BT-Drucksache 16/5041

Finanzielle Auswirkungen des Cannabisverbotes

Vom 19. April 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5041
16. Wahlperiode 19. 04. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Monika Knoche, Karin Binder, Dr. Martina Bunge, Inge Höger,
Ulla Jelpke, Katja Kipping, Wolfgang Neskovic, Dr. Ilja Seifert, Jörn Wunderlich
und der Fraktion DIE LINKE.

Finanzielle Auswirkungen des Cannabisverbotes

Cannabis ist die am meisten verbreitete und konsumierte illegale Droge in
Deutschland und Europa. Seit Jahren gibt es eine lebhafte Debatte über den Sta-
tus dieser Droge.

Für eine Bewertung der offiziellen Cannabispolitik sind neben gesundheitlichen
Studien transparente Zahlen über die Ausgaben für die Strafverfolgung – auch
im Vergleich zur medizinischen Behandlung und Prävention – und Minderein-
nahmen von Steuern durch das Cannabisverbot unabdingbar.

Nach einer Untersuchung der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und
Drogensucht (EMCDDA) gibt Deutschland im europäischen Vergleich den
höchsten Anteil seiner Ausgaben im Drogenbereich für die Strafverfolgung aus,
und zwar 84 Prozent. Dagegen werden 16 Prozent für die medizinisch-therapeu-
tische Versorgung von Abhängigen ausgegeben. Zum Vergleich: In Schweden
werden 60 Prozent der Ausgaben im Drogenbereich für die medizinisch-thera-
peutische Versorgung ausgegeben.

Insgesamt beziffert der Bericht die Ausgaben Deutschlands für die Strafverfol-
gung im Drogenbereich in dem Zeitraum von 1990 bis 2000 mit 1,59 Mrd. Euro
jährlich. Damit steht Deutschland bezogen auf die die absoluten Ausgaben als
auch auf die Ausgaben pro Abhängigen im Bereich Strafverfolgung in Europa
auf Platz 1. Der Bericht der EMCDDA kommt dementsprechend zu dem
Schluss, dass in Deutschland im europäischen Vergleich die Betonung auf der
Strafverfolgung liege.

Die Ausgaben der Strafverfolgung im Drogenbereich in Deutschland sind nicht
nach den unterschiedlichen Drogen aufgeschlüsselt. Legt man allerdings inter-
nationale Studien zu Grunde, ist zu vermuten, dass ein großer Teil der diesbe-
züglichen Ausgaben für die Strafverfolgung bei Cannabis ausgegeben wird. So
schätzte eine für das britische Unterhaus erstellte Studie die Kosten für die Straf-
verfolgung bei Cannabis auf 1,35 Mrd. Euro jährlich (2000).

Der Deutsche Hanf Verband (DHV) schätzte 2003 die Kosten der Cannabispro-
hibition in Deutschland auf circa 1 Mrd. Euro. Dabei stützt er sich auf Untersu-

chungen aus dem In- und Ausland und eigene Berechnungen. Allein für das Jahr
2002 wurden laut polizeilicher Kriminalstatistik 140 000 Strafverfahren wegen
Cannabis gezählt.

In diesem Zusammenhang kommt eine Cannabisstudie für das britische Unterhaus
zu dem Schluss, dass das Steuereinkommen des britischen Staates jährlich um

Drucksache 16/5041 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

1 Mrd. Pfund Sterling wachsen würde – sollte Cannabis legalisiert werden und
Cannabisprodukte in der gleichen Höhe besteuert werden wie Tabakprodukte.

Der Deutsche Hanf Verband (DHV) schätzt nach Auswertung verschiedener
Studien, dass eine Cannabislegalisierung zu mindestens 530 Mio. direkten
Steuermehreinnahmen in Deutschland führen würde. Ein Vielfaches davon sei
wahrscheinlich. Weitere finanzielle Einbußen nähme der Staat durch die Ille-
galität des Cannabismarktes hin, weil dadurch tausende potentielle Arbeits-
plätze verhindert würden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Kosten der Cannabisprohibition

a) Wie hoch sind die Gesamtkosten der Cannabisprohibition in Deutschland?

b) Wie hoch sind die Kosten für Behandlung und Prävention im Cannabis-
bereich in Deutschland und wer trägt im Einzelnen diese Kosten?

c) Falls für a und b keine konkreten Zahlen vorliegen: Wie hoch schätzt die
Bundesregierung diese Kosten?

d) Wie hoch sind die Kosten für die Strafverfolgung in Bezug auf Cannabis
(Polizei, Justiz) in Deutschland?

e) Falls für d keine konkreten Zahlen vorliegen: Wie hoch schätzt die Regie-
rung u. a. aufgund der polizeilichen Kriminalstatistik die Kosten?

f) Wie hoch sind die Kosten für die Cannabisprohibition im Bereich des
Zolls in Deutschland?

g) Falls für f keine konkreten Zahlen vorliegen: Wie hoch schätzt die Bun-
desregierung die Kosten?

h) Auf welchen Daten basiert die Untersuchung der EMCDDA bezüglich der
Ausgaben für die Strafverfolgung im Drogenbereich in Deutschland?

i) Lassen sich diese Ausgaben nach verschiedenen Drogen differenzieren,
und wie hoch sind sie jeweils?

j) Wie hoch sind die Ausgaben Deutschlands für die Strafverfolgung und die
medizinisch-therapeutische Betreuung im Drogenbereich insgesamt und
nach Drogen differenziert in den Jahren 2001 bis 2006?

k) Wie beurteilt die Bundesregierung die Einschätzung des Deutschen Hanf
Verbandes, der die Kosten der Cannabisprohibition in Deutschland auf
1 Mrd. Euro schätzt?

l) Wie beurteilt die Bundesregierung die in der Übersicht des DHV genann-
ten Untersuchungen aus dem Ausland?

Inwieweit sind diese auf Deutschland übertragbar?

m)Sind der Bundesregierung weitere internationale Untersuchungen dazu
bekannt, die in der Übersicht des DHV nicht erwähnt werden bzw. die
nach deren Erscheinen 2003 bekannt wurden?

n) Wie wurden die in der Untersuchung der Europäischen Beobachtungsstel-
le für Drogen und Drogensucht genannten 1,59 Mrd. Euro für Drogenpro-
hibition insgesamt in Deutschland berechnet?

Lassen sich daraus Rückschlüsse auf die konkreten Kosten der Canna-
bisprohibition (Polizei, Justiz, Zoll) ziehen?

o) Sind der Bundesregierung weitere Untersuchungen zu Prohibitionskosten

bekannt, die sich auf Deutschland beziehen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5041

p) Auf welche Untersuchungen und Erkenntnisse stützt die Bundesregierung
ihre eigene Einschätzung der Kosten der Cannabisprohibition in Deutsch-
land?

2. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die möglichen Steuereinnahmen bei
einer legalen Organisation des bestehenden Cannabismarktes?

a) Wie beurteilt die Bundesregierung die Einschätzung des Deutschen Hanf
Verbandes, dass mit direkten Verbrauchsteuern auf Cannabis in Deutsch-
land mindestens 530 Mio. Steuereinnahmen – möglicherweise auch mehr –
erzielt würden?

b) Wie beurteilt die Bundesregierung die Studie der Bibliothek des britischen
Unterhauses und die in der Übersicht des Deutschen Hanf Verbandes ge-
nannten Untersuchungen aus dem Ausland?

c) Inwieweit sind diese Untersuchungen auf Deutschland übertragbar?

d) Sind der Bundesregierung weitere Untersuchungen zu diesem Thema be-
kannt, die sich auf Deutschland beziehen?

e) Auf welche Untersuchungen und Erkenntnisse stützt die Bundesregierung
ihre eigene Einschätzung der möglichen Einnahmen direkter Cannabis-
steuern in Deutschland?

3. Wie viele Arbeitsplätze würden nach Meinung der Bundesregierung entste-
hen, wenn der Cannabismarkt in Deutschland legal geregelt würde?

a) Wie beurteilt die Bundesregierung die Einschätzung des Deutschen Hanf
Verbandes, dass bei einer Regulierung des derzeit bestehenden Cannabis-
marktes 13 500 bis 24 000 Arbeitsplätze in Deutschland allein im Einzel-
handel entstehen würden?

b) Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Zahl der möglichen Arbeits-
plätze in der Landwirtschaft/im Gartenbau bei einer Produktion von Can-
nabis in Deutschland ein?

c) Sind der Bundesregierung weitere Untersuchungen dazu bekannt, die sich
auf Deutschland beziehen?

d) Auf welche Untersuchungen und Erkenntnisse stützt die Bundesregierung
ihre eigene Einschätzung der möglichen Arbeitsplätze bei einer Regulie-
rung des Cannabismarktes in Deutschland?

Berlin, den 16. April 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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