sungen bezüglich der Statusfrage für Somaliland, das 1991
seine Unabhängigkeit von Somalia erklärt hat. Daher bedarf
es einerseits Abstimmungsprozessen, um die Positionen im
Sinne einer kohärenten internationalen Haltung einander an-
zunähern, und zum anderen aktiver Bemühungen, die ge-
samte Region des Horns von Afrika zu stabilisieren.

Über die regionalen Verflechtungsdimensionen hinaus spie-
len im Somaliakonflikt internationale Sicherheitsszenarien
und Konfliktperzeptionen eine große Rolle: der Antiterror-
kampf, ein erstarkender politischer Islam und islamistischer
Terrorismus sowie die Wahrnehmung von Teilen der mus-
limischen Welt, gegenüber dem Westen in die Defensive ge-
drängt zu sein. Während sich die Übergangsregierung So-
malias als neue Front im globalen Antiterrorkampf präsen-
tiert, um die Unterstützung westlicher Staaten zu gewinnen,
mobilisieren Teile der islamischen Gerichte Sympathien in
der muslimischen Welt, indem sie sich als Opfer westlicher
„Islamophobie“ und äthiopischer Hegemonieansprüche dar-
stellen. Trotz dieser Gemengelage sollte aber nicht über-

außerhalb des arabisch-islamischen Raums bemühten, so
zum Beispiel mit der EU. Die Bundesregierung hat im März
2007 Gespräche mit Vertretern der UIC im Jemen geführt
und sollte diese intensivieren.

Zahlreiche externe Akteure haben auf die Entwicklung
Somalias Einfluss genommen, wobei Staaten des arabisch-
islamischen Raums die islamistischen Kräfte und Staaten
der „christlich-westlichen“ Welt die Übergangsregierung
unterstützten. Es wäre jedoch eine unzulässige Verein-
fachung, die Beweggründe hierfür auf religiöse Faktoren
zurückzuführen, etwa eine innerislamische oder christlich
motivierte Solidarität. Vielmehr spielen Eigeninteressen der
betreffenden Staaten eine wesentliche Rolle. Für die Seite
der islamischen Bewegung haben nach Angaben von UN-
Experten von Oktober 2006 Dschibuti, Iran, Libyen, Saudi
Arabien und Syrien Partei ergriffen und diese unter Verlet-
zungen des UN-Waffenembargos militärisch aufgerüstet.

Unter den nichtislamischen Staaten ist neben der direkten
Beteiligung Äthiopiens das Somalia-Engagement Kenias
hervorzuheben. Dort wurden 2004 die Verhandlungen über
die somalische Übergangscharta für Somalia abgeschlossen,
auf deren Grundlage die somalische Übergangsregierung
entstand. Auch die USA unterstützen die Übergangsregie-
rung, und sie haben die UIC bekämpft. Aktivitäten der von
den Vereinigten Staaten finanzierten und ebenfalls unter
Verletzung des UN-Embargos aufgerüsteten somalischen
„Allianz für die Wiederherstellung des Friedens und gegen
Terrorismus“ haben allerdings Kämpfe ausgelöst, die 2006
zum Zusammenbruch dieser Allianz und zum Aufstieg der
islamischen Gerichte führten. Die Vereinigten Staaten flo-
gen mehrfach Luftangriffe auf Ziele in Somalia, wo Terro-
risten vermutet wurden. Sie bemühten sich jedoch auch
darum, dass die somalische Übergangsregierung gemäßigte
Teile der UIC in den nationalen politischen Dialog einbe-
zieht.

Die Auseinandersetzungen in Somalia im Sinne des Kamp-
fes zwischen der islamischen und der christlich-westlichen
Kultur zu betrachten, ist nicht nur vereinfachend, sondern
auch konfliktverschärfend. Um dem entgegenzuwirken, be-
darf es eines differenzierten Umgangs mit dem politischen
Islam in Somalia und proaktiver Bemühungen, derartigen
Wahrnehmungsschemata keine Nahrung zu liefern und sie
zu durchbrechen. Deshalb sollten Staaten des arabisch-isla-
mischen Raums angemessen in internationale Bemühungen
um die friedliche Entwicklung Somalias eingebunden wer-
den. Denn in der Vergangenheit haben mit Äthiopien, Kenia
und den USA Länder mit einer mehrheitlich christlichen
Bevölkerung wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung
Somalias genommen.

Alle internationalen Versuche, eine friedliche Entwicklung
Somalias zu befördern, können nur eine unterstützende
Rolle einnehmen. Ein tragfähiger Friedensprozess kann nur
von innen kommen. Daher ist es an den Somalis selbst, eine
politische Einigung über eine friedliche Entwicklungspers-
pektive für ihr Land zu erzielen. Die von der AU beschlos-
sene Friedensmission AMISOM kann nur dann erfolgreich
sein, wenn alle relevanten politischen Kräfte die Entsen-
dung der AU-Mission akzeptieren. Auch muss der Dialog-
prozess in die Bildung einer Regierung einmünden, die die
sehen werden, dass sich moderate Führer der islamischen
Gerichtshöfe intensiv um einen Dialog auch mit Akteuren

Wertschätzung aller gesellschaftlichen Gruppen und Klans
genießt. In die Verhandlungen sind besonders Vertreter des

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Hawiye-Klans angemessen einzubeziehen, die die Über-
gangsregierung als Interessenvertretung des rivalisierenden
Darod-Klans betrachten und eng mit den islamischen Ge-
richtshöfen verbunden sind. Darüber hinaus sind auch Ver-
treter der islamischen Gerichtshöfe in den Dialog einzube-
ziehen. Sie haben sich trotz Fällen von Menschenrechtsver-
letzungen die Anerkennung weiter Teile der Bevölkerung
erworben, indem sie im letzten Jahr in großen Teilen des
Landes ein Mindestmaß an öffentlicher Sicherheit herge-
stellt sowie zur Bereitstellung von sozialen Leistungen bei-
getragen haben, was auch die IGAD in ihrem Communiqué
vom 2. Dezember 2006 entsprechend würdigt. Da Vertreter
des radikalen Minderheitenflügels der UIC ein hohes Poten-
tial haben, den Dialogprozess zu stören und die politische
und die Sicherheitslage durch bewaffnete Angriffe in Soma-
lia weiter zu verschlechtern, wäre es politisch unklug, sie
von vornherein aus dem Dialogprozess auszuschließen.
Dies würde sie aus der Verantwortung für eine friedliche
Lösung entlassen und ihnen neue Mobilisierungschancen
eröffnen, während die moderaten und pragmatischen Kräfte
der UIC geschwächt würden. Stattdessen sollten Vertreter
der UIC aufgefordert werden, ihre Erklärung einzuhalten
und zu erneuern, den Terrorismus zu verurteilen, die terri-
toriale Integrität der Nachbarstaaten zu respektieren und
ausländische bewaffnete Gruppen nicht auf somalischem
Boden zu dulden. Vertreter der UIC, die sich dazu bereit zei-
gen, sollten aus dem nationalen Dialog nicht ausgeschlossen
bleiben. Neben der Inklusivität des politischen Dialogs ist
die Handlungsfähigkeit seiner Teilnehmer eine Vorausset-
zung dafür, dass der Prozess erfolgreich verlaufen und trag-
fähige Ergebnisse zeitigen kann. Doch diese Handlungs-
fähigkeit ist durch die äthiopische Truppenpräsenz ge-
schwächt. Nicht nur wurde die zentrale Organisationsstruk-
tur der islamischen Gerichtshöfe zerschlagen, sondern auch
die Übergangsregierung hat durch den äußerst unpopulären
Einmarsch massiv an Vertrauen in der Bevölkerung ver-
loren, das ohnehin sehr gering war. Auch die Tatsache, dass
die Übergangsregierung den Parlamentssprecher entlassen,
einen zweimonatigen Ausnahmezustand verhängt und die
Versöhnungskonferenz nur unter Druck von außen einberu-
fen hat, lässt Zweifel an ihrer Bereitschaft zu einem echten
Dialog aufkommen. Auch die schwersten Gefechte in
Mogadischu seit Anfang der 90er Jahre, bei denen die
äthiopisch-somalischen Truppen Wohnviertel angriffen, er-
schweren einen tragfähigen Versöhnungsprozess erheblich.

Die Zustimmung aller relevanten politischen Kräfte zur Ent-
sendung der im Januar dieses Jahres von der AU beschlos-
senen AMISOM ist auch nach der erfolgten Stationierung
des ugandischen Kontingents eine notwendige Vorausset-
zung dafür, dass diese von der Mehrzahl der politischen
Kräfte in Somalia als Friedenstruppe und nicht als Gegner
empfunden werden. Zudem müssen sich die weithin als
Gegner und Besatzer wahrgenommenen äthiopischen Trup-
pen vollständig aus Somalia zurückziehen, damit sich die
Feindseligkeit gegenüber diesen nicht auf AMISOM über-
trägt und sich die Wahrnehmung der AU-Friedensmission
und der äthiopischen Interventionsarmee nicht vermischen.
Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, läuft AMI-
SOM Gefahr, zu einer weiteren Konfliktpartei zu werden.
Damit würde sie zwischen den somalischen Kontrahenten

sein. AMISOM kann Frieden in Somalia nicht militärisch
von außen erzwingen.

Unter der Erfolgsvoraussetzung der breiten innersomali-
schen Akzeptanz von AMISOM ist es von zentraler Bedeu-
tung, dass die Mission ihre Sollstärke erreicht und eine trag-
fähige und angemessene Finanzierung und Ausstattung
sichergestellt ist. Nichtafrikanische Staaten sind entspre-
chend dem „Burundi- Modell“ aufgerufen, „Patenschaften“
für afrikanische Kontingente zu übernehmen. Dies könnte
auch dazu beitragen, dass die Truppenzusagen von AU-Mit-
gliedstaaten auf die erforderliche Höhe anwachsen. Darüber
hinaus sollte die internationale Gemeinschaft Maßnahmen
ergreifen, um das UN-Waffenembargo durchzusetzen. Der
Grenzverkehr, einschließlich der Seehandelswege, muss zu
diesem Zweck wirkungsvoll überwacht werden.

Um die somalische Kriegswirtschaft in eine Friedenswirt-
schaft zu transformieren, gilt es, die weite Verbreitung von
Kleinwaffen einzudämmen, die bewaffneten Gruppen zu
demobilisieren und die Soldaten und Kämpfer wieder in das
zivile Leben einzugliedern. Experten weisen darauf hin,
dass dies nur auf freiwilliger Grundlage geschehen kann,
denn versuchte man, dies gewaltsam durchzusetzen, triebe
das Land in eine neue Konflikteskalation hinein. Die Bereit-
schaft zur freiwilligen Abgabe von Waffen wird in dem
Maße wachsen, wie sich die Bevölkerung aufgrund der
Sicherheitslage nicht mehr auf die Waffen angewiesen sieht
und ökonomische Zukunftsperspektiven für sich erkennt.
Daher soll die internationale Gemeinschaft im Rahmen
eines Wiederaufbauplans für Somalia Anreize für einen
tragfähigen Friedensprozess setzen. In dessen Mittelpunkt
muss die Schaffung von Rahmenbedingungen stehen, die
eine Entfaltung der somalischen Wirtschaft und des somali-
schen Handels erlauben. Dann werden sich die Erfolgschan-
cen der Maßnahmen zur Demobilisierung, zur Sicherheits-
sektorreform und zur Reintegration von Soldaten wesentlich
erhöhen. Es ist darauf zu achten, dass der Wiederaufbauplan
nicht ein Finanzvolumen erlangt, das die politischen Kräfte
dazu verleitet, ihre Aufmerksamkeit von der Gestaltung
eines Friedens- und Entwicklungsprozesses abzuwenden
und ihre Energien auf die Akquise, die Zweckentfremdung
oder die Nutzung der Mittel zum eigenen Machterhalt zu
richten. Strukturen, die anfällig sind für Korruption und
„rent-seeking“, bergen die Gefahr, einer erneuten Konflikt-
eskalation Vorschub zu leisten. Bemerkenswert ist in diesem
Zusammenhang, dass erfolgreiche Staatsbildungsprozesse
in Somalia wie zum Beispiel in Somaliland und Puntland
ohne erhebliche ausländische Unterstützung zustande ge-
kommen sind.

Eine in den aktuellen Diskussionen häufig übersehene und
äußerst diffizile Facette des Somaliakonflikts ist die Status-
frage der Republik Somaliland, die am 18. Mai 1991 ihre
Unabhängigkeit von Somalia erklärt hat. Somaliland war als
ehemalige britische Kolonie 1960 bereits für kurze Zeit
unabhängig. Es hat dann in der Hoffnung auf ein „Groß-
somalia“, welches Teile Nordkenias, Französisch-Somali-
land/Dschibuti und den Ogaden in Äthiopien einschließen
sollte, eine Entscheidung zugunsten eines „einzigen“ Soma-
lias gefasst. Nach der Unabhängigkeitserklärung von 1991
hat sich in Somaliland eine funktionierende Demokratie ent-
aufgerieben und sich in erhöhtem Maße der Gefahr ausset-
zen, Zielscheibe von – bereits begonnenen – Anschlägen zu

wickelt; von internationalen Beobachtern als frei und fair
bezeichnete Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunal-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 13 – Drucksache 16/5754

wahlen sind abgehalten worden. Der dort herrschende
Friede und die Stabilität stehen in starkem Kontrast vor
allem zur Entstaatlichung und Gewalt in Süd- und Zentral-
somalia. Im Dezember 2005 hat der Präsident von Somali-
land, Dahir Rayale Kahin, einen Antrag auf Mitgliedschaft
Somalilands bei der Afrikanischen Union gestellt, worin
Somaliland als Territorium innerhalb der kolonialen Gren-
zen von Britisch-Somalia definiert ist. Vielerorts wird der
Angst Ausdruck verliehen, dass eine Anerkennung Somali-
lands zu einer weiteren Zersplitterung Somalias oder gar der
AU führen könnte und die „Büchse der Pandora“ öffnen
würde. Eine AU-Erkundungsmission kam hingegen zu dem
Ergebnis, dass die Situation Somalilands im Kontext der
ostafrikanischen Geschichte „einmalig und in der Sache ge-
rechtfertigt“ sei. Die AU hat hierüber nicht entschieden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. aktiv an bereits eingeleiteten Initiativen mitzuwirken,
den Konflikt zwischen Äthiopien und Eritrea einer dau-
erhaften friedlichen Lösung zuzuführen, Äthiopien zur
Anerkennung der im April 2002 von der internationalen
Grenzkommission festgelegten Grenze zu bewegen und
wieder konstruktive zwischenstaatliche Beziehungen
zwischen den beiden Ländern zu etablieren;

2. auf einen regionalen Dialog zwischen Nachbarstaaten und
Regionalmächten hinzuwirken, in dem die Sicherheits-
interessen aller beteiligten Staaten aufgegriffen werden;

3. aktive Beiträge zur Umsetzung des von der EU vorge-
legten und auf der EU-Afrika-Strategie basierenden
Konzepts für eine „Regionale politische Partnerschaft
der EU zur Förderung von Frieden, Sicherheit und Ent-
wicklung am Horn von Afrika“ vom 20. Oktober 2006
zu leisten;

4. darauf hinzuwirken, dass entsprechend der Forderungen
zahlreicher internationaler Akteure über mehrere Mo-
nate hinweg nun endlich ein aufrichtiger, alle relevanten
politischen Kräfte einschließender politischer Dialog-
prozess in Gang kommt, auf dessen Basis ein Überein-
kommen über die Entsendung von AMISOM und über
die Transformation der Übergangsregierung in eine
wirklich repräsentative und damit auch handlungsfähige
Regierung der nationalen Einheit erzielt werden kann.
Die Bundesregierung soll sich darum bemühen, dass ein
solcher Prozess von Staaten und internationalen Organi-
sationen moderiert wird, die die Akzeptanz der Verhand-
lungspartner genießen. Sie soll dafür Sorge tragen, dass
die EU eine internationale Initiative dafür ergreift, dass
der Dialogprozess international aktiv begleitet wird und
für die Verhandlungspartner die erforderlichen Voraus-
setzungen geschaffen werden;

5. dazu beizutragen, dass AMISOM auf Grundlage einer
innersomalischen Akzeptanz der Mission schnell voll-
ständig entsandt werden kann, adäquat finanziert und
ausgerüstet ist und ihrer Zusammensetzung nach als un-
parteiisch wahrgenommen wird;

6. sich für einen differenzierten Umgang mit dem politi-
schen Islam in Somalia einzusetzen. Hier soll die Bun-
desregierung Akzente setzen, indem sie erstens – wie

seits menschenrechtlicher Bedenken zum einen die
Leistungen der UIC im letzten Jahr zur Schaffung ei-
nes Mindestmaßes an öffentlicher Sicherheit sowie zur
Bereitstellung von sozialen Leistungen würdigt und
gleichzeitig die UIC zur Erneuerung und Einhaltung
ihrer Erklärung auffordert, den Terrorismus zu verur-
teilen, die territoriale Integrität der Nachbarstaaten zu
respektieren und ausländische bewaffnete Gruppen
nicht auf somalischem Boden zu dulden. Zweitens soll
sie darauf hinwirken, dass in den innersomalischen
politischen Dialogprozess, in dem die Klans eine tra-
gende Rolle spielen werden, auch Vertreter der UIC,
insbesondere ihrer politisch-moderaten Strömung,
offensteht, aber auch radikale Repräsentanten der UIC
nicht ausgeschlossen bleiben, wenn sie sich erneut auf
die Zusagen aus dem IGAD-Communiqué verpflichten
und diese konsequent einhalten. Zweitens soll sie die
USA ermutigen, sowohl den Weg der Unterstützung
eines Dialogs zwischen der Übergangsregierung und
islamischen Kräften weiterzugehen als auch beim Ein-
satz der Mittel zur Bekämpfung des Terrorismus eine
sorgfältige Risikoabwägung vorzunehmen. Unbe-
dachte und übereilte einzelne Antiterrormaßnahmen
können sowohl ungewollte negative Auswirkungen auf
den innersomalischen Friedensprozess haben als auch
im Ausland Muslime mobilisieren, an einem „Jihad“ in
Somalia teilzunehmen;

7. Initiativen und Maßnahmen zu unterstützen, den
Grenzverkehr sowie die See- und Luftverkehrswege
wirkungsvoller zu überwachen, damit das UN-Waffen-
embargo nicht unterlaufen wird;

8. die Initiative zur Ausarbeitung eines finanziell ange-
messen ausgestatteten, konfliktsensiblen internationa-
len Wiederaufbauplans zu ergreifen. Darin müssen ge-
eignete Rahmenbedingungen für das Wirtschafts- und
Handelsleben im Vordergrund stehen. Zudem sollte ein
besonderes Augenmerk auf der Wiederherstellung der
zentralen Kontrolle über den Besitz von und den
Handel mit (kleinkalibrigen) Waffen, der Reform des
Sicherheitssektors, die Entwaffnung von Klans und
Milizen sowie der Demobilisierung und Reintegration
ehemaliger Soldaten liegen;

9. Somalia in Aussicht zu stellen, es in die Liste der Ko-
operationsländer für die deutsche Entwicklungszusam-
menarbeit aufzunehmen und Verhandlungen über wirt-
schaftliche, sicherheitspolitische und entwicklungspoli-
tische Kooperation aufzunehmen, nachdem eine von
allen maßgeblichen politischen Kräften getragene Über-
gangsregierung errichtet ist;

10. darauf hinzuwirken, Gefährdungen für die Stabilität
Somalilands abzuwenden, die sich aus der aktuellen
Situation ergeben könnten. Daher soll die Bundesre-
gierung sorgfältig prüfen, ob derzeit Initiativen frie-
denspolitisch sinnvoll sind, die den Klärungsprozess in
Bezug auf eine internationale Anerkennung eines un-
abhängigen Somalilands fördern sowie die Übergangs-
regierung von Präsident Abdullahi Yusuf Ahmed in die
Pflicht nehmen, keine unilateralen Schritte zu unter-
nehmen, die diese Frage betreffen und eine Ver-
bereits im IGAD-Communiqué vom 2. Dezember 2006
geschehen – international deutlich macht, dass sie jen-

schlechterung der Sicherheitslage in der Republik So-
maliland provozieren könnten.

Drucksache 16/5754 – 14 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Berlin, den 13. Juni 2007

Anke Eymer (Lübeck)
Berichterstatterin

Dr. Herta Däubler-Gmelin
Berichterstatterin

Marina Schuster
Berichterstatterin

Monika Knoche
Berichterstatterin

Dr. Uschi Eid
Berichterstatterin

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