BT-Drucksache 16/455

Für eine zügige Zeichnung, Ratifizierung und Umsetzung des Zusatzprotokolls zur Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen

Vom 25. Januar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/455
16. Wahlperiode 25. 01. 2006

Antrag
der Abgeordneten Florian Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen, Dr. Werner Hoyer,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Daniel
Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick
Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Paul K.
Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael
Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan,
Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Michael Kauch, Hellmut
Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz
Lanfermann, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn), Markus
Löning, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Dirk Niebel, Detlef Parr,
Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Konrad Schily,
Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Rainer Stinner, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Für eine zügige Zeichnung, Ratifizierung und Umsetzung des Zusatzprotokolls
zur Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Am 18. Dezember 2002 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen
(VN) ein Zusatzprotokoll zum VN-Übereinkommen gegen Folter und andere
grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom
10. Dezember 1984 (Anti-Folter-Konvention) angenommen. Das Protokoll
liegt seit Anfang 2003 zur Unterzeichnung aus.

Inhalt und Zweck des Zusatzprotokolls ist es, eine präventive Komponente des
internationalen Schutzes vor Folter zu schaffen. Bisher sind in den internationa-
len Menschenrechtskonventionen lediglich nachträgliche Verfahren vorgesehen,
die sich mit bereits zurückliegenden Vorfällen oder Vorwürfen von Menschen-
rechtsverletzungen befassen. Das Zusatzprotokoll zur Anti-Folter-Konvention
hingegen ist darauf ausgerichtet, vorbeugend von vornherein Menschenrechts-
verletzungen an Personen, denen die Freiheit entzogen ist, zu verhindern. Hierzu

wird ein Unterausschuss für Folterprävention als Untergremium des VN-Aus-
schusses gegen Folter eingerichtet werden, der in den Mitgliedstaaten Besuche
vornehmen und Empfehlungen abgeben kann. Darüber hinaus werden die
Mitgliedstaaten verpflichtet, unabhängige, fachkundige und effektiv arbeitende
innerstaatliche Gremien einzurichten oder zu erhalten, die umfassend befugt
sind, Gefängnisse, Abschiebezentren, psychiatrische Anstalten aber auch Alten-
und Pflegeheime oder geschlossene Heime für Kinder und Jugendliche zu

Drucksache 16/455 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

besuchen und mit den verantwortlichen Stellen zu kooperieren. Diese Gremien
werden nach ihren regelmäßigen Besuchen Berichte erstellen und können kon-
krete Empfehlungen und Verbesserungsvorschläge an die zuständigen Behörden
und/oder an den jeweiligen Gesetzgeber richten.

Schon nach der Anti-Folter-Konvention besteht eine Verpflichtung der Mit-
gliedstaaten, aktiv jede Form von Folter in ihrem Verantwortungsbereich zu
unterbinden. Die Staaten trifft somit bereits jetzt die Verantwortung, nicht nur
die Anwendung von Folter als staatliches Mittel zu unterlassen, sondern Folter
umfassend und effektiv zu verhindern. Hierzu gehört neben der Verfolgung und
Bestrafung von Verletzungen – sei es von staatlicher oder von privater Seite –
auch die Vorsorge. Die Mechanismen des Zusatzprotokolls sollen den Staaten
dabei behilflich sein, diesen Verpflichtungen nachzukommen. Darüber hinaus
soll das Zusatzprotokoll mit seinem präventiven Ansatz den bereits bestehen-
den Schutz vor Folter ergänzen und damit die weltweite Ächtung der Folter
voranbringen.

Obwohl die Bundesrepublik Deutschland maßgeblich daran beteiligt war, das
Zusatzprotokoll auszuarbeiten und voranzutreiben, ist das Zusatzprotokoll von
Deutschland bisher noch nicht unterzeichnet worden. Der Grund dieser Zurück-
haltung liegt hauptsächlich in der Frage der Kompetenzverteilung zwischen
Bund und Ländern. Weder auf Bundes- noch auf Landesebene gibt es bereits
Einrichtungen, die den Anforderungen des Zusatzprotokolls genügen würden.
Diese müssten daher erst eingerichtet oder umstrukturiert werden. Jedoch lie-
gen viele der vom Zusatzprotokoll betroffenen menschenrechtssensiblen Berei-
che in der Zuständigkeit der Bundesländer. Für eine Umsetzung des Zusatzpro-
tokolls bedarf es daher zunächst eines Einvernehmens zwischen dem Bund und
den einzelnen Bundesländern. Das Zusatzprotokoll legt fest, dass ein Staat nach
der Ratifizierung ein Jahr Zeit hat, um entsprechende Kontrollinstrumente ein-
zurichten oder existierende, den Anforderungen des Zusatzprotokolls gerecht
werdende Kontrollinstanzen zu benennen.

Die Zögerlichkeit aufgrund angeblicher Probleme bei der konkreten Umset-
zung steht in keinem Verhältnis zu der Gefahr, die ein Hinausschieben der
Unterzeichnung des Protokolls für die Glaubwürdigkeit und die Überzeugungs-
kraft des internationalen Kampfes gegen Folter bedeuten kann. Dies gilt umso
mehr, als das Zusatzprotokoll auf föderale Strukturen, wie sie in der Bundes-
republik Deutschland bestehen, Rücksicht nimmt. Noch immer wird in vielen
Staaten der Welt regelmäßig Folter angewandt und selbst in der Bundesrepublik
Deutschland hat sich jüngst in der Folterdiskussion gezeigt, dass es auch hier
stets sensible Bereiche geben wird. Mit der Unterzeichnung des Zusatzproto-
kolls würde somit ein wichtiges Zeichen gesetzt. Darüber hinaus würde damit
die Entstehung eines neuen internationalen Rechtssatzes befördert. Das Zusatz-
protokoll tritt mit der 20. Ratifizierung in Kraft. Bis zum Januar 2006 haben es
49 Staaten unterzeichnet und 16 Staaten ratifiziert. Eine zügige Ratifizierung
hätte einen weiteren Vorteil. Falls Deutschland es schafft, unter den ersten
20 Staaten zu sein, die das Zusatzprotokoll ratifizieren, könnte es möglicher-
weise einen Vertreter in den so genannten Unterausschuss für Folterprävention
entsenden und so die Arbeit dieses Gremiums mitgestalten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf,

1. aktiv auf die Herstellung eines Einvernehmens mit den Bundesländern mit
dem Ziel einer zügigen Unterzeichnung und Ratifizierung des Zusatz-
protokolls zum VN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, un-
menschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember
1984 hinzuarbeiten;
2. darauf hinzuwirken, dass dem Einvernehmen ein arbeitsfähiges Modell
eines nationalen Präventionsmechanismus zugrunde gelegt wird, das den

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/455

Anforderungen des Zusatzprotokolls im Hinblick auf Unabhängigkeit,
Multidisziplinarität und Pluralität entspricht;

3. nach der erfolgten Unterzeichnung und Ratifizierung des Zusatzprotokolls
die Ausgestaltung der darin beschriebenen Mechanismen auf Bundesebene
voranzutreiben und daran auf Landesebene konstruktiv mitzuwirken;

4. darauf hinzuwirken, dass dabei bestehende unabhängige Kontrollinstitu-
tionen wie Nichtregierungsorganisationen, Berufsverbände, Anstaltsbeiräte
und Patientenfürsprecher einbezogen werden;

5. über den Inhalt, Sinn und Zweck und die genauen Abläufe des Zusatzproto-
kolls bereits jetzt die betroffenen Stellen umfassend aufzuklären, um der
ungerechtfertigten Annahme, damit würde eine unnötige „Behinderung“,
„Kontrolle“ oder „Bürokratisierung“ der Arbeit eintreten, entgegenzuwirken;

6. sich auch auf internationaler Ebene dafür einzusetzen, dass möglichst viele
Staaten das Zusatzprotokoll bald unterzeichnen, ratifizieren und den Anfor-
derungen entsprechend implementieren.

Berlin, den 24. Januar 2006

Florian Toncar
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Werner Hoyer
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Jens Ackermann
Dr. Karl Addicks
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)
Dr. Edmund Peter Geisen
Hans-Michael Goldmann
Miriam Gruß
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Birgit Homburger
Michael Kauch
Hellmut Königshaus

Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Heinz Lanfermann
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Michael Link (Heilbronn)
Markus Löning
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Dirk Niebel
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Jörg Rohde
Frank Schäffler
Dr. Konrad Schily
Marina Schuster
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Rainer Stinner
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Martin Zeil
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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