BT-Drucksache 16/4446

Missbrauch von Elektroschockgeräten verhindern

Vom 28. Februar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4446
16. Wahlperiode 28. 02. 2007

Antrag
der Abgeordneten Elke Hoff, Dr. Werner Hoyer, Florian Toncar, Jens Ackermann,
Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Ernst
Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Otto Fricke,
Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann,
Miriam Gruß, Heinz-Peter Haustein, Birgit Homburger, Michael Kauch, Hellmut
Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann, Sibylle
Laurischk, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Link (Heilbronn),
Markus Löning, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Burkhardt Müller-Sönksen,
Dirk Niebel, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Dr. Konrad Schily, Marina
Schuster, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Christoph Waitz, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido
Westerwelle und der Fraktion der FDP

Missbrauch von Elektroschockgeräten verhindern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Elektroschockgeräte gehören zu den so genannten Dual-use-Gütern. Sie sind
gemäß der EU-Antifolterverordnung (Nr. 1236/2005) als Güter klassifiziert, die
neben legitimen Zwecken, wie dem Selbstschutz oder der Bekämpfung von
Ausschreitungen, „auch zum Zwecke der Folter oder ähnlicher grausamer Be-
handlung verwendet werden können“. Nach Angaben von amnesty international
werden Elektroschockgeräte in mindestens 87 Ländern zur Folter oder auf
andere missbräuchliche Art und Weise eingesetzt. Es besteht also nicht nur die
abstrakte Gefahr des Missbrauchs dieser Güter; ein Missbrauch findet vielmehr
tatsächlich statt. Aus diesem Grunde ist die Ausfuhr von Elektroschockgeräten
seit 1997 unter Genehmigungspflicht des Bundesamtes für Wirtschaft und Aus-
fuhrkontrolle (BAFA) gestellt. Für die Erteilung einer Exportgenehmigung
durch das BAFA ist die Menschenrechtssituation im jeweiligen Empfängerland
ein entscheidendes Beurteilungs- und Genehmigungskriterium.

Die Bundesregierung hat auf parlamentarische Anfrage der Fraktion der FDP er-
klärt, in den Jahren 2001 bis 2006 insgesamt 14 Ausfuhrgenehmigungen für
Elektroschockgeräte erteilt zu haben. Abgelehnt wurde durch das BAFA in den
letzten fünf Jahren kein einziger Exportantrag. Die Bundesrepublik Deutschland

ist EU-weit der größte Händler von Elektroschockgeräten und wird weltweit nur
noch von den USA übertroffen. Vor diesem Hintergrund wecken die Daten der
Bundesregierung die Besorgnis, dass Exportanträge in menschenrechtlich kriti-
sche Regionen erst gar nicht beim BAFA eingereicht werden. Der ungenehmigte
Export von Elektroschockgeräten wird bisher als Ordnungswidrigkeit geahndet.
Exportierende Firmen riskieren im Fall der Entdeckung einer ungenehmigten
Exportsendung lediglich die Verhängung eines Bußgeldes gemäß § 70 Abs. 5q der

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Außenwirtschaftsverordnung. Diese rechtliche Regelung entfaltet keine effek-
tive abschreckende Wirkung, wie sich in zwei vom Zollkriminalamt auf Nach-
frage der Fraktion der FDP bestätigten Fällen zeigt: Zwei deutsche Firmen, die
ungenehmigt eine hohe Stückzahl Elektroschockgeräte in den Iran (100 Stück)
bzw. nach Bangladesch, Georgien und Rumänien (242 Stück) exportiert hatten,
wurden im Rahmen einer grundsätzlichen Außenwirtschaftsprüfung durch die
Oberfinanzdirektion entdeckt. Beide Unternehmen wurden mit einer Geldbuße
in Höhe von 3 000 Euro belegt. In beiden Fällen überstieg der Gesamtwert der
exportierten Güter die Höhe des Bußgeldes deutlich.

Ferner begründen diese Beispiele den Verdacht, dass eine hohe Dunkelziffer un-
genehmigter Exporte erfolgreich durchgeführt wird, da die oben genannten Fälle
gerade nicht im Rahmen der regulären Zollkontrolle entdeckt wurden. Recher-
chen des ARD-Politikmagazins „REPORT MAINZ“ bestätigen diese Annahme.
Auch das BAFA geht nach eigener Aussage von einer entsprechenden Dunkel-
ziffer aus, da nicht jede Ausfuhrsendung eine detaillierte Zollkontrolle durchlau-
fen kann. Der Zollfahndungsdienst hat in den Jahren 2001 bis 2006 laut Infor-
mationen der Bundesregierung kein einziges Verfahren wegen des Verdachts
eines Verstoßes gegen die Ausfuhrbestimmungen für Elektroschockgeräte
eingeleitet.

Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass bei einer reinen Intensivierung der Zoll-
kontrollen in Deutschland ansässige Kontaktpersonen Elektroschockgeräte auf
zivilem Wege im Inland erwerben und diese dann in die Empfängerstaaten aus-
führen, um sie dort ihrem grausamen Verwendungszweck zuzuführen. Auch
dieses Risiko wurde durch die Recherchen von „REPORT MAINZ“ eindeutig
belegt.

Die veröffentlichten Zahlen der Bundesregierung spiegeln nicht die reale deut-
sche Ausfuhrpraxis für Elektroschockgeräte wider. Es ist Aufgabe der Bundes-
regierung, diese Form der Umgehungsgeschäfte mit Elektroschockgeräten zu
unterbinden und sicherzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland ihrer
menschenrechtlichen Verantwortung in diesem Zusammenhang endlich gerecht
wird. Großbritannien hat den Handel, Export und Import mit Elektroschock-
geräten bereits seit 1997 verboten; die Bundesregierung sollte diesem positiven
Beispiel folgen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. den Verkauf von tragbaren Elektroschock-Schlagstöcken, Elektroschockern
(Paralyser) und Elektroschockgürteln in der Bundesrepublik Deutschland zu
untersagen,

2. den Verkauf von Elektroschock-Pfeilwaffen (Taser) auf staatliche Abnehmer
in der Bundesrepublik Deutschland zu beschränken,

3. die Exporterlaubnis für Elektroschock-Pfeilwaffen (Taser) auf staatliche Ab-
nehmer in Ländern, die die geltenden menschenrechtlichen Standards erfül-
len, zu begrenzen und die Empfängerländer zu verpflichten, keine Weiter-
gabe dieser Güter an Zivilpersonen oder Drittstaaten zu erlauben,

4. sich in der EU für eine Regelung dieses Inhalts einzusetzen,

5. zukünftig die Exportzahlen von Dual-use-Gütern im Rüstungsexportbericht
zu veröffentlichen.

Berlin, den 27. Februar 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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