BT-Drucksache 16/548

ERP-Sondervermögen in seiner Vermögenssubstanz erhalten

Vom 7. Februar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/548
16. Wahlperiode 07. 02. 2006

Antrag
der Abgeordneten Hans Josef Fell, Matthias Berninger, Anja Hajduk,
Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

ERP-Sondervermögen in seiner Vermögenssubstanz erhalten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das ERP (European Recovery Program)-Sondervermögen (ERP-SV) hat eine
lange Tradition. Es hat in erheblichem Umfang zum Wiederaufbau Deutsch-
lands nach dem Zweiten Weltkrieg beigetragen und seither wichtige Beiträge zur
Mittelstands- und Innovationsförderung geliefert. Im Laufe der Jahrzehnte hatte
das ERP-Sondervermögen, schon aufgrund seiner Größe immer wieder Begehr-
lichkeiten geweckt.

Der jüngste aus dem Bundesministerium der Finanzen kommende Vorstoß be-
absichtigt zum einen 2 Mrd. Euro aus dem ERP-SV an den Bundeshaushalt
abzuführen sowie das verbleibende Vermögen an die Kreditanstalt für Wieder-
aufbau Bankengruppe (KfW) als Kernkapital zu übertragen, was einer Schen-
kung weitgehend gleich kommt. Die Übertragung an die KfW Bankengruppe
soll es über Effizienzgewinne ermöglichen, den Kapitalverlust an den Bundes-
haushalt auszugleichen. Dies widerspricht dem gesetzlich festgeschriebenen
Substanzerhaltungsgebot.

Aufgrund der parteiübergreifenden Wahrnehmung einer großen Verantwortung
für dieses Vermögen und dessen besondere Rolle konnten in der Vergangenheit
sämtliche Versuche zur Auflösung des ERP-SV abgewehrt werden.

Hilfreich war dabei stets, dass das ERP-Sondervermögen über einen völker-
rechtlichen Vertrag mit den USA abgesichert ist und eine Vertragsänderung nur
mit Zustimmung des US-Kongresses möglich ist, der ursprünglich die Marshall-
plan-Gelder zur Errichtung des Vermögens zur Verfügung gestellt hatte.

In der Anhörung zum ERP-Sondervermögen im Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie des Deutschen Bundestages am 25. Oktober 2004 bestätigten die
rechtswissenschaftlichen Sachverständigen die Rechtsauffassung der USA. Bei
der genannten Anhörung wurden zudem die Pläne zur Kapitalentnahme für den
Bundeshaushalt sowie zur Übertragung der restlichen Mittel an die KfW Ban-
kengruppe sowohl von der Wirtschaft als auch dem Bundesrechnungshof ab-
gelehnt. Die von der KfW Bankengruppe postulierten Effizienzgewinne wurden

sowohl von den Sachverständigen der Wirtschaft, des Bundesrechnungshofes
und der Wirtschaftswissenschaft in Frage gestellt.

Darüber hinaus wiesen die Sachverständigen darauf hin, dass im Falle einer
Übertragung der Mittel als Kernkapital die demokratische Kontrolle und die
Mitbestimmung des Parlaments und des Bundes über das Kapital in Höhe von
12,5 Mrd. Euro weitgehend verloren ginge.

Drucksache 16/548 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Deutsche Bundestag bemängelt im Folgenden, dass eine Übertragung des
ERP-SV auf die KfW Bankengruppe faktisch die parlamentarische Kontrolle
beenden würde, da die KfW Bankengruppe zum Eigentümer des ERP-SV
würde. Dem Vorstand der KfW Bankengruppe würden alle Letztentscheidungs-
rechte über die Verwendung des Vermögens zuwachsen.

Da das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie als Verwalter des
ERP-SV keine originären Verfügungsrechte über das ERP-Eigenkapital mehr
hätte, würden Bundesregierung und Deutscher Bundestag zentrale Elemente
ihrer Gestaltungsmöglichkeit aufgeben.

Die Handlungsfähigkeit der Politik in der Mittelstands- und Innovationspolitik
würde deutlich eingeschränkt. Dabei muss auch bedacht werden, dass die KfW
Bankengruppe als Bank primär an ihrem Betriebsergebnis interessiert sein muss,
wohingegen die Politik übergeordnete politische Interessen bei ihrer Schwer-
punktsetzung berücksichtigen kann. So war es in den letzten Jahren von beson-
derer Bedeutung, dass das ERP-Sondervermögen sich in der Risikokapitalfinan-
zierung engagiert hatte – z. T. auch ohne Beteiligung der KfW Bankengruppe.

Der zuständige ERP-Unterausschuss hatte die Bundesregierung in der letzten
Legislaturperiode darum gebeten, Alternativvorschläge sowohl zur Kapital-
abführung an den Bundeshaushalt als auch zur Übertragung des Restvermögens
an die KfW Bankengruppe zu machen. Dazu gab es im ERP-Unterausschuss die
Überlegung, Kapitalrücklagen in der Bilanz der KfW Bankengruppe – deren
Eigentümer das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist – zur Kompensa-
tion einer Kapitalabführung des ERP-SV an den Bundeshaushalt zu verwenden.
So würde das ERP-SV 2 Mrd. Euro an den Bundeshaushalt übertragen und das
BMF als Kaufpreis für diese 2 Mrd. Euro ihm gehörende KfW-Kapitalrücklagen
an das ERP-SV übertragen. Dies wirft keine Probleme auf, da jeder Gesellschaf-
ter der KfW Bankengruppe frei entscheiden kann, wie er über seine Vermögens-
position an der KfW Bankengruppe verfügt. Sehr ähnliche Transaktionen mit
KfW-Kapitalrücklagen wurden bereits in der Vergangenheit durchgeführt.

Die genannte Kompensation hätte zum einen den Vorteil, dass dem Substanz-
erhaltungsgebot Rechnung getragen würde. Die USA bestehen nach Prüfung der
Rechtslage mittlerweile darauf, dass eine Kongress-Zustimmung bei einer Ver-
mögensentnahme ohne Kompensation erforderlich sei. Zum anderen hätte sich
dadurch eine Diskussion über eine Kapitalübertragung an die KfW Banken-
gruppe erübrigt.

Aufgrund der vorgezogenen Wahlen ebenfalls noch nicht erörtert wurde der Vor-
schlag aus der Reihe der Sachverständigen in der oben genannten Anhörung, die
Effizienzgewinne mit den Mitteln einer Ausschreibung zu optimieren. Der ERP-
Unterausschuss hielt den Vorschlag für erörterungswürdig, schon weil die KfW
Bankengruppe nicht deutlich machen konnte, dass mit einer Kapitalübertragung
an sie automatisch das optimale Ergebnis zu erzielen wäre.

Der ERP-Unterausschuss hatte darüber hinaus im Blick, dass eine alternative
Geldanlage im Gegensatz zu einer Kernkapitalübertragung an die KfW Banken-
gruppe vereinbar wäre mit den Rechten des Parlaments und des Bundesministe-
riums für Wirtschaft und Technologie an dem ERP-SV.

Die häufig in der Öffentlichkeit vertretene These, die KfW Bankengruppe
bräuchte das Kernkapital des ERP-SV, um Platzhaltergeschäfte bei Privatisie-
rungstransaktionen mit Eigenkapital unterlegen zu können, wurde nicht einmal
von der KfW Bankengruppe vertreten und hatte die Bundesregierung selbst in
der letzten Legislaturperiode in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Frak-
tion der CDU/CSU bestritten. Es gibt somit keinen nachvollziehbaren Grund
einer durch das BMF favorisierten Übertragung von Kernkapital an die KfW

Bankengruppe.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/548

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt,

dass die Bundesregierung höhere Effizienzgewinne erzielen sowie die Mittel-
stands- und Innovationsförderung aufrechterhalten will.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● das ERP-Sondervermögen in seiner Vermögenssubstanz voll zu erhalten und
die Aufbringung der 2 Mrd. Euro durch Verkauf von BMF-Rücklagen der
KfW Bankengruppe an das ERP-SV zu prüfen;

● die Rechte des Parlaments am ERP-SV vollständig zu erhalten, wozu unter
anderem der Beschluss des ERP-Wirtschaftsplangesetzes durch das Parla-
ment gehört;

● zum Zwecke der Erzielung höherer Effizienzgewinne die Mittelanlage und
Verwaltung auszuschreiben, um die maximale Effizienz bei vollständig er-
haltener Vermögenssubstanz zu erzielen.

Berlin, den 7. Februar 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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