BT-Drucksache 16/4981

Resümee und Ausblick nach fünf Jahren Behindertengleichstellungsgesetz

Vom 4. April 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4981
16. Wahlperiode 04. 04. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Klaus Ernst, Karin Binder, Dr. Martina Bunge,
Katja Kipping, Katrin Kunert, Elke Reinke, Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion
DIE LINKE.

Resümee und Ausblick nach fünf Jahren Behindertengleichstellungsgesetz

Am 1. Mai 2002 trat das Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes (BGG)
in Kraft. Benachteiligungsverbot und Schaffung von Barrierefreiheit für Men-
schen mit Körperbehinderung sowie mit Sinnes- oder Lernbehinderung sind
zentrale Elemente dieses Gesetzes – teilweise konkretisiert in Verordnungen
über barrierefreie Dokumente, Informationstechnik und Kommunikation. Im
BGG wird erstmalig eine besondere Diskriminierungssituation für Frauen und
Mädchen mit Behinderungen festgestellt und daraus ein besonderer Förder-
bedarf abgeleitet.

Da Regelungen in den Bereichen Bauwesen und Verkehr der Länderhoheit
unterliegen, waren die Bundesländer aufgefordert, entsprechend dem BGG
eigene Landesgleichstellungsgesetze (LGG) zu verabschieden. Beim BGG han-
delt es sich um kein Sozialrechtsgesetz, sondern um ein Bürgerrechtsgesetz. Zur
besseren Durchsetzung des Anspruchs auf Barrierefreiheit wurde in § 13 BGG
das Verbandsklagerecht geregelt sowie das Instrument der Zielvereinbarung
eingeführt: eine Möglichkeit für anerkannte Behindertenverbände, mit privaten/
gewerblichen Unternehmen Verträge zur Schaffung von Barrierefreiheit zu
schließen. Ein Verband kann allerdings nur auf Feststellung eines Verstoßes und
anschließend auf zukünftige Unterlassung klagen. Die barrierefreie Gestaltung
eines bestehenden Zustandes ist nicht einklagbar. Gemäß dem Zielverein-
barungsregister des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wurden seit
Inkrafttreten des BGG 2002 lediglich zehn Zielvereinbarungen geschlossen. Es
stellt sich daher die Frage der Praxistauglichkeit dieser gesetzlichen Regelun-
gen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welches Resümee zieht die Bundesregierung nach fünf Jahren BGG insbe-
sondere bezüglich des in § 1 formulierten Gesetzesziels sowie der prak-
tischen Umsetzung hinsichtlich von Veränderungen im Bereich der Bundes-
behörden?

2. Wie viele erfolgreiche und wie viele erfolglose Verbandsklagen im Rahmen
des BGG hat es gegeben, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregie-
rung daraus?

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3. Inwiefern wirkt die Bundesregierung auf Abschlüsse von Zielvereinbarun-
gen zwischen Behindertenverbänden und Unternehmen – vor allem solcher
des öffentlichen Eigentums oder die in größerem Umfang mit öffentlichen
Mitteln subventioniert werden – hin, und worin sieht sie die Ursachen für
die geringe Zahl der Abschlüsse?

4. Welche Möglichkeiten zur Durchsetzung ihres Rechts haben Behinderten-
verbände, wenn Zielvereinbarungen seitens der Unternehmen/Betriebe nicht
eingehalten werden?

5. Was hat das BGG nach Einschätzung der Bundesregierung an tatsächlichen
Verbesserungen für Frauen mit Behinderungen gebracht?

6. Welche Gefahr der Aufweichung des BGG sieht die Bundesregierung nach
der Föderalismusreform I durch Übertragung des Gaststättenrechts auf die
Länder sowie durch Wegfall des § 3 des Gemeindeverkehrsfinanzierungs-
gesetzes, da diese Rechtsbereiche im Rahmen der BGG-Gesetzgebung
zugunsten der Schaffung von Barrierefreiheit geändert wurden und nun
obsolet sind?

7. Welche Gefahr der Aufweichung des BGG sieht die Bundesregierung nach
der Föderalismusreform I durch Übertragung des Heimrechts auf die Län-
der?

8. Wie bewertet die Bundesregierung die Ablehnung eines Mitte März in den
hessischen Landtag eingebrachten Antrags, der darauf zielte, die durch das
BGG auf Bundesebene erreichten Standards für Barrierefreiheit in Gaststät-
ten sowie beim öffentlichen Nahverkehr mindestens beizubehalten?

9. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, das BGG durch Inkrafttreten
des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes fortzuschreiben?

Wenn nein, warum nicht?

10. Welche Notwendigkeit sieht die Bundesregierung, das BGG nach der Rati-
fikation der UN-Konvention über die Rechte und den Schutz behinderter
Menschen fortzuschreiben?

11. In welchen Bundesländern gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung noch
kein LGG und woran liegt das ihrer Einschätzung nach?

12. Was plant die Bundesregierung, um Menschen mit Behinderungen tatsäch-
lich größtmögliche Barrierefreiheit und Teilhabe vor allem in den Bundes-
ländern, die nur abgeschwächte Landesgleichstellungsgesetze verabschie-
det haben, zu gewährleisten?

Berlin, den 4. April 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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