BT-Drucksache 16/5393

Hungertod eines Hartz-IV-Empfängers und Verantwortung des Gesetzgebers

Vom 21. Mai 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5393
16. Wahlperiode 21. 05. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulrich Maurer, Dr. Lothar Bisky, Dr. Martina Bunge,
Werner Dreibus, Klaus Ernst, Katja Kipping, Elke Reinke, Volker Schneider
(Saarbrücken), Dr. Axel Troost, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Hungertod eines Hartz-IV-Empfängers und Verantwortung des Gesetzgebers

Am 18. April 2007 berichteten die Zeitung „DIE WELT“ und am 19. April 2007
das Magazin „Stern“ über den Tod eines Hartz-IV-Empfängers aus Speyer. Der
20-jährige Arbeitslose wurde am 15. April 2007 verhungert in der Wohnung
seiner Mutter aufgefunden. Als Todesursache des stark abgemagerten Mannes
wurde Herz-Kreislaufversagen festgestellt.

Der Betroffene wurde bis zur Einführung von Hartz-IV vom Sozialamt im
Rahmen des BSHG in einer Rehabilitations-Maßnahme betreut und unterstand
in diesem Rahmen der gesetzlichen Fürsorgepflicht.

Auf Basis der Hartz-IV-Gesetze wurde der als psychisch stark belastet geltende
junge Mann als erwerbsfähig mit Anspruch auf Arbeitslosengeld-2-Bezug ein-
gestuft. Weil er mehrere Arbeitsangebote ausgeschlagen hatte und Vorladungen
seines Fallmanagers nicht gefolgt war, hatte die zuständige Arbeitsgemein-
schaft „Gesellschaft für Arbeitsmarktintegration Vorderpfalz-Ludwigshafen
mbH“ (GfA) seine Leistungen schrittweise und schließlich komplett gestrichen.
Nach Aussagen seiner 48-jährigen Mutter, die sich wegen akuter Mangel-
erscheinungen in ärztlicher Behandlung befand, hatten beide nicht ausreichend
Geld zum Kauf von Lebensmitteln zur Verfügung.

Die GfA gab an, sich um beide Personen sehr bemüht zu haben. Dem Stern-
Bericht zufolge bestanden die Bemühungen im Versand von Schriftstücken.
Trotz Ausbleiben von Reaktionen seien nachfolgend keinerlei weitere Maß-
nahmen ergriffen wurden.

Nach einer Meldung der Agentur ddp, über die die Berliner Zeitung vom
5. Mai 2007 berichtet, hat die Landesregierung von Rheinland-Pfalz eine
Untersuchung über die Frage in Auftrag gegeben, ob im vorliegenden Fall
Lücken in den Verwaltungsabläufen festzustellen waren. Einem ersten Bericht
der zuständigen Ministerin Dreyer für das Landeskabinett zufolge habe in den
Behörden niemand versagt.

In dem Stern-Bericht wird die Vermutung angestellt, dass der Man noch leben
würde, wenn er weiter staatliche Unterstützung in Höhe der früheren Sozial-

hilfe bezogen hätte.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Fall des verstorbenen
Arbeitslosen?

Drucksache 16/5393 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
2. Wie beurteilt die Bundesregierung das Vorgehen der GfA?

3. Aufgrund welcher Bestimmungen wurde der Mann von der GfA als arbeits-
fähig eingestuft?

4. Wie steht die Bundesregierung zu der Einschätzung, dass bei Fortbestand
der früheren BSHG-Regelungen der Betroffene noch am Leben wäre?

5. In welcher Form ist die Bundesregierung aufgrund ihrer grundgesetzlich
gegebenen Zuständigkeit (Artikel 1, Abs. 1 und Artikel 20, Abs. 1 Grund-
gesetz) in dem Fall tätig geworden?

6. Wie kann die Bundesregierung in Anbetracht der konkreten Verantwortung
der Bundesagentur für Arbeit und der Kommune als die beiden gesetz-
lichen Leistungsträger der örtlichen ARGEn ihrem Verfassungsauftrag und
konkret ihrer im SGB II fixierten Rechts- und Fachaufsicht über die
Bundesagentur für Arbeit nachkommen und ist dies im konkreten Fall auch
geschehen?

7. Welche Änderungen in der Hartz-IV-Gesetzgebung hält die Bundesregie-
rung für notwendig, um ähnliche Fälle in Zukunft auszuschließen?

8. Welche konkreten Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen,
damit die offensichtlich vorhandenen Defizite im Bereich Betreuung,
Prävention, Fallmanagement, Einzelfallbehandlung und helfender Fürsorge
beseitigt werden?

9. Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung auf dem Gebiet der
Qualifikation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu ergreifen?

10. Welche Entschädigungsleistungen gegenüber der Mutter hält die Bundes-
regierung für angebracht, und welche Initiativen gedenkt sie zu ergreifen,
damit die Entschädigung stattfindet?

Berlin, den 21. Mai 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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