BT-Drucksache 16/4735

Rücknahme der Vorbehaltserklärung der Bundesrepublik Deutschland zur Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen

Vom 20. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4735
16. Wahlperiode 20. 03. 2007

Antrag
der Abgeordneten Miriam Gruß, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr
(Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring,
Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth),
Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen),
Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger,
Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Hellmut Königshaus, Gudrun Kopp,
Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht,
Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Link (Heilbronn),
Markus Löning, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Burkhardt Müller-Sönksen,
Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper,
Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Max Stadler,
Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Rücknahme der Vorbehaltserklärung der Bundesrepublik Deutschland zur
Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Am 5. April 1992 trat für die Bundesrepublik Deutschland das „Übereinkom-
men über die Rechte des Kindes“ (VN-Kinderrechtskonvention) vom 20. No-
vember 1989 in Kraft. Mit diesem Übereinkommen über die Rechte des Kin-
des wurden erstmals völkerrechtlich verbindlich politische Bürgerrechte und
soziale Menschenrechte formuliert, die ihren Ausdruck in der Festschreibung
von Mindestanforderungen an die Versorgung, den Schutz und die Betei-
ligung von Kindern am gesellschaftlichen Leben finden.

2. Die Bundesregierung begrüßte bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunde
am 6. März 1992 das Übereinkommen als einen Meilenstein der Entwicklung
des Internationalen Rechts und erklärte, sie werde die Ratifizierung des Über-
einkommens zum Anlass nehmen, Reformen des innerstaatlichen Rechts in
die Wege zu leiten, die dem Geist des Übereinkommens entsprechen und die
sie nach Artikel 3 Abs. 2 des Übereinkommens für geeignet hält, dem Wohl-
ergehen des Kindes zu dienen. Diese bei Hinterlegung der Ratifikationsur-

kunde abgegebene Erklärung enthält ferner Vorbehalte, die sich insbesondere
auf das elterliche Sorgerecht, die Anwaltsvertretung sowie weitere Rechte
von Kindern im Strafverfahren, auf die Altersgrenze bei Soldaten sowie in
Vorbehalt IV auf die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern sowie die
Bedingungen ihres Aufenthalts und Unterschiede zwischen In- und Auslän-
dern beziehen (BGBl. 1992 II, S. 990 ff.). Durch Änderungen im Familien-
recht und im Lichte des Zusatzprotokolls zur VN-Kinderrechtskonvention

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über die Beteiligung von Kindern in bewaffneten Konflikten ist der Vorbehalt
diesbezüglich obsolet geworden. Die Bundesländer waren im Rahmen der
Ratifizierung um Stellungnahmen gebeten worden. Am 2./3. März 2006 ha-
ben die Kultusministerinnen und Kultusminister der Länder das Überein-
kommen gewürdigt und eine entsprechende Erklärung insbesondere mit
Blick auf das Recht auf Bildung verabschiedet.

3. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der FDP im Deutschen
Bundestag (Bundestagsdrucksachen 15/1606 und 15/1819) erklärte die da-
malige Bundesregierung, dass es sich bei der anlässlich der Hinterlegung der
Ratifikationsurkunde abgegebenen Erklärung um eine die VN-Kinderrechts-
konvention interpretierende Erklärung handle, die Fehl- oder Überinterpreta-
tionen der Konvention vermeiden solle. Die Bundesregierung stellte ferner
fest, dass die Auslegung der Kinderrechtskonvention in gleichem Maße gel-
ten würde, wenn die Erklärung nicht abgegeben worden wäre. Dies spreche
aus Sicht der Bundesregierung für eine vollständige Rücknahme der Erklä-
rung. Die Bundesregierung sei ebenso wie der Deutsche Bundestag der Auf-
fassung, dass die Erklärung zurückgenommen werden sollte. Auch stehe das
deutsche Recht in Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen, die
sich für die Bundesrepublik Deutschland aus der VN-Kinderrechtskonven-
tion ergäben, so dass eine Änderung des deutschen Rechts nicht erforderlich
sei. In Anbetracht dieser Rechtslage besteht daher keine Notwendigkeit, län-
ger an der Erklärung festzuhalten (vgl. auch die Anträge der FDP-Bundes-
tagsfraktion, Bundestagsdrucksachen 15/2419 und 15/5868).

4. Der Deutsche Bundestag hatte mit Beschlüssen vom 30. September 1999 an-
lässlich der Aussprache zum 10. Kinder- und Jugendbericht und vom 8. März
2001 (Bundestagsdrucksachen 14/1681 und 14/4884) die Bundesregierung
bereits nachdrücklich zur Rücknahme der Vorbehaltserklärung aufgefordert.
Im „Nationalen Aktionsplan. Für ein kindgerechtes Deutschland 2005–2010“
der Bundesregierung unter Federführung des Bundesministeriums für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend, an dessen Zielen im Koalitionsvertrag
zwischen CDU, CSU und SPD festgehalten wird, wird zur Rücknahme der
Erklärung zur VN-Konvention über die Rechte des Kindes ausgeführt, dass
die Bundesregierung feststellt, dass die seinerzeit im Benehmen mit den Län-
dern gegenüber den Vereinten Nationen abgegebene Erklärung außen-
politisch negativ wirke und die innerstaatliche Diskussion über Kinderrechte
erschwere. Die Bundesregierung setze sich daher weiter bei den Ländern für
die Rücknahme der Erklärung ein und folge damit den Abschließenden Be-
merkungen des Ausschusses der Vereinten Nationen für die Rechte des Kin-
des zum 2. Staatenbericht; der Ausschuss hatte am 30. Januar 2004 als ein
Hauptanliegen Deutschland empfohlen, den Prozess der Rücknahme seiner
Vorbehalte und Erklärungen vor der Vorlage des nächsten Berichtes zu be-
schleunigen und insbesondere seine Anstrengungen, die Länder von einer
derartigen Rücknahme zu überzeugen, zu verstärken. Auch national und in-
ternational tätige Organisationen fordern seit Jahren eine Rücknahme. Die
Kinderkommission hatte sich in der 14. und 15. Wahlperiode intensiv mit der
Problematik befasst und die Bundesregierung ebenfalls zur Rücknahme auf-
gefordert. In dieser Wahlperiode hat sie die Frage erneut aufgegriffen und
beraten. Ihre Position besteht unverändert fort.

5. Die Rücknahme der Vorbehaltserklärung ist nicht nur rechtlich möglich, sie
ist auch politisch geboten. Denn sie ist geeignet, national wie international
bestehende Zweifel am Willen Deutschlands, die VN-Kinderrechtskonven-
tion uneingeschränkt durchzusetzen, auszuräumen. So hat z. B. der VN-Aus-
schuss für die Rechte des Kindes in seinen Schlussbemerkungen zum Erst-
bericht der Bundesregierung 1995 Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit

der Vorbehalte mit der Konvention geäußert. Die Rücknahme der Vorbehalts-
erklärung stellt daher ein dringend notwendiges und überfälliges Signal für

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4735

ein kinderfreundliches Deutschland dar. Sie wird die Position der Bundes-
republik Deutschland in der Frage des internationalen Menschenrechtsschut-
zes stärken und helfen, innerhalb und außerhalb Deutschlands Irritationen zu
vermeiden. Die Rücknahme der Vorbehaltserklärung ist darüber hinaus erfor-
derlich, um anderen Staaten nicht Argumente zu liefern, ihrerseits Vorbehalte
anzubringen. Durch die Rücknahme der Erklärung wird sich zudem der
Dialog mit den Kinderrechtsorganisationen, die die Rücknahme seit langem
fordern, merklich entspannen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

unverzüglich die von der Bundesregierung am 6. März 1992 beim General-
sekretär der Vereinten Nationen hinterlegte Erklärung der Bundesrepublik
Deutschland zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes (VN-Kinder-
rechtskonvention) zurückzunehmen und auf die Länder hinzuwirken, die Vor-
aussetzungen hierfür zu schaffen.

Berlin, den 20. März 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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