BT-Drucksache 16/556

Erfolgreichen Abschluss der laufenden Doha-Welthandelsrunde bis Ende 2006 sicherstellen

Vom 8. Februar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/556
16. Wahlperiode 08. 02. 2006

Antrag
der Abgeordneten Erich G. Fritz, Laurenz Meyer (Hamm), Dr. Christian Ruck,
Dr. Georg Nüßlein, Ilse Aigner, Veronika Bellmann, Alexander Dobrindt, Axel E.
Fischer (Karlsruhe-Land), Hartwig Fischer (Göttingen), Dr. Michael Fuchs, Norbert
Geis, Dr. Reinhard Göhner, Ernst Hinsken, Robert Hochbaum, Klaus Hofbauer,
Anette Hübinger, Jürgen Klimke, Hartmut Koschyk, Dr. Martina Krogmann,
Andreas G. Lämmel, Wolfgang Meckelburg, Bernward Müller (Gera), Franz
Obermeier, Rita Pawelski, Ulrich Petzold, Dr. Joachim Pfeiffer, Sibylle Pfeiffer,
Ronald Pofalla, Eckhardt Rehberg, Dr. Heinz Riesenhuber, Dr. Norbert Röttgen,
Albert Rupprecht (Weiden), Christian Freiherr von Stetten, Lena Strothmann,
Andrea Astrid Voßhoff, Kai Wegner, Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der
Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Ditmar Staffelt, Dr. Sascha Raabe, Dr. Rainer Wend,
Christian Lange (Backnang), Ludwig Stiegler, Doris Barnett, Klaus Barthel,
Dr. Axel Berg, Ute Berg, Willi Brase, Edelgard Bulmahn, Ulla Burchardt, Martin
Dörmann, Garrelt Duin, Gabriele Groneberg, Rolf Hempelmann, Dr. Bärbel Kofler,
Lothar Mark, Marko Mühlstein, Christel Riemann-Hanewinckel, Walter Riester,
Olaf Scholz, Reinhard Schultz (Everswinkel), Dr. Rainer Tabillion, Jörg Tauss,
Dr. Margrit Wetzel, Andrea Wicklein, Engelbert Wistuba, Dr. Wolfgang Wodarg,
Manfred Zöllmer, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

Erfolgreichen Abschluss der laufenden Doha-Welthandelsrunde bis Ende 2006
sicherstellen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die 6. Ministerkonferenz der WTO (World Trade Organization) konnte am
18. Dezember 2005 in Hongkong mit der Einigung auf einen Text der Minister-
erklärung abgeschlossen und somit ein Scheitern wie in Seattle und Cancun ver-
mieden werden. Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD begrüßen, dass mit der
erzielten Einigung die Chance auf einen erfolgreichen Abschluss der Doha-
Welthandelsrunde gewahrt, der multilaterale Prozess erhalten und damit Scha-

den von der WTO abgewendet worden ist.

Im Ergebnis sind wichtige Schritte zu Gunsten der ärmsten Entwicklungsländer
bei Erleichterungen für den Nord-Süd-Handel und auch den Süd-Süd-Handel er-
zielt worden:

● Der zoll- und quotenfreie Zugang für Least Developed Countries (LDC) zu
den Märkten der Industrieländer,

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● die Vereinbarung, Exportsubventionen der Industrieländer für landwirt-
schaftliche Produkte bis 2013 vollständig abzubauen,

● die Einigung bei TRIPS, nach der Entwicklungsländer erleichterten Zugang
zu Präparaten gegen Massenepidemien, u. a. Aids und Malaria, haben,

● die „aid for trade“-Zusagen und

● der Kompromiss zum Abbau der Baumwollexportsubventionen.

Damit der in Doha 2001 beschlossene und von der Bundesregierung nachdrück-
lich unterstützte Anspruch einer Entwicklungsrunde (Doha Development
Agenda) erreicht werden kann, verbleibt jedoch weiterer erheblicher Regelungs-
bedarf. Darunter fällt der bessere Marktzugang und der Abbau interner handels-
verzerrender Subventionen, über die verabredungsgemäß bis Ende April 2006
entschieden werden soll.

Unbefriedigend bleibt zudem die zu geringe Bewegung im Umweltbereich so-
wie bei der Baumwolle. Zwar werden die diesbezüglichen Exportsubventionen
in 2006 abgebaut und den LDC zoll- und quotenfreier Marktzugang ab Beginn
der Implementierungsperiode gewährt. Gleichwohl konnte im Bereich der han-
delsverzerrenden internen Stützung der Baumwolle keine verbindliche Rege-
lung erreicht werden. Ohne die Klärung dieser Fragen ist ein erfolgreicher Ab-
schluss der WTO-Runde bis Ende 2006 nicht garantiert.

Deutschland hat nicht unwesentlich dazu beigetragen, Handelsverzerrungen auf
den Agrarmärkten durch das Auslaufen der Agrarexportsubventionen zu redu-
zieren. Als Exportnation muss unser Land jedoch insbesondere gegenüber ande-
ren Industrieländern und Schwellenländern weiterhin auf eine Liberalisierung
der Märkte für Industrieprodukte und Dienstleistungen dringen. Gegenüber Ent-
wicklungsländern ist darauf zu achten, dass der jeweilige Entwicklungsstand be-
rücksichtigt und ärmere Entwicklungsländer angemessene Schutzmöglichkeiten
für ihre Ernährungssicherheit und im Aufbau befindliche Dienstleistungs- und
Industriezweige erhalten. Die erstmals erfolgte formelle Festlegung auf eine
Schweizer Zollsenkungsformel bei den Industriezollverhandlungen und die
Festschreibung eines konkreten Zeitplans, für plurilaterale Dienstleistungsver-
handlungen und Ziele zu einzelnen Erbringungsarten werden begrüßt. Sie blei-
ben jedoch ohne konkretere Festlegung zum Thema „besserer Marktzugang für
Industriewaren und Dienstleistungen“ unvollständig und machen eine abschlie-
ßende Zustimmung zu dem Abkommen für Deutschland und die EU-Länder
schwierig. Hier muss in den weiteren Verhandlungen den Interessen der deut-
schen und europäischen Wirtschaft Rechnung getragen werden. Umständliche
und intransparente Zollverfahren stellen bürokratische Barrieren mit erhebli-
chen Folgekosten dar, die die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen emp-
findlich beeinträchtigen können.

Gleichwohl bietet die Einigung in Hongkong eine ausbaufähige Basis für die
weiteren Verhandlungen und den notwendigen Abschluss der Doha-Runde bis
Ende 2006. Weitere Anstrengungen sind erforderlich, um einerseits Handelsver-
zerrungen und Handelsbarrieren vollständig zu beseitigen, andererseits aber
auch der Notwendigkeit eines fairen, auf die Integration der Entwicklungsländer
gerichteten Welthandels, gerecht zu werden. Die Interessen der deutschen Wirt-
schaft im Industriegüter- und Dienstleistungsbereich sollen ebenso erfüllt wer-
den, wie die Erwartungen und Interessen der Entwicklungsländer.

Vor diesem Hintergrund müssen die weiteren Verhandlungen, auch von Seiten
der Bundesregierung, mit höchster Priorität fortgesetzt werden.

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II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich dafür einzusetzen, dass die Interessen Deutschlands, insbesondere beim
Marktzugang für Industrieprodukte und Dienstleistungen nunmehr verstärkt
erörtert werden und in dem Gesamtpaket der Welthandelsrunde angemessen
berücksichtigt werden;

2. sich weiterhin für ein am Anspruch einer Entwicklungsrunde gemessenes
Ergebnis der Doha-Runde einzusetzen, das den Entwicklungsländern neue
Handelspotenziale und substantiell verbesserten Marktzugang eröffnet, um
damit zu nachhaltigem Wachstum und erweiterten Möglichkeiten für die
Bekämpfung von Armut im Sinne der Millenniumsentwicklungsziele bei-
zutragen;

3. sich weiterhin für eine Verbesserung des effektiven Marktzugangs im Be-
reich der Industriegüter (einschließlich der Umweltgüter) und eine ehrgei-
zige, einfache, allgemeine Zollabbauformel (Schweizer Formel) einzuset-
zen, um den Zugang zu den Märkten von anderen Industrieländern und auch
sog. Schwellenländern und fortgeschrittenen Entwicklungsländern zu ver-
bessern und dadurch auch den Süd-Süd-Handel zu fördern;

4. sich dafür einzusetzen, dass die Entwicklungsländer je nach Entwicklungs-
stand angemessene Schutzmöglichkeiten erhalten;

5. sich dafür einzusetzen, die Verhandlungen in dem Verhandlungsbereich
Handelserleichterungen zu intensivieren und ein multilaterales Überein-
kommen in diesem Bereich zu verabschieden, das grundsätzlich auch der
WTO-Streitbeilegung unterliegen sollte;

6. die in Hongkong nicht fortgeschrittenen Verhandlungsbereiche zu Regeln
(insbesondere Freihandelsabkommen, Subventionsabbau im Fischereisek-
tor und Antidumping) anzugehen. Gleichzeitig soll in der Europäischen
Union darauf hingewirkt werden, weiterhin keine Angebote zur Aufnahme
von Verhandlungen in den Bereichen öffentlicher Dienstleistungen und der
Daseinsvorsorge (insbesondere Bildung, Kultur, Gesundheit und Wasser) zu
machen und auch keine zusätzlichen Forderungen in diesen Bereichen an
Drittstaaten zu stellen;

7. sich bei der Abstimmung der EU-Position zu den Dienstleistungsverhand-
lungen im Rahmen der WTO weiterhin für verstärkte Marktöffnung bei
Drittstaaten einzusetzen, um dadurch die Marktchancen für deutsche
Dienstleistungsanbieter auf den Weltmärkten zu verbessern. Insbesondere
müssen dazu auch die Möglichkeiten der in Hongkong vereinbarten pluri-
lateralen Verhandlungen intensiv genutzt werden. Dabei darf die souveräne
Entscheidung der WTO-Mitglieder über Öffnung ihrer Dienstleistungs-
märkte nicht beeinträchtigt werden;

8. die Entscheidung über die Vorlage eines verbesserten Dienstleistungsange-
bots bis 31. Juli 2006 im Hinblick auf die zu erreichenden Verhandlungs-
ziele mit Augenmaß und Umsicht zu treffen. Dies gilt insbesondere für die
noch ausstehende Entscheidung über numerische Obergrenzen für den be-
grenzten, vorübergehenden Aufenthalt von Dienstleistungserbringern im
Inland. Das bestehende Angebot für hochqualifizierte Dienstleistungs-
erbringer in ausgewählten Sektoren stellt die Grundlage der Verhandlungen
dar. Veränderungen müssen eingehend erörtert werden;

9. auch innerhalb der Landwirtschaftsverhandlungen eine angemessene Ba-
lance zu gewährleisten: Parallel zu den Exportsubventionen der EU müssen
sämtliche handelsverzerrenden Exportfördermaßnahmen (Exportkredite,
nicht humanitäre Nahrungsmittelhilfe zum Zwecke der Überschussbeseiti-

gung und staatliche Handelsmonopole) bis zum vereinbarten Datum Ende
2013 vollständig abgeschafft werden;

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10. dafür einzutreten, dass die internen handelsverzerrenden Agrarsubventio-
nen stärker reduziert werden und insbesondere bei den Baumwollsubven-
tionen eine vorgezogene Umsetzung erfolgt;

11. sich dafür einzusetzen, dass der Zugang zu den Agrarmärkten der Industrie-
länder nicht durch übermäßige Ausnahmen für Bereiche geschwächt wird,
die für die Entwicklungsländer von besonderer Bedeutung sind. Die
Bundesregierung soll insbesondere darauf achten, dass der vereinbarte
zoll- und quotenfreie Marktzugang für die am wenigsten entwickelten
Länder (LDC) analog dem EU-Vorbild der „everything-but-arms-Initiative“
100 Prozent der Produkte erfasst;

12. die den ärmsten Entwicklungsländern zugesagte „aid for trade“ konsequent
mit Leben zu füllen und die Handelsinfrastruktur und die Handels- und Ver-
handlungskapazitäten der Entwicklungsländer zu stärken;

13. deutlich zu machen, dass das multilaterale Handelsregime der WTO sowohl
für Industrieländer als auch für Entwicklungsländer große Wohlfahrts-
gewinne ermöglichen kann. Der Trend zum Abschluss von Regionalabkom-
men und bilateralen Freihandelsabkommen darf den multilateralen Ansatz
der WTO nicht gefährden;

14. für Geschlechtergerechtigkeit und geschlechtsspezifische Kohärenz bei in-
ternationalen Verhandlungen einzutreten;

15. sich für die Stärkung der internationalen Umwelt- und Sozialstandards so-
wie des Vorsorgeprinzips und des Verbraucherschutzes einzusetzen und für
die Einhaltung internationaler Abkommen auf diesen Gebieten durch das
WTO-Regime einzutreten;

16. weiterhin für Regelungen in TRIPS-Bestimmungen, die den Zugang zu
lebensnotwendigen Medikamenten und Saatgut in Entwicklungsländern
sicherstellen, einzutreten und diese umzusetzen, sowie die Interessen der
Entwicklungsländer beim Schutz genetischer Ressourcen und der Nutzung
traditionellen Wissens zu wahren;

17. im Dialog mit den Partnern in den Entwicklungsländern auf die herausra-
gende Verpflichtung der dortigen Regierungen für die Armutsbekämpfung
hinzuweisen und deren Eigenverantwortung zur Umsetzung von Maßnah-
men der guten Regierungsführung einzufordern, so dass die erreichten und
vorgesehenen Handelserleichterungen auch bei den Armen ankommen.

Berlin, den 8. Februar 2006

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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